Pater Daniel Hörnemann über Gottesbilder und Gottsuche

Auslegung der Lesungen vom 30. Sonntag im Jahreskreis (C)

Wer meint, schon alles erreicht zu haben und besser dazustehen als alle anderen, dem macht Jesus einen Strich durch die Rechnung. Was das über unser Verhältnis zu Gott sagt, zeigt Pater Daniel Hörnemann aus Gerleve.

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Wer meint, schon alles erreicht zu haben und besser dazustehen als alle anderen, dem macht Jesus einen Strich durch die Rechnung. Was das über unser Verhältnis zu Gott sagt, zeigt Pater Daniel Hörnemann aus der Benediktinerabtei Gerleve bei Billerbeck.

Es fand sich im Münsteraner Anhang des alten Gotteslobs so wie in dessen Vorgänger „Laudate“. Daher dürfte es vielen älteren Menschen bekannt sein und vielleicht ungut in den Ohren klingen: „Strenger Richter aller Sünder, der du uns so schrecklich drohst, doch als Vater deiner Kinder unser einz’ger Schutz und Trost: Gib uns Gnade, recht zu büßen, dass wir nicht einst hören müssen: ‚Geht von mir, ich kenn euch nicht!‘ Herr, wend ab dies Strafgericht!”

War dieses Lied eine Ausfaltung der Gedanken des Zöllners im Gotteshaus, der es nicht einmal wagte, seine Augen zum Himmel zu erheben, der nicht frei nach oben, sondern schuldbeladen nur nach unten schauen konnte? Mit diesem Gottesbild aus alten Kirchenliedern ist schon viel Unfug getrieben werden. Es ist anscheinend aus den Köpfen und Herzen der Menschen nicht herauszubekommen, dass der Gott des Alten Testamentes der strenge Richter und der Gott des Neuen Testamentes der liebende Hirte sei; dass das Judentum die Religion des Gesetzes und das Christentum die Religion der Liebe sei.

Die Lesungen vom 30. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr C) zum Hören finden Sie hier.

Immer noch kursieren Vorurteile, die den Zugang zur Heiligen Schrift versperren und ihnen vielleicht sogar Angst machen. Dem schrecklich drohenden, menschliche Untaten mit Liebesentzug strafenden Richtergott wird in dem alten Lied der liebende, besorgte Vatergott entgegengestellt.

 

Gott ist immer größer

 

Immer haben Menschen mit solchen Sprachbildern versucht, dem Ausdruck zu verleihen, der nicht auszudrücken ist, den zu begreifen, der nicht in Begriffe zu fassen ist. Im Mittelalter gab es schon den wichtigen Gedanken, dass Gott immer größer ist als all das, was wir von ihm aussagen können. Dieser Gedanke korrigiert unsere Vorstellungen und bewahrt davor, sich ein allzu festes Bild zu machen und es auch noch anderen aufzudrängen. Wir suchen einen Gott, der menschlicher ist als wir, erbarmender, liebender.

Im kurzen Abschnitt der ersten Lesung stellt uns Jesus Sirach sein Gottesbild vor Augen. Es ist das Bild eines Gottes, der richtet, um aufzurichten, der eine zerbrochene Ordnung wiederherstellt, der den Menschen ihre Freiheit, Würde und Lebensqualität wiedergibt. Das Bild eines um die Menschen besorgten Gottes, der sich vor allem derer annimmt, die an den Rand der Gesellschaft gedrückt wurden, der Armen und Schutzlosen, speziell der Witwen und Waisen. Ihr Rufen bleibt nicht ungehört. Dieser Gott steht auf der Seite der Schwachen und schafft Recht als gerechter Richter. Er duldet es nicht, wenn Menschen andere Menschen unterdrücken.

 

Wie Gott des Leben ordnet

 

Der Autor
Pater Daniel Hörnemann.

Pater Daniel Hörnemann OSB ist Mönch der Benediktinerabtei Gerleve bei Billerbeck und Theologischer Berater von "Kirche+Leben". | Foto: Markus Nolte

Das Grunddatum der Befreiung, der Exodus, lag zur Zeit des Jesus Sirach bereits lange Jahrhunderte zurück. Die Menschen müssen wohl zu jeder Zeit neu erinnert werden an das Gute und Rechte, an die gottgewollte Ordnung des Lebens in Freiheit. Es genügt nicht, dass irgendwann einmal die Zehn Gebote aufgeschrieben und in vielen Schriften ausgefaltet wurden. Die Menschen jeder Generation müssen neu lernen, was die Grundweisungen bedeuten und wer sie ihnen gegeben hat.

Nach Sirach sollten sie sich an Gott selbst ein Beispiel nehmen und wie er unparteiisch und kritisch das Recht bewahren, ein Ohr für die Nöte der Menschen haben, eingreifen und eine neue Ordnung schaffen. Der Weisheitslehrer Jesus Sirach wollte mit seiner Sammlung von Lebens- und Verhaltensregeln vor allem die Jugend dazu erziehen, die Aufgaben und Schwierigkeiten des Lebens zu meis­tern.

 

Jesus will Menschen, die offen für Gott sind

 

Weisheit meint Lebenskunst, sie hat ihre Spielregeln, Einweisungen in das Leben und in die Freiheit. Sie hilft zum Leben und Überleben in dieser Welt. Sirach steht einerseits treu zu seinem althergebrachten Glauben, ist aber andererseits offen für die Probleme seiner Zeit. Er bietet humane und religiöse Leitsätze für den Weg zu echter Weisheit. Die Lehren des Jesus Sirach kann jeder Mensch verstehen und annehmen. Denn jeder Mensch kann diese Welt mitgestalten und sie auf seine Weise zu einem Lebens- und Freiheitsraum machen.

Der andere Jesus fügt in unserem Sonntags-Evangelium hinzu, wer meint, er habe schon alles erreicht und stünde besser da als alle anderen, wer Gott seine eigenen guten Taten vorrechnet, dem macht Gott einen Strich durch die Rechnung. Für ihn sind letztlich nur die Menschen akzeptabel, die noch offen sind für Gott, die ihr Vertrauen allein auf ihn setzen und die sich einsetzen in und für diese Welt. Sie brauchen keinen strengen Richter zu fürchten, sondern können am Ende wie Paulus in der zweiten Lesung sagen: „Ich habe den guten Kampf gekämpft, den Lauf vollendet, die Treue bewahrt.“

Sämtliche Texte der Lesungen vom 30. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr C) finden Sie hier.