Kaplan Christian Olding über die Riege der Törichten und gläubigen Perfektionismus

Auslegung der Lesungen vom 32. Sonntag im Jahreskreis (A)

Völlig übermüdet schlafen sie ein, die so genannten „törichten Jungfrauen“. Aber sie haben doch extra auf den Bräutigam gewartet. Und der soll ihnen jetzt keine Chance mehr geben? Christian Olding, Kaplan in Geldern, über das Evangelium dieses Sonntags.

Anzeige

Völlig übermüdet schlafen sie ein, die so genannten „törichten Jungfrauen“. Aber sie haben doch extra auf den Bräutigam gewartet. Und der soll ihnen jetzt keine Chance mehr geben? Christian Olding, Kaplan in Geldern, über das Evangelium dieses Sonntags.

Normalerweise spricht Jesus von der verzeihenden Liebe Gottes, die keine Grenzen kennt, 99 Gerechte zurücklässt, um den einen Verlorenen zu suchen. Doch derselbe Jesus verkündet heute ein „Zu spät“. Die Chance ist vertan, der Moment verpasst, der Zug abgefahren und das unwiderruflich. Bin ich bisher zu optimistisch gewesen mit meiner Überzeugung von der unverlierbaren und immer verzeihenden Liebe Gottes?

Außerdem: So groß sind die Unterschiede zwischen den Jungfrauen doch nicht. Sie alle haben Lampen mitgenommen. Alle werden sie müde. Alle schlafen ein. Müde zu werden, ist also keine Schande. Dauerhaft wach zu sein, ohne einen Moment des Abschweifens, kann nicht den vollkommenen Rauswurf bedeuten. Denn das Verhalten legen alle zehn Jungfrauen an den Tag.

Für mich bringt das Gleichnis zwei entscheidende Fragen mit sich: 1. Bin ich vorbereitet? 2. Wenn das nicht der Fall ist, kann ich dazu stehen?

 

Bin ich vorbereitet?

 

Zur ersten Frage: Bin ich vorbereitet? Die Gruppe der törichten Jungfrauen ist es eben nicht. Sie glauben, es wird schon reichen, was sie im Gepäck haben. Sie nehmen es nicht so genau und setzen darauf, dass schon alles gut gehen wird. Sie nehmen die Angelegenheit nicht ausreichend wichtig.

Der Autor
Christian OldingChristian Olding ist Kaplan in St. Maria Magdalena, Geldern. | Foto: Andrea Faure

In dieser Hinsicht ist das Gleichnis, das Jesus seinen Jüngern erzählt, eine Warnung. Es ist eine drastische Mahnung, die Liebe Gottes nicht ins Kalkül der eigenen Berechnungen einzubauen.

Das nimmt Gott nicht ernst. Es respektiert nicht seine Heiligkeit, seine Größe und Macht. Denn Gott bleibt Gott, und Mensch bleibt Mensch. Es gibt nur einen Gott, und der bin nun einmal nicht ich. Dieser Gott hat sich umbringen lassen, damit ich ihm glaube, dass er mich wirklich liebt und dass er unbedingt eine Beziehung zu mir will. Mit diesem Gott soll ich in meinem Leben rechnen. Wenn er jetzt zur Tür hereinkäme, wäre ich vorbereitet?

 

Bin ich mit meinen Mitmenschen im Reinen?

 

Was das genau meint? Ich glaube, es bedeutet zum Beispiel Folgendes: Bin ich mit meinen Mitmenschen im Reinen? Gibt es in meiner Familie unaufgearbeitete Geschichten, die vor sich hingammeln und stinken? Liege ich mit meinen Nachbarn im Streit? Es gibt vieles, was unversöhnt zwischen Menschen liegt. Wenn Gott nun käme, könnte ich eben nicht wie die törichten Jungfrauen sagen: Sorry, ich hätte da noch eben was zu klären. – Zu spät!

Weil das Gleichnis eine Warnung ist, folgt daraus auch: Jetzt habe ich es gehört. Jetzt kann mir nichts mehr passieren, denn ich weiß nun, was zu tun ist. Ja, Gott ist verzeihende Liebe, keine Frage. Aber zu dieser Liebe gehören auch eine Entschiedenheit und eine Tat (vgl. 1 Joh 3,18).

 

Immer in Bereitschaft

 

Das Evangelium gibt uns eine wichtige Information über das Reich Gottes: Sei bereit, auch wenn es dauert. Warum ich das tun sollte? Weil es sich lohnt, weil Gott es wert ist.

Ein Blick auf die zweite Frage: Wenn ich nicht vorbereitet bin, kann ich dazu stehen? Das Gleichnis sagt nicht, dass der Bräutigam erwartet, dass die Lampen brennen. Es schreibt nichts über seine Enttäuschung oder seinen Unmut. Doch die Riege der Törichten hat offensichtlich Sorge und Angst, dem Bräutigam mit ihrem Manko unter die Augen zu treten. Sie wagen es nicht, zu ihrer Schwäche zu stehen. Vielmehr setzen sie ihr ganzes Bemühen in den verzweifelten Versuch, ihr Versagen zu kaschieren und ungeschehen zu machen. Das misslingt. Die Folge ist, sie schließen sich letztlich selber aus vom großen Fest.

 

Keiner muss perfekt sein

 

Es geht hier nicht um Perfektionismus. Als „Gläubiger“ muss ich in Jesu Augen nicht alles perfekt auf die Reihe bekommen. Ich darf Fehler machen. Ich darf versagen und scheitern. Dafür gibt es Gottes verzeihende Liebe, die keine Grenzen kennt. Dafür gibt es seine Vergebung. Doch dieser Liebe muss ich vertrauen. Die kann ich mir nicht erarbeiten, nicht erkaufen. Die kann ich nur annehmen. Ob ich aber wirklich an diese Liebe glaube und sie annehme, das zeigt sich in der Tatsache, dass ich zu meinen Fehlern und meinen Schwächen stehe.  Die Jungfrauen sind weggelaufen. Sie haben an diese Liebe nicht glauben können. Sie hätten da sein und da bleiben sollen, als der Bräutigam kam.

Das Evangelium kommt mit einer eindringlichen Botschaft um die Ecke. Es hat die Sorge, wir könnten die Chance verpassen, uns auf Gott einzulassen. Es wäre das Tragischste, das uns passieren könnte. Deswegen werde ich auf zwei Gefahren hingewiesen: Unvorbereitet zu sein oder aus falscher Angst vor Gott wegzulaufen. Doch wie heißt es so schön: Gefahr erkannt, Gefahr gebannt. Ich weiß nun, an welchen Stellen die Beziehung zu Gott auf der Kippe steht, und es liegt an mir, entsprechend zu handeln.

Sämtliche Texte der Lesungen und des Evangeliums vom 32. Sonntag im Jahreskreis (A) finden Sie hier.

Anzeige