Pater Elmar Salmann OSB: Jeder macht sich selbst die Hölle heiß

Auslegung der Lesungen vom 33. Sonntag im Jahreskreis (A)

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Die Lesungen dieses Sonntags wirken ungerecht, skandalös: Wie da über Frauen gesprochen wird! Wie da einer bestraft wird, der das anvertraute Geld aus Angst nicht vermehrt hat! Wie damit umgehen? Antworten von Pater Elmar Salmann aus der Benediktinerabtei Gerleve.

Es ist November, und danach sind die Texte auch, wie Kassiber aus fernen Zeiten und fremden Welten. Schon das Lob der wackeren Frau aus den Sprichwörtern scheint der heutigen Leserin ein Lied aus idyllischer und garstiger Zeit, weit entfernt von allen Errungenschaften feministischer Emanzipation. Und doch gewinnt hier die Frau in einer ganz von Männern beherrschten Epoche auf einmal ein Gesicht, spielt eine gesellschaftliche Rolle. Es spricht aus dem Ganzen ein Stolz, ein Geist der Rühmung.

Könnten wir so über unseren Partner sprechen, von den Menschen, die uns umgeben? Wie wäre es, wenn dieser Geist der Gutheißung, der Anerkennung unser Leben und die Sicht auf die andere bestimmte? Und es wäre womöglich lohnend, den vielen Spuren in der Bibel nachzugehen, in denen Frauen prägend und präsent sind, im Guten wie im Bösen, im Kleinen wie im Großen. Wie, wenn man die Kirchengeschichte und die heutigen Diskussionen einmal von daher anders erzählte und weiter führte – was doch in der Theologie und weiten Teilen alltäglicher Praxis schon längst geschieht.

 

Als ginge es immer so weiter

 

Die Lesungen vom 33. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr A) zum Hören finden Sie hier.

Und dann bricht – mit dem Pathos des ältesten Dokumentes des Neuen Testaments, dem Brief an die Thessalonicher, der Jüngste Tag über die Geschichte herein, wie ein Unwetter, gar ein Dieb, der uns des Lebens beraubte. Immer wiegen Menschen sich in Sicherheit, meinen, es ginge immer so weiter – und werden doch beim Schopf gepackt, gebeutelt und geschüttelt, von Klima-, Finanz-, Migrations- und politischen Krisen und dann auch noch Pandemien.

Ergeht da nicht auch ein Gericht über die Verhältnisse – und dass wir vielleicht über eben diese leben, mit Kontingenz und Endlichkeit nicht mehr zurechtkommen? Irgendwie will der Mensch doch wissen, woran er in seinem Leben war, erwartet einen Augenblick der Klärung, einen Überblick über die Landschaft seines Lebens – vor einem hoffentlich geneigten Auge, im Raum der Zugewandtheit Gottes? So jedenfalls sieht es Paulus, von daher die heitere Zuversicht der frühen Gemeinde, die aus dem Brief spricht. Etwas von diesem Schwung und Charme des Anfangs täte uns wohl gut.

 

„Yes, you can!“

 

Dies ist auch die Grundstimmung des Evangelientextes. Den Menschen wird viel anvertraut, zugetraut: „Yes, you can!“, möchte man mit dem Gutsbesitzer den Leuten zurufen. Der Mensch kann sein Leben steigern, Frucht bringen, über sich hinaus wachsen und darin seine ihm zugedachte Bestimmung erfüllen. Er ist für ein solches Festmahl des Lebens gemeint.

Dann freilich verdüstert sich die Szene. Was kann der letzte Knecht dafür, dass er nur ein Talent erhalten hat, den Überblick verliert, ängstlich ist, den sicheren Weg wählt, die reine, ungefährdete Bewahrung des überkommenen Erbes? Zu mehr langt es nicht. Erst als er die anderen sieht, wird er sich seines Fehlers bewusst, spürt er die Angst in sich aufsteigen, fängt an zu vergleichen, projiziert seine Scham auf den Herrn, der jetzt auf einmal als streng und eigennützig erscheint.

 

Ein Zerrbild des Herrn der Welt

 

Der Autor
Pater Elmar Saalmann OSB
Pater Elmar Salmann war lange Jahre Theologieprofessor in Rom. Er lebt als Mönch in der Benediktinerabtei Gerleve. | Foto: P. Bartholomäus Denz.

Es entsteht im Kopf des dritten Knechtes ein Zerrbild des Herrn, der Welt und von sich selbst, das jedes Vertrauen unterläuft. Vielleicht ist das seine Schuld, die Sackgasse, in der er sich verläuft – womit er sich selbst das Urteil spricht. Er kann sich dem Herrn nicht öffnen, verliert das Zutrauen ins Sein, verschließt sich in der Enge seiner Angst.

Hölle ist diese Falle der Selbsteinschließung, die alles nur noch als Schatten wahrnimmt, im Negativ, ohne Kontur und Licht. Ein Schattenreich, in dem das Licht gescheut wird, jene Liebe und Anerkennung, nach der man sich doch immer gesehnt hat.

 

Keine Folterkammer

 

Vielleicht sollten Prediger und Theologen so vom Endgericht sprechen. Nicht, dass Gott den Sünder in eine Folterkammer verstößt, wie es so viele sadistische Fantasien uns vorgemalt haben; vielmehr hat der Mensch eine Neigung, sich zu verpuppen in seine Vorurteile, Ängste, Abwehrmechanismen – und sich damit selbst das Urteil zu sprechen, sich die Hölle zu bereiten, sodass der gütige Blick Gottes ihn nicht erwärmen, öffnen und aus der Kälte hervorlocken kann.

An jeden von uns ergeht die Einladung, das Talentierte, Begabte, Offene und Liebenswerte in uns zu fördern, die guten Augenblicke zu nutzen und so zu erweitern, dass daraus eine Lebenslandschaft entsteht, die uns beherbergt, ein Anfang des künftigen Himmels.

Sämtliche Texte der Lesungen vom 33. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr A) finden Sie hier.

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