Jan Loffeld über geistliche Berufungen in Zeiten der Kirchenkrise

Auslegung der Lesungen vom 4. Sonntag der Osterzeit (C)

Am Sonntag betet die Kirche um geistliche Berufe - und steckt in einer heftigen Krise. Wie die Lesungen des Sonntags Wegweiser in die Zukunft sein können, sagt Jan Loffeld, Priester des Bistums Münster und Professor in Utrecht.

 

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Am Sonntag betet die Kirche um geistliche Berufe - und steckt in einer heftigen Krise. Wie die Lesungen des Sonntags Wegweiser in die Zukunft sein können, sagt Jan Loffeld, Priester des Bistums Münster und Professor in Utrecht.

Der vierte Ostersonntag wird als Gebetstag um geistliche Berufe begangen. Ausgerechnet diese Gruppe im Volk Gottes steht derzeit in hohem Misskredit: sexueller, geistlicher, klerikaler Missbrauch. Die sich damit verbindenden Anfragen an kirchliche Macht, Moral und Praxisformen sind tatsächlich epochal.

Die Lesungen des 4. Sonntags der Osterzeit (Lesejahr C) zum Hören finden Sie hier.

Konstruktive Hilfe für alle Opfer sowie glaubwürdige Antworten auf die gestellten Fragen sind spätestens jetzt unerlässlich. Die geistlichen Berufe drohten auch bereits vor den Skandalen zu einer Minderheit zu werden. Daher darf man nicht übersehen, dass Veränderungen noch tiefer gehen: Die Plätze älterer Gottesdienstbesucher, die sterben, bleiben zumeist leer. Andere gehen mit guten, viele jedoch ohne erkennbare Gründe. Es gibt halt Wichtigeres.

 

Organisierte, ohnmächtige Seelsorge

 

Diese Phänomene kennen interessanterweise alle christlichen Konfessionen, sogar die Altkatholiken der „Utrechter Union“. Allzu einlinige Erklärungs- und Lösungsversuche werden der komplexen Realität nicht gerecht, ebenso eine zuweilen mit viel Herzblut und Liebe organisierte Pastoral, die sich diesen Phänomenen gegenüber häufig als ohnmächtig erlebt.

Wie anders stellen sich die Probleme der jungen Christengemeinde in der Apostelgeschichte dar! Hier führt die Frage zum Konflikt, wie sich die frühe Kirche und ihre Verheißungen zur jüdischen Mutter-Religion verhalten. Eine Frage mit historischer Tragweite, deren Beantwortung bis heute keine Zweideutigkeiten duldet. Auch hier verbieten sich vereinfachende Lösungen. Paulus gibt im Römerbrief (Röm 11, 1-32) die beste und uneingeholt gültige Antwort: Israel geht den Weg, den es allein durch Gott geführt wird. Denn nur so ergab sich die Notwendigkeit der Heidenmission, nur so wird das Christentum in seine universale Dimension eingeführt.

 

Aus Rot wird Weiß

 

Sie prägt die zweite Lesung. Dort scheint etwas eine wichtige Bedeutung zu haben, das sich heute bisweilen unterbelichtet zeigt: das Weißen der Gewänder all derer, die aus der großen Bedrängnis kommen. Historisch steht hier gewiss die Verfolgung dahinter. Theologisch allerdings weist es auf einen Vorher-Nachher-Effekt hin, den wir beispielsweise in der Taufliturgie noch kennen: Die Taufe bewirkt einen wirk- und heilsamen Unterschied, ausgedrückt im Wechsel des Kleides.

Die Erstkommunionkinder und alle, die sich in der Liturgie weiß gewanden, signalisieren diesen österlichen Unterschied, den der Glaube macht: Nicht wir erlösen uns, die Kirche oder gar die ganze Welt – das macht ein anderer.

 

Was dem Glauben Zukunft gibt

 

Vielleicht ist es gerade diese Botschaft, die das Christentum bezüglich seiner gegenwärtigen Problemlagen und der eigenen Zukunft neu lernen kann: Nicht unsere Planungen, Erfolgsaussichten, Machbarkeitsfantasien bewirken die Zukunft des Glaubens, es ist zuallererst die Gnade der österlichen Veränderung. Der Reichtum des Christentums, das „Kapital“ des Glaubens ist die Berufung eines jeden Menschen zur Gemeinschaft mit Gott, wie es das letzte Konzil nennt.

Der Autor
Jan Loffeld.
Jan Loffeld ist Priester des Bistums Münster und Professor für Praktische Theologie in Utrecht (Niederlande). | Foto: privat

Im Evangelium heißt das: „Meine Schafe hören auf meine Stimme, ich kenne sie und sie folgen mir!“ Alles, was in der Kirche aus dieser Beziehung kommt und dahin zurückführen möchte, wird vermutlich Zukunft haben. Denn es geht um diese letzte Geborgenheit: Wenn Ostern wahr ist, wird uns niemand davon trennen, dass wir gegenüber allen selbst­ernannten Erlösern souverän bleiben können. Wer daran glaubt, dass die Gottesgemeinschaft die größte Berufung des Menschen ist, kann sorgenfreier auf alle gegenwärtigen Erosionen schauen: derjenigen klerikaler Macht, konkreter kirchlicher Sozialgestalten oder Amtsträger. Zentral hingegen ist diese Realität – und die große Krise ist es, wenn sie nicht mehr geglaubt wird: „Niemand wird uns der Hand des Vaters entreißen.“

 

„Heilige von nebenan“

 

Beim Blick in die Kirchengeschichte waren es daher weniger Planungen, die in die Zukunft führten. Es waren insbesondere die Frommen und Radikalen, nicht selten sogar die Außenseiter und Systemaussteiger: Benedikt am Ende der Antike, Franziskus inmitten einer geistlich entleerten Kirche, Ignatius von Loyola nach der Krise der Reformation, Johannes XXIII. und Johannes Paul II. in Zeiten einer sich globalisierenden Welt. Zeitgleich traten starke geistliche Frauen auf: Scholastika, Klara, Mutter Theresa oder Chiara Lubich – um nur wenige zu nennen.

Andere sind „Heilige von nebenan“, von denen unser Papst gerne redet. Sie alle lebten aus der Erfahrung des Vorher–Nachher, dessen, was man den „Mehrwert“ des Glaubens nennen kann: sich von den großen und kleinen Bedrängungen befreit wissen zu dürfen. Ein frommer Wunsch, vielleicht – der jedoch gottlob schon manches Mal Hand und Fuß bekam.

Sämtliche Texte der Lesungen des 4. Ostersonntags (Lesejahr C) finden Sie hier.

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