Pater Daniel Hörnemann über Freundschaft und Egoismus zu zweit

Auslegung der Lesungen vom 6. Ostersonntag (B)

Seit Mark Zuckerberg „Facebook” erfunden hat, kann man öffentlich mit der Zahl seiner Freunde prahlen. Aber ob sie wirklich echte Freunde sind? Benediktinerpater Daniel Hörnemann setzt auf das Freundschaftsmodell, das Jesus im Evangelium vorstellt.

Anzeige

Seit Mark Zuckerberg „Facebook” erfunden hat, kann man öffentlich mit der Zahl seiner Freunde prahlen. Aber ob sie wirklich echte Freunde sind? Benediktinerpater Daniel Hörnemann setzt auf das Freundschaftsmodell, das Jesus im Evangelium vorstellt.

Zwar wusste man, dass Mark Zuckerberg, der Erfinder des Online-Netzwerks „Facebook”, ein Informatikgenie war, das half ihm aber kaum, Zugang zu Studentenclubs der amerikanischen Elite-Universität Harvard zu bekommen. Er litt an Schwierigkeiten im zwischenmenschlichen Umgang. Er nutzte sein Programmier-Talent, um sich wenigstens eine virtuelle Art von Freundschaft zu schaffen.

Das Evangelium vom 6. Ostersonntag (B) zum Hören und Sehen auf unserem Youtube-Kanal.

Mit Hilfe von „Facebook” können fortan auch Unbeliebte „gelikt“ werden und auf dem Bildschirm ablesen, dass irgendwer sie doch mag. Der Unternehmensgründer äußert sich jedoch (selbst)kritisch dazu: „Wer glaubt, dass jeder Facebook-Kontakt ein Freund ist, der weiß nicht, was Freundschaft bedeutet.“

Haben Sie Freunde? Manche Menschen sind mit diesem Begriff sehr großzügig, sie meinen, die halbe oder gar die ganze Welt zum Freund zu haben. Gewiss, es gibt viele nette Menschen, freundliche Nachbarn oder Kollegen, mit denen man sich beim Kaffee gut unterhält oder die man gerne kurz beim Einkaufen oder Spaziergang trifft. Solche Kontakte sind wichtig und erhellen den Alltag. Doch „Freundschaft“ im tiefen Sinn ist das noch lange nicht.

 

Was echte Freundschaft ausmacht

 

Wenn Sie wirklich hinschauen, sind es immer nur sehr, sehr wenige Menschen, die den Namen „Freund“ wirklich verdienen. Vielleicht ist es nur ein Freund oder eine Freundin, die wir dann mit dem Eigenschaftswort „gut“ oder „bester“ belegen: mein guter, mein bester Freund, meine gute, meine beste Freundin. Damit ist sofort ein Qualitätsunterschied dieser Beziehung zu allen anderen ausgedrückt. „Nichts bringt so viel Freude wie eine treue, zärtliche Freundschaft. Wie gut tut es, Menschen zu haben, denen man gefahrlos jedes Geheimnis anvertrauen kann. Das Gespräch mit ihnen lindert die Sorgen, ihre Meinung hilft uns bei unseren Entscheidungen, ihre Fröhlichkeit vertreibt unsere trüben Gedanken, schon über ihren Anblick freuen wir uns“ (Seneca).

An eine echte Freundschaft stelle ich hohe Erwartungen: Vertrauen und Offenheit, Interesse und Zeit füreinander, Wohlwollen und Treue, Solidarität und Verlässlichkeit. Ein Freund hat Zeit für mich, hält zu mir, nimmt Anteil an meinem Leben. Mit wem ich umgehe, der wirkt auf mein Leben ein. Wem ich Raum und Zeit gebe, der prägt mich. Habe ich einen solchen Freund, eine solche Freundin? Das ist die eine Seite.

 

Jesus und die Kunst des Liebens

 

Die andere Seite: Bin ich selbst jemandem Freund oder Freundin? Setze ich Zeit und Energie in einer Beziehung ein? Lebenshingabe – in den seltensten Fällen meint das, für jemanden zu „sterben“, vielmehr mit und für jemanden zu leben, Begleitung, Hilfe, Schutz, Anteilnahme, Interesse zu erweisen, Zuwendung und Aufmerksamkeit zu schenken. Es geht um die Verwirklichung der Kunst des Liebens, nicht um Egoismus zu zweit.

Der Autor
Pater Daniel Hörnemann OSBPater Daniel Hörnemann OSB ist Subprior der Benediktinerabtei Gerleve und Theologischer Berater von „Kirche+Leben“. | Foto: Markus Nolte

Jesus weist uns ein in die Kunst des Liebens. Er stellt uns sein Gebot von der Liebe als etwas Neues hin. Dieses Neue soll uns neu-gierig machen. Neugierig darauf, wie es denn eigentlich aussieht mit der Liebe bei Jesus, wie hat er sie gemeint? Das Stichwort „Liebe“ wird geradezu inflationär gebraucht, allein in den Schrifttexten dieses Sonntags fällt es achtzehnmal. Es soll sich unbedingt einprägen, deshalb die häufige Wiederholung.

 

Gott liebt auch Ungläubige

 

Jesus lädt uns ein, dass wir uns am Modell seiner Beziehung zu seinem Vater orientieren: „Wie mich der Vater geliebt hat, so habe ich euch geliebt, bleibt in meiner Liebe!“ Das Neue bei ihm ist der Wandel: „Ihr seid nicht mehr Knechte oder Sklaven, sondern ihr seid meine Freunde.“ Damit erklärt er sich zu unserem Freund, nicht nur zu unserem Herrn und unserem Bruder. Tiefe Freundschaft ist seine Form der Liebe. Er sucht sich selbst seine Freunde aus. Jesus möchte im Verhältnis zu seinen Jüngern, zu den Menschen, die ihm nachfolgen, den Grad der Innigkeit, für den nur noch der Ausdruck „Freundschaft“ genügt.

Jesu Einladung lautet: „Freunde habe ich euch genannt, ich habe euch in alles eingeweiht, was mir mein Vater mitgeteilt hat.“ Sein neues Testament lautet zusammengefasst: „Liebt einander, wie ich euch geliebt habe!“ Das ist nicht beschränkt auf Israel, er überschreitet alle Grenzen, so „dass auch auf die Heiden die Gabe des Heiligen Geistes ausgegossen wurde“ , der Geist seiner Liebe.

 

Wir leben auf Vorschuss

 

Aus dem Vermächtnis Jesu ergeht an uns sein dringender Wunsch: „Bleibt in meiner Liebe“, wahrt die Treue zu Gottes Geboten und wirkt fruchtbar in dieser Welt! Geliebt zu sein und lieben zu können, das hält uns Menschen am Leben.

Dabei leben und lieben wir auf Vorschuss. Ehe wir aktiv werden, ist Gott immer schon für uns aktiv gewesen. Er ist immer der Voraushandelnde vor unserem Tun, denn – auf die Kurzformel gebracht: „Er ist die Liebe.“

Sämtliche Texte der Lesungen vom 6. Ostersonntag (Lesejahr B) finden Sie hier.

Anzeige