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Gott ist parteiisch. Und zwar mit den Armen und Schwachen. Das hält Pater Daniel Hörnemann aus der Abtei Gerleve in seiner Auslegung zu diesem Sonntag fest. Auf diese Haltung Gottes kann der Mensch nur sein schwaches Echo geben in der von ihm geübten Gottes-, Nächsten- und Selbstliebe.
Gott ist parteiisch. Und zwar mit den Armen und Schwachen. Das hält Pater Daniel Hörnemann aus der Abtei Gerleve in seiner Auslegung zu diesem Sonntag fest. Auf diese Haltung Gottes kann der Mensch nur sein schwaches Echo geben in der von ihm geübten Gottes-, Nächsten- und Selbstliebe.
Die Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen sind gelaufen, die Werbeplakate von Gebäuden und Straßen abgehängt, die Parteiprogramme in der Versenkung verschwunden. Ob die Versprechen der Gewählten eingelöst werden, wird die Zukunft zeigen. Ob die Zusagen nur unverbindliche Sonntagsreden bleiben, die nach dem Wahltag keinen mehr zu interessieren scheinen, ebenfalls.
Eine Parteinahme bleibt jedoch dauerhaft bestehen. Sie gilt bereits seit dem Auszug Israels aus dem Unterdrückungsland Ägypten. In Ausfaltung der Zehn Weisungen hat Gott unumstößliche Schutzregeln gegen die Unterdrückung und Ausbeutung von Schwachen erlassen. Die schwachen Glieder der Gesellschaft werden vor jeglicher Ausnutzung geschützt, die der Menschlichkeit widerspricht. Witwen und Waisen fehlt der Schutz des Mannes, sie sind daher leicht der Willkür anderer ausgeliefert. Der Herr aber steht auf der Seite der Benachteiligten und besonders Schutzbedürftigen.
Ein Ethos der Solidarität und Mitmenschlichkeit
Die Lesungen vom 30. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr A) zum Hören finden Sie hier.
Armut, gleich welcher Art, soll von niemandem in Israel ausgenutzt werden dürfen. Im Fall der Ausnutzung sagt ihnen Gott Rechtshilfe zu: „Ich werde auf alle Fälle erhören“. Die Unnachsichtigkeit und Härte der Strafe Gottes für diejenigen, die Witwen und Waisen ausnehmen, wird drastisch unterstrichen. Bei der Zinsnahme darf kein Wucher betrieben werden, bei der Pfandnahme darf keinem Bedürftigen das Lebensnotwendige entzogen werden.
Das Ethos des Ersten Testaments ist ein Ethos der Solidarität und Mitmenschlichkeit. Diese Weisungen haben bis heute nichts an Wirklichkeitsnähe verloren. Wenn die Mitmenschen kein Erbarmen zeigen und andere ausbeuten, ergreift einer auf jeden Fall Partei für sie. Er hört das Schreien der Bedrückten und zieht die Unbarmherzigen zur Rechenschaft. Gott begründet die Weisungen mit einer Selbstaussage: „Ich habe Mitleid“, oder in der Buber-Übersetzung noch weitreichender ausgedrückt: „Ein Gönnender bin ich“. Das ist mehr, als was die kölsche Redewendung besagt: „Mer muss och jünne künne“, „Man muss auch gönnen können“. Dieser Spruch drückt aus, im Leben sei es gelegentlich schon erforderlich, anderen ihr Glück aus vollem Herzen gönnen zu können. Das mag leicht nach „gönnerhaft“ klingen, die einem anderen mit deutlicher Herablassung etwas Gutes zukommen und dabei zu sehr die eigene Überlegenheit durchblicken lässt.
Grundpfeiler der Bibel
„Gunst“ kommt von „gönnen“. Sie umschreibt die grundsätzliche Haltung Gottes gegen den Menschen. Sein Wohlwollen, seine freundliche, gnädige Gesinnung, die dem Menschen nur Gutes will.
Auf diese Haltung Gottes kann der Mensch nur sein schwaches Echo geben in der von ihm geübten Gottes-, Nächsten- und Selbstliebe. Das Doppelgebot des Evangeliums, zitiert aus dem Ersten Testament, ist eigentlich ein Dreifachgebot. Die beiden Weisungen sind die Grundpfeiler von Gesetz und Propheten, das heißt, der gesamten Heiligen Schrift.
Jesus lehrt keine Beliebigkeit
Pater Daniel Hörnemann OSB ist Mönch der Benediktinerabtei Gerleve bei Billerbeck und Theologischer Berater von "Kirche+Leben". | Foto: Markus Nolte
Als man Jesus wiederum eine Falle stellen und ihn mit einer Fangfrage hereinlegen wollte, als man seine Lehrautorität gezielt untergraben wollte, antwortete er mit der genialen Zusammenfassung all dessen, was für ihn und seine Jünger das Wichtigste war: „Du sollst den Herrn, Deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen. Und Du sollst Deinen Nächsten lieben wie Dich selbst.“ Daran sind die übrigen 248 Verbote und 365 Gebote des jüdischen Gesetzes aufgehängt. Diese Sammlung wäre eine erdrückende Last von Bestimmungen, die das Glaubensleben zu einer Sache der Gelehrten machte. Doch Jesus befreit sie davon und macht deutlich, dass die Erfüllung des Gotteswillens weder eine totale Überforderung des Menschen ist noch eine reine Angelegenheit der Theologen.
Jesus lehrt keine Beliebigkeit, aber einen freien Umgang mit der Weisung, welche die Menschen im Blick behält, vor allem die Schwachen und Randexistenzen. Deren Unterdrückung und Ausbeutung wird im Exodusbuch unmissverständlich verboten. Von starker Bedeutung ist die Begründung mit dem Hinweis, dass Israel einst selbst als Fremdling in Ägypten gelebt hat, in Knechtung und Ausnutzung.
Gott wirbt mit diesem Argument geradezu um Einfühlungsvermögen und Verständnis für die Armen und Schwachen. So darf Israel nach seiner eigenen Befreiung nicht erneut Unfreiheit und Ausbeutung bewirken oder auch nur zulassen. Das ist die echte Bekehrung zum Dienst für den „lebendigen und wahren Gott“, von dem Paulus in seinem Brief nach Thessalonich spricht.
Sämtliche Texte der Lesungen vom 30. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr A) finden Sie hier.