Pfarrer Stefan Jürgens darüber, was glaubwürdig sein lässt

Auslegung der Lesungen vom 4. Sonntag im Jahreskreis (C)

Glaubwürdigkeit und Kirche – das ist zurzeit ein Spannungsverhältnis. Wie kann sich das wieder ändern? Durch Coolness und ausgefuchste Methoden sicher nicht, sagt Pfarrer Stefan Jürgens. In seiner Auslegung der Sonntagslesungen kennt er nur ein wirksames Gegenmittel.

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Glaubwürdigkeit und Kirche – das ist zurzeit ein Spannungsverhältnis. Wie kann sich das wieder ändern? Durch Coolness und ausgefuchste Methoden sicher nicht, sagt Pfarrer Stefan Jürgens. In seiner Auslegung der Sonntagslesungen kennt er nur ein wirksames Gegenmittel.

Ankommen, verkommen, umkommen – so heißt der klassische „pastorale Dreischritt”. Das ist selbstverständlich ironisch gemeint! Wer meint, um jeden Preis ankommen zu müssen, der verkommt irgendwann zum Selbstdarsteller und kommt womöglich um in Oberflächlichkeit. In der heutigen Pastoral wird immer wieder nach neuen Methoden gesucht, die angeblich gut ankommen. Wenn jedoch der Inhalt nicht stimmt oder der Verkünder als nicht stimmig wahrgenommen wird, nützen alle Methoden wenig. Es mangelt dann an Authentizität, inhaltliche Leere verkommt zur bloßen Show.

 

Hauptsache cool?

 

Das Evangelium vom 4. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr C, neue Einheitsübersetzung) zum Nachhören finden Sie hier.

Deshalb ist Authentizität angesagt, Glaubwürdigkeit. In der ersten Lesung ist von der Berufung des Propheten Jeremia die Rede. Jeremia wird nicht berufen, weil er etwa cool drauf ist. Er hat sich auch nicht selbst zum Propheten gemacht. Nein, er ist von Gott erwählt worden, obwohl er noch jung und unerfahren war. Er soll sich nicht auf sich selbst verlassen, sondern auf Gott, der ihn geradezu unbezwingbar macht; auf Gott, der ihn „geformt, ausersehen, geheiligt und zum Propheten bestimmt“ hat.

Als Prophet soll er selbstbewusst auftreten, nicht weil er eine Bühne braucht, sondern weil Gott ihn sendet und ihm aufträgt, was er sagen soll. So wird der Prophet „zur befestigten Stadt, zur eisernen Säule und zur bronzenen Mauer“; und das nicht aufgrund eigener Stärke, sondern weil Gott mit ihm ist. Wer seinen Dienst in aller Bescheidenheit ganz und gar von Gott her begreift, wird damit nicht immer ankommen, aber eben auch nicht verkommen oder gar umkommen. Eine Authentizität, die aus der Liebe kommt!

 

Ein Stück Weltliteratur, aber inflationär gebraucht

 

Das Hohelied der Liebe aus Paulus‘ erstem Korintherbrief ist ein Stück Weltliteratur. Es wird inflationär bei Trauungen gelesen, obwohl darin von der Liebe zwischen Mann und Frau gar nicht die Rede ist. Von daher tut es dem Text gut, dass er an diesem Sonntag in die Mitte der Gemeinde gestellt wird, denn genau da gehört er hin.

Das Engagement für die Armen, die intensive Spiritualität, der starke Glaube, die dogmatische Klarheit, die rechte Liturgie: Das alles ist ohne Liebe überhaupt nichts wert! „Die Liebe ist langmütig, die Liebe ist gütig. Sie ereifert sich nicht.“ Gerade Menschen, die von einer religiösen Wahrheit zutiefst überzeugt sind, werden immer wieder zu gefährlichen Eiferern für ihre vermeintlich gute Sache. Sie werden zu Fanatikern und Fundamentalisten. Oder doch zumindest zu Briefbeschwerern und Krümelfindern.

 

Wenn der Glaube zur Besserwisserei verkommt

 

Deshalb ist die Liebe größer als Glaube und Hoffnung. Denn auch der tiefste Glaube kann ohne Liebe zur hartherzigen Besserwisserei verkommen. Wenn wir in der Vollendung bei Gott sind, werden Glaube und Hoffnung erfüllt sein, nur die Liebe wird ewig wichtig bleiben.

Auch Jesus tritt authentisch auf. Er hatte in seiner Heimatstadt Nazareth aus der Schrift vorgelesen (Evangelium vom vergangenen Sonntag). Nun warten alle auf seine Auslegung. Jesus bleibt dabei realistisch: „Kein Prophet wird in seiner Heimat anerkannt.“ Und er fügt hinzu, dass er sich zu allen Menschen gesandt weiß, nicht nur zu den Leuten von Nazareth. Dazu erzählt er das Beispiel von der Begegnung des Propheten Elija mit der Witwe in Sarepta, also im Ausland. Und das Beispiel von der Heilung des Aussätzigen Syrers Naaman, also eines Ausländers.

Der Autor
Stefan JürgensStefan Jürgens ist Pfarrer der Gemeinde Heilig Kreuz in Münster. | Foto: privat

Das mögen die Leute von Nazareth nicht hören, weil es ihre religiöse Selbstgenügsamkeit in Frage stellt. „Er aber schritt mitten durch sie hindurch und ging weg“ – Zeichen seiner Souveränität und Unbezwingbarkeit. Dennoch: Diese Szene steht noch am Anfang des öffentlichen Wirkens Jesu; am Ende seines irdischen Weges wird er sich geradezu schwach und verletzlich zeigen. Und nur noch darauf vertrauen können, dass sein Vater zu ihm steht und ihn rettet. Er wird sich ganz und gar in die Hände dieses liebenden Vaters fallen lassen.

 

Kirche: umständlich, rastlos

 

Ankommen – verkommen – umkommen: Der „pastorale Dreischritt” ist auch heute eine Versuchung für eine Kirche, die umständlich verwaltet und rastlos getrieben wird. Es werden neue Konzepte geschrieben, alle paar Jahre graben sich Gremien durch dicke Papierberge, produziert in einem sich aufblähenden Apparat. Gottesdienste werden aufwändig modernisiert und mit viel Technik ausgestattet. Und durch teure Werbekampagnen soll die Kirche cool herüberkommen. Mit welchem Erfolg?

Im Grunde genommen kommt es doch auf die Glaubwürdigkeit einer jeden Christin, eines jeden Christen an. Wer sich gesandt und gestärkt weiß wie Jeremia, wer erfüllt ist von Liebe wie Paulus, wer aufrichtig und unbeugsam zu Gott steht wie Jesus – der wird nicht verkommen.

Sämtliche Texte der Lesungen vom 4. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr C) finden Sie hier. Wegen technischer Schwierigkeiten können wir Ihnen an dieser Stelle leider nur die Texte in der alten Einheitsübersetzung anbieten. Wir bitten um Ihr Verständnis. Die Redaktion

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