Dominik Blum aus Vechta sagt: „Willkommen in der Hölle“

Auslegung der Lesungen vom 33. Sonntag im Jahreskreis (B)

Die Sonne wird sich verfinstern, der Mond wird nich tmehr scheinen, es kommen die Tage der großen Not: Apokalyptisch im Wortsinn ist das Evangelium dieses Sonntags. Dass es dabei nicht nur um düstere Zukunftsmusik geht, zeigt Dominik Blum aus Vechta.

Anzeige

Die Sonne wird sich verfinstern, der Mond wird nich tmehr scheinen, es kommen die Tage der großen Not: Apokalyptisch im Wortsinn ist das Evangelium dieses Sonntags. Dass es dabei nicht nur um düstere Zukunftsmusik geht, zeigt Dominik Blum aus Vechta.

Apokalyptische Orte, an denen die Sonne nicht scheint, sondern Feuer vom Himmel fällt, gibt es leider zu viele auf dieser Welt. Orte, an denen Menschen und Tiere im Land des Staubes schlafen und arbeiten. Lebensbedingungen wie in der Zeit der Not, von der im Buch Daniel und im Markus-Evangelium die Rede ist.

Das Evangelium vom 33. Sonntag im Jahreskreis (B) zum Hören und Sehen auf unserem Youtube-Kanal.

Ein solcher Ort ist Agbogbloshie, die größte Elektroschrott-Deponie der Welt in Accra, der Hauptstadt Ghanas. Auf mehr als 16 Quadratkilometern brennt hier der Wohlstandsmüll Europas. Kühlschränke, Computerbildschirme, alte Laptops, Handys ... Pechschwarzer, hochgiftiger Rauch verpestet die Luft, der Boden schwankt, denn die Mülldeponie wächst über einer Lagune.

Menschen versinken im Schlamm und tauchen nie wieder auf. Giftige Schlacke, Blei und Phosphor überall, verbranntes Plastik, in den Feuern abgeschmolzen von den Magneten und Kupferkabeln, die so heiß begehrt sind. Mehr als 6000 Männer, Frauen und Kinder leben und sterben hier, ausgesetzt dem Gift, der Angst, der Gewalt. Deshalb nennen sie diesen Ort Sodom. Hier ist die Apokalypse, die Hölle auf Erden.

 

„Welcome to Sodom”

 

Seit Sommer läuft in einigen deutschen Kinos ein Dokumentarfilm der österreichischen Regisseure Florian Weigensamer und Christian Krönes über diese größte Müllhalde mitten in Afrika. Wer es aushält, sollte ihn anschauen. Denn der Untertitel verdeutlicht, was wir Westeuropäer mit dieser Gifthölle zu tun haben: „Welcome to Sodom. Dein Smartphone ist schon hier.“

Papst Franziskus hat den heutigen Welttag der Armen am vorletzten Sonntag des Kirchenjahres etabliert. Über seine diesjährige Botschaft stellt Franziskus diesen Psalmvers: „Da rief ein Armer und der Herr erhörte ihn“ (Ps 34,7). Der Papst schreibt: „Es wird uns vor allem gesagt, dass der Herr die Armen, die zu ihm rufen, hört und dass er gut ist zu jenen, die bei ihm Zuflucht suchen mit einem von Trauer, Einsamkeit und Ausgrenzung zerbrochenen Herzen.“ Was der Arme tut und was Gott tut, bringt Psalm 34 in drei Verben zum Ausdruck: schreien – antworten – befreien.

 

Warum hören wir den Schrei der Armen nicht?

 

Der Arme schreit zu Gott, aber auch zu uns. Kritisch bohrend fragt Papst Franziskus: „Wie kommt es, dass dieser Schrei, der zum Angesicht Gottes aufsteigt, nicht zu unseren Ohren zu gelangen vermag und uns gleichgültig und untätig lässt?“

Der Autor
Dominik BlumDominik Blum ist Leiter des Referats Erwachsene der Abteilung Seelsorge im Bischöflichen Offizialat Vechta. | Foto: privat

Der Herr, so hat es der Psalmbeter erfahren, ist anders. Er hört den Schrei und seine Antwort heißt Solidarität mit den Armen, Anteilnahme, Zuneigung. Wer diesem Gott folgen will, kann es selbst nicht anders tun. Schließlich – unglaublich, unserer Erfahrung entgegengesetzt – tut Gott noch mehr: Er befreit. Der Psalmbeter weiß: „Die aufschrien hat der Herr erhört, er hat sie all ihren Nöten entrissen“ (Ps 34,18). Der Papst formuliert es so: „Der Arme der Bibel lebt in der Gewissheit, dass Gott zu seinen Gunsten eingreift, um ihm seine Würde wiederzugeben.“

 

Ein großer Engel tritt auf

 

Gilt, was der Psalmbeter und der Papst verkündigen, auch für die Menschen in Sodom, in Agbogbloshie auf der brennenden, schwankenden Hölle? Es ist wahrhaftig kaum zu glauben. Und als ob das nicht genug wäre, gehen die Lesung aus dem Buch Daniel und das Markus-Evangelium noch einen Schritt weiter. Sie beschreiben nicht nur das Heilshandeln für diesen oder jenen konkreten Armen und seine Befreiung. Daniel und Markus malen ein Bild vom Eingreifen Gottes am Ende der Zeit, zugunsten aller, die sich in der Zeit der größten Not auf den Herrn verlassen haben.

In der alttestamentlichen Lesung ist vom rettenden, lebendig machenden Handeln Gottes für die Ärmsten der Armen die Rede, für die Toten, die im Land des Staubes schlafen. Ein großer Engel tritt für sie ein, Michael. Und es kommt am Ende sogar der Größte, der Menschensohn. Wann das sein wird, weiß keiner – aber bald, noch in dieser Generation.

 

Kraft zur Solidarität

 

Was fangen wir mit solchen Texten an? In der Zeit der größten Not für die Armen in Sodom und anderswo? In den Zeiten der eigenen großen, staubigen, finsteren Not? „Ich suchte den Herrn und er gab mir Antwort, er hat mich all meinen Ängsten entrissen. Die auf ihn blickten, werden strahlen“ (Ps 34,5.6a). Leben Arme mit dieser Verheißung nicht besser als ohne?

Finden wir nicht allein angesichts dieser Verheißung die Kraft zur Solidarität aller Armen untereinander, die Franziskus von uns fordert: „Wir wollen an diesem Tag spüren, dass wir alle ihnen gegenüber in der Pflicht stehen, damit … sich die rettende Begegnung verwirklicht, die den Glauben festigt, die Nächstenliebe tatkräftig macht und die Hoffnung befähigt, sicher weiterzugehen auf dem Weg zum Herrn, der kommt.“

Sämtliche Texte der Lesungen vom 33. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr B) finden Sie hier.

Anzeige