Pater Daniel Hörnemann OSB: Gott kann überall zuhause sein

Auslegung der Lesungen vom 4. Adventssonntag (Lesejahr B)

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Weihnachten kommt immer näher, doch an diesem 4. Adventssonntag blickt das Evangelium noch einmal neun Monate zurück. Die Verkündigung des Engels steht im Mittelpunkt: Maria, du wirst ein Kind vom Höchsten empfangen. Anders gesagt: Gott will Mensch werden, will in einem Menschen heranwachsen und zur Welt kommen. Dazu die Auslegung von Pater Daniel Hörnemann OSB aus der Abtei Gerleve.

Und tschüss!“ Das war's. Lukas beschließt die einschneidende Szene im Leben Marias mit dem lapidaren Satz „danach verließ sie der Engel“. Erst ging er einfach bei ihr ein, dann schlicht wieder raus. Die Begegnung löste bei ihr verständlicherweise ein heftiges Erschrecken aus. Sie wird beruhigt: „Fürchte dich nicht“, mit der Draufgabe: „Du hast bei Gott Gnade gefunden.“

Dann aber kommt es: Sie soll ein Kind empfangen mit besonderem Namen und Schicksal. Die Engelsantwort auf ihre kurze Frage nach dem Wie gipfelt in der Zusage „Für Gott ist nichts unmöglich.“ Darauf reagiert Maria mit einer starken „Ich bin“-Aussage. Ich-bin-Worte kennen wir sonst von Jesus selbst, hier spricht seine Mutter ein solches Wort: „Ich bin die Magd des Herrn“. Es ist ihr kräftiges Ja-Wort zur Herausforderung Gottes, die ihr ganzes Leben umkrempeln wird. Sie hätte auch Nein sagen können, aber sie lässt sich auf Gott ein, sie lässt ihn in sich hinein. Der Engel geht, aber Gott kommt. Sie bereitet ihm das dichteste Zuhause, das ein Mensch, eine Frau, nur bieten kann.

 

Kostbares Palais

 

Die Lesungen vom 4. Adventssonntag (Lesejahr B) zum Hören finden Sie hier.

Es wollte doch schon einmal ein Mensch Gott ein Zuhause errichten, rund 1000 Jahre vor der Geburt Jesu in Bethlehem. Er erhielt jedoch eine deutliche Abfuhr. König David hatte all seine Ziele erreicht, nach vielen Kriegen war Friede eingetreten, seine Feinde verhielten sich ruhig, über sein Land kam der Wohlstand, er hatte sich ein kostbares Palais errichtet. Beim Betrachten seines reichen Palastes kam ihm der Gedanke, dass Gott immer noch draußen vor der Tür wohnte, in einem Zelt, in dem er seit vielen Jahren durch gute und bange Zeiten mit den Seinen mitgezogen war. Die Zeit schien gekommen, das tragbare, mobile Heiligtum abzulösen durch einen festen, prächtigen Wohnsitz in der Hauptstadt Jerusalem.

David entschied sich dafür, Gott eine kostbarere Wohnung zu bereiten, als sie das Wüsten- und Wanderheiligtum in seinen Augen sein konnte. Zunächst geht der Prophet Natan auf sein Vorhaben begeistert ein, muss aber dann auf Gottes Geheiß zurückrudern. Davids große Pläne werden gestoppt. Die Rollen werden vertauscht, nicht der König baut ein Haus für seinen Gott, sondern umgekehrt wird der Herr dem König zu einem viel wertvolleren Haus verhelfen.

 

Gott ist dynamisch, nicht statisch

 

Pater Daniel Hörnemann
Pater Daniel Hörnemann OSB ist Mönch der Benediktinerabtei Gerleve bei Billerbeck und Theologischer Berater von "Kirche+Leben". | Foto: Markus Nolte

Welches Haus könnte ein Mensch, selbst ein König, auch dem allmächtigen Schöpfer- und Erlösergott bauen? Bei wie vielen Tempeln und Kirchen haben sich die Erbauer selbst ein Denkmal gesetzt, auch wenn es vordergründig ein Gotteshaus sein sollte! Es wurden Dome und Kathedralen zur größeren Ehre Gottes erbaut, doch immer auch zur Festigung der menschlichen, weltlichen Herrschaft in der Allianz von Thron und Altar.

Gott kann allerdings überall zu Hause sein, er lässt sich nicht in ein steinernes Gebäude einfangen und einsperren. Was ist, wenn Gotteshäuser aus Stein zerfallen, entweiht, zweckentfremdet oder zerstört werden? Schwindet mit ihnen zugleich die Präsenz Gottes? Wir haben es doch nicht mit einem statischen Gott zu tun, einer Gegenwart nur an bestimmten Orten und zu ausgesuchten Zeiten. Vielmehr mit einer Präsenz im Wechselspiel von Stabilität und Dynamik. David hatte gelobt: „Nicht will ich mein Zelt betreten noch mich zur Ruhe betten, nicht Schlaf den Augen gönnen noch Schlummer den Lidern, bis ich eine Stätte finde für den Herrn, eine Wohnung für den starken Gott Jakobs“ (Ps 132). Gott hat auf seine Weise dieses Gebet erhört.

Nicht zur Zeit Davids, sondern erst zur Zeitenwende in der Geburt Jesu. Er respektierte den Tempel in Jerusalem, vertrieb sogar die Händler daraus, aber er machte von Steinen kein allzu großes Aufheben. Vielmehr sah er voraus, dass das, was Menschen erbauen, auch wieder zerstört werden kann.

 

Wohnung mit den Menschen

 

Er machte deutlich, dass sein Vater nicht an einen Ort gebunden ist, sondern überall verehrt werden kann. Für seinen Gott sind die lebendigen Steine wichtiger als die Mauern eines Gebäudes.

Er ist ein Gott, der mit und in uns Menschen Wohnung nehmen will. Maria schuf Gott Raum in ihrem Leben, indem sie das Kind der Verheißung, den wahren Sohn Davids, austrug, gebar und großzog. Dieser Gott bittet immer noch um einen Platz in unserem Leben, er will in jedem menschlichen Herzen neu geboren werden.

Vor 50 Jahren lautete ein eingängiger Werbeslogan „Wir geben Ihrer Zukunft ein Zuhause!“, abgeändert könnte er lauten: „Ich schenke deiner Zukunft mein Zuhause!“

Sämtliche Texte der Lesungen vom 4. Adventssonntag (Lesejahr B) finden Sie hier.

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