Schwester Katharina Kluitmann sagt: Jesu-Nachfolge ist kein Leistungssport

Auslegung der Lesungen vom 32. Sonntag im Jahreskreis / Lesejahr B

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Jede und jeder kann etwas geben. Die Frage ist nur, was kann jemand geben. Die Theologin und Psychologin Schwester Katharina Kluitmann regt zum Nachdenken an und legt die Lesungen dieses Sonntags aus.

Zwei Witwen, 900 Jahre aus­einander, werden von der Liturgie zusammengeblendet. Jede von ihnen gibt, nicht ein bisschen, sondern ihren Lebensunterhalt, das Letzte, was noch übrig ist. Sie gehen weit, sehr weit, über die Grenze dessen, was man erwarten kann, über die Grenze des Vernünftigen.

Verrückt, oder? Darf man so geben? Kann ich so geben? Will ich so geben? Soll ich hergeben, was ich zum eigenen Lebensunterhalt brauche? An Geld, an Essen? Wie weit soll ich mich reingeben in Kirche oder Politik? Was anbieten? Meine Zeit so für andere verschenken, dass für mich nichts mehr bleibt? Ist das eine Einladung zum Verhungern, Aufforderung zum Burnout, hirnverbrannt? Warum tun die beiden das? Die Texte verraten dazu nicht viel. Wir müssen auf die kleinen Hinweise schauen.

 

Zeichen der Resignation?

 

Die Lesungen vom 32. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr B) zum Hören finden Sie hier.

Die Witwe in Sarepta ist völlig am Ende – in einer Hungersnot, in der auch von anderen nichts zu erwarten ist. Sie bereitet sich aufs Ende vor, auf das eigene und das ihres Sohnes. Ist es Resignation, dass sie Elija Brot abgibt, nach dem Motto „Darauf kommt es jetzt auch nicht mehr an“? Kennt sie Elija? Eher nicht.

Der Text legt zwei Fährten: Elijas Wort „Fürchte dich nicht“ und seine Verheißung, der Mehltopf werde nicht leer und der Ölkrug nicht versiegen. Ob sie einfach vertraut und hofft? Ob das auch für die Witwe im Evangelium gilt, von der wir gar nichts von der Motivation wissen? War sie einfach ein guter Mensch, hatte Mitleid, ganz anonym, am Opferkasten? Wollte sie Gott ihre Liebe zeigen im Tempel? Eine Pflicht erfüllen, einem Herzensruf folgen, ein Opfer bringen? Wir wissen es nicht. Was wir wissen, ist, dass das Evangelium uns nicht das Leben abschneiden will. Vielmehr arbeitet es mit der Hoffnung, dass Vertrauen, Gottvertrauen, sich lohnt und nicht ins Leere geht.

 

Ein Wunder in Sarepta?

 

Der Mehltopf in Sarepta wird tatsächlich nicht leer. Hat das Vertrauen Beziehungen aufgebaut, die doch tragen, bis die Zeiten besser werden? Oder ein Wunder? Der Ölkrug versiegt nicht: Balsam für jede großzügige Geberin, dass Jesus sieht, wie viel Liebe da geschieht. Für die, die nur an sich denken, hat er harte Worte – und lässt das Motiv der Witwe wieder anklingen, wenn diese zum Spielball der Selbstsüchtigen wird.

Das zweite Motiv, das des Opfers, bindet die Lesung aus dem Hebräerbrief ein. Jesus bringt, wie die Witwen, ein Opfer, bringt sich dar, das Opfer schlechthin. Dann geht er nicht nur selbst in die Lebensfülle des Himmels, sondern erwirbt sie uns. Er befreit uns von unserem Abgeschnitten-Sein, unserer Sünde. Er erwirbt Leben, stiftet Beziehung, ermöglicht Vertrauen.

 

Verbindliches Vertrauen ist möglich

 

Die Autorin
Schwester Katharina Kluitmann
Schwester Katharina Kluitmann ist die Vorsitzende der Deutschen
Ordensobernkonferenz, Lüdinghauser Franziskanerin. | Foto: Michael Bönte

In seiner Spur leben die beiden Witwen, ohne es zu wissen. In seiner Spur können wir leben. Genau dazu ruft er uns auf, nachzufolgen, in seinen Spuren, also in seinem Windschatten. Das Entscheidende hat er getan. Hinter ihm herzugehen, ist kein Leistungssport. Verbindliches Vertrauen ist möglich, vielleicht gar leicht, im Windschatten-Sog seines Opfers. Unsere Opfer sind in seiner Spur, wo sie aus übergroßer Dankbarkeit über die Befreiung geschehen.

Mich stellen diese Texte grundlegend infrage. Bin ich nicht auch eine, die nur vom Überfluss gibt? Hunger leide ich nicht. Als unser Bischof letztens in einer Predigt zum Fasten für den Synodalen Weg aufrief, war das ein Thema, das leise belächelt wurde. Wenn gerade alle an mir zerren, gebe ich dann noch mehr von meiner Zeit her? Wie lebe ich „Opfer“? Und was ist der anderen Seite der Gefahr im, mich zu verausgaben, nicht mehr zu können, zu viel geben?

 

Jede muss achtsam sein

 

Jede und jeder muss achtsam sein: Neige ich dazu, zu viel oder zu wenig zu geben? Ob es möglich ist, in der Beziehung zu Jesus zu erspüren, wo er zu mehr Vertrauen auf die größeren Möglichkeiten in seinem Windschatten aufruft? Ich persönlich bin genau deshalb trotz allem, was zehrt, noch nicht aus der Kirche ausgetreten. Denn ich kenne die Erfahrung, dass ich in seiner Spur mehr geben kann als in meinen Kräften steht. Ich kenne die Erfahrung, dass Gott Möglichkeiten schafft, die ich nie zu hoffen gewagt hätte.

Die Gründerin unserer Gemeinschaft hat in solchen Situationen gesagt: „Gott wird sorgen.“ Sie hatte recht. Sie hat es erfahren, und auch ich habe es immer wieder erfahren. Gleichzeitig muss ich um dieses Vertrauen ringen. Immer wieder muss ich mich fragen lassen, wie weit zu gehen ich bereit bin.

Und Sie, wie weit gehen Sie?

Sämtliche Texte der Lesungen vom 32. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr B) finden Sie hier.

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