Pater Elmar Salmann OSB: Unter dem Druck des Höchsten

Auslegung der Lesungen vom 5. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr B)

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Die Lesungstexte dieses Sonntags sind starker Tobak, keine Spur von einem harmlosen Gott und einem wohltuenden Glauben. Gerade darum sind sie wichtig, sagt Pater Elmar Salmann von der Benediktinerabtrei Gerleve in seiner Auslegung.

Drei Männer unter Druck: Ijob, Paulus, Jesus, von Gott und den Menschen gepresst. Das ist für uns Heutige kaum mehr vorstellbar. Wir haben uns an eine humanistische Lesart der Religion gewöhnt, an eher harmlose Gottesbilder und Formen der Gottesbeziehung (schon dass wir so sprechen, sagt einiges). Dieser Gott ist wie ein Garant des Allerweltswortes vom „Alles gut”, des melancholischen Mainzer Karnevalsliedes „Heile, heile Gänschen, es wird ja wieder gut”. Da wird das Leid betörend weggesungen, während unsere Texte von Abgrund, Gewicht und Gewalt im religiösen Leben sprechen.

Hier stoßen wir auf Ijob und seine Gottesprobe: Er wird in einer Art Wette von seinem Gott auf seine Treue und Verlässlichkeit hin geprüft. Einer schier unglaublichen Leidenssequenz unterworfen, erscheint ihm sein Leben als Fron- und Kriegsdienst, der Willkür der Menschen und der Sonnenglut ausgesetzt, den Widersprüchen des Daseins, einer falschen Unrast und ebenso versehrenden Öde. Und vor allem dem gnadenlosen Blick eines göttlichen Beobachters, dem man nirgends entkommt. Als ob dieser Gott ein Verfolger wäre, der nie Ruhe gibt.

 

Religion ohne Widersprüche?

 

Die Lesungen vom 5. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr B) zum Hören finden Sie hier.

In alldem ist Ijob 7 ein Gegenlied, fast eine Parodie der Psalmen 8 und 139, in denen der Beter darüber staunt, wie groß der Mensch gedacht und gemacht ist, wie sehr er ständig unter dem behütenden und heilenden Blick Gottes leben darf, und dies vom Anfang seiner Existenz bis zu deren Vollendung. Ijob hingegen schließt seine Anklage mit einem tastenden, fragenden, anklagenden Gebet, das zugleich ein Aufstand gegen, wie ein Appell an den fernen, unerreichbaren und bedrückend-unentrinnbaren Gott ist. Am Ende fragen wir bang und kühn: Ob Religion ganz ohne das Widerfahrnis solcher Widersprüche lebendig bleiben und dem Leben standhalten kann?

Gern sprechen Kirchenleute seit dem Konzil vom (priesterlichen, karitativen) Dienst, der frei übernommen und nützlich für die Gesellschaft sei. Es liegt darin etwas Entschlacktes und Entspanntes, das allgemein plausibel scheint. Ganz anders der Tonfall bei Paulus; da ist von Zwang, von einer Bestimmung die Rede, der er nicht entkomme, es sei denn, er verrate sein Leben. Deshalb komme ihm weder Ruhm noch Verdienst zu.

 

Last und Segen der Sendung

 

Da gibt es keinen Dienst nach Vorschrift, vielmehr die Dauerpräsenz eines unnützen Knechtes, ja Sklaven. So er darin einwilligt, wird ihm allerdings eine ungeheure, angstfreie Souveränität zuteil, die ihn sattelgerecht sein lässt für alle möglichen und unmöglichen Situationen, Menschen, Orte und Weisen der Verkündigung, der Vergegenwärtigung seines Gottes in allem. Aus der Demut erwächst ihm eine Hochgemutheit, die ihn zu einer unverzichtbaren Gründergestalt des Christentums macht, eine der wenigen mit einem unverwechselbaren Profil.

Wohin solche Freiheit führen kann, können wir an der Gestalt Jesu ablesen, der ganz von Gott her kommt und auf die Menschen zugeht, wie aus den Menschen genommen und Gott erschlossen ist. Er allerdings, der Heilende, sieht sich von den Menschen und ihren Erwartungen erdrückt, muss in die Einsamkeit fliehen, die er betend mit seinem Gott teilen will – und wird doch eingeholt, vereinnahmt; auch auf ihm liegen Last und Segen einer Sendung, eines Lebensgesetzes, ein ihn treibender und inspirierender Daimon (der Geist Gottes, der ihn beseelt), weshalb ihn die Dämonen erkennen, die sozusagen die Negativaufnahme derselben Triebkräfte sind, nur dass sie aus dem Abgrund der Verzweiflung und Gottferne aufsteigen.

 

Was dachten die Frauen?

 

Der Autor
Elmar Salmann OSB
Pater Elmar Salmann war lange Jahre Theologieprofessor in Rom. Er lebt als Mönch in der Benediktinerabtei Gerleve. | Foto: P. Bartholomäus Denz.

Das Markus-Evangelium betont oft diese untergründige, aber alles verzerrende Verwandtschaft und lässt Jesus deshalb verbieten, dass sein Name und Wirken bekannt werde. Erst in der Feuerprobe von Karfreitag und Ostern sollten die wahren Machtverhältnisse offenbar sein.

Bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Dazu noch eine Fußnote, ein Streiflicht aus dem heutigen Text. Durch die Heilung der Schwiegermutter des Petrus erfahren wir das eigentlich Selbstverständliche, dass die Apostel verheiratet waren.

Oft frage ich mich, was wohl diese Frauen sich bei alldem gedacht haben, sie, die für die Familie sorgen mussten und ihre Männer einer Sendung folgen, ja nachlaufen sahen, die ihr Leben verstörte. Auch sie haben einen Kaufpreis für die neue Freiheit des Evangeliums entrichtet, den die Kirche nicht schnöde übergehen, sondern nachdenklich ehren sollte.

Sämtliche Texte der Lesungen vom 5. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr B) finden Sie hier.

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