Pfarrer Thorsten Hendricks über das Navigationssystem Gottes

Auslegung der Lesungen vom 6. Sonntag im Jahreskreis / Lesejahr A

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Die Bibel kennt Worte der Orientierung, im Alten Testament ebenso wie die Aussagen Jesu im Neuen Testament. Pfarrer Thorsten Hendricks aus Duisburg sagt, wie sie uns heute Richtung geben können.

„Da geht's lang!“ Ich höre noch heute dieses mahnende Wort unseres Begleiters bei einer Gipfelwanderung vor vielen Jahren, als man GPS-Navigation noch nicht kannte. Wir Jugendliche waren nach einem anstrengenden Marsch durch die Bergwelt dankbar, dass uns jemand den Weg wies. Ähnlich geht es mir heutzutage im Stadtverkehr in der Duisburger Innenstadt, wenn ich zu einem Termin fahre und das Navi mir sagt: „Die nächste Straße rechts und Sie haben das Ziel erreicht.“ Die Orientierung bewirkt Erleichterung. 

Die Schrifttexte geben uns Leitlinien und Orientierungspunkte. Das Buch des Weisheitslehrers Jesus Sirach aus der Spätzeit des Alten Testaments schenkt uns wertvolle Lebensregeln. Jeder Mensch ist von Gott geschaffen und hat die Freiheit zum Handeln bekommen. Daher darf, kann und muss er selbst für sein Leben Verantwortung übernehmen. 

Gegensätze im Leben

Die Lesungen vom 6. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr A) zum Hören finden Sie hier.

Dennoch erleben wir es heute anders. Da gibt es Mächtige, die sich den Schwächeren übermächtig zeigen und sie anweisen, wo es lang geht. Im Rahmen der Emanzipation wird dies seit einiger Zeit ausgeglichen. Auch im Bereich der Kirche gab und gibt es das Oben und Unten. So manches kirchliche Gesetz ist mittlerweile fragwürdig und überholt. 

Ich entdecke in der alttestamentlichen Lesung ansprechende Bilder: „Feuer und Wasser sind vor dich hingestellt.“ Ich lese daraus: Gegensätze prägen unseren Alltag – auch heute. Das Leben ist nicht einfach nach Schema F vorbestimmt, sondern ich muss wählen. Feuer oder Wasser. Starke Bilder! 

Feuer und Wasser

In den letzten Wochen gab es hier im Stadtteil einige Großbrände. Zahlreiche Feuerwehrleute und weitere Helfer rückten aus, um zu löschen und angrenzende mehrstöckige Gebäude zu schützen. Da war Feuer im Spiel, das zerstört, und Wasser, das löscht. 

„Strecke dich aus nach dem, was dir gefällt.“ Für mich ist dieses weitere Bewegungswort eine schöne Leitlinie der Freiheit und der Eigeninitiative. Es ermutigt dazu, sich selbst zu bewegen, sich auszustrecken nach dem, was gefällt. 

Die verborgene Weisheit

Der Autor
Thorsten Hendricks
Thorsten Hendricks ist Pfarrer in St. Franziskus Duisburg-Homberg und Dechant im Dekanat Duisburg-West. | Foto: privat

In der griechischen Hafenstadt Korinth ist immer eine Menge los. Schiffe kommen an, andere Boote legen ab. Handel, Verkehr und viele Menschen. Ein buntes Bild von Verhaltensweisen und Meinungen. Viele Menschen suchen Orientierung.

In dieser Situation spricht Paulus den Korinthern Mut zu: Wir verkünden die verborgene Weisheit Gottes. Kein Machthaber der Welt hat sie erkannt.

Worte der Orientierung

Starke Worte der Orientierung in unsicherer Zeit! Was kein Auge geschaut hat und kein Ohr gehört hat, das wird im Navigationssys­tem des Glaubens ausgesprochen. Enthüllt hat es der Heilige Geist. Paulus wirbt dafür, ihn als unseren Wegweiser im Alltag zu erkennen.

„Ich aber sage euch ...“, so Jesus im Evangelium. Das ist die Ansage aus dem Navigationssystem Gottes. Jesus sagt mir, wo es lang geht im Glaubensleben. Ihm darf ich folgen und mich ihm anvertrauen.

Navigation und Fremdbestimmung

„Euer Ja sei ein Ja. Euer Nein ein Nein!“ Auch ein starkes Wort aus dem Navigationssystem des Glaubens. Die Bergpredigt, aus der dieser Abschnitt entnommen wurde, ist eine richtig gute Leitlinie für unser Leben aus dem Glauben heraus.

Dennoch höre ich eine Stimme in mir: „Lass dich nicht immer fremdbestimmen.“ Ein Navi oder GPS-System verführt dazu, sich ganz in der Wegfindung zu übereignen. Manche Worte aus dem Evangelium wirken sperrig auf mich. Da ist es wichtig, eine klare Position zu beziehen. Ich muss für mich selber erkennen, wie und wo ich die Leitlinie des Lebens aufnehme. 

Die Richtung weisen

Seit einigen Jahren lebe ich in einem Stadtteil mit über 27 verschiedenen Sprachen. Wir leben in einem säkularen Umfeld. Da ist es wichtig, den eigenen Weg des Glaubens zu finden und ihn an suchende Menschen, die es weiterhin gibt, weiter zu geben. So werde ich selbst zum Wegweiser. 

Natürlich sind manche Worte des Evangeliums für uns heute schwer zu verstehen. Wir leben in einer anderen Zeit. Da tut es gut, diese unbequemen Worte und Bilder ins Heute zu übersetzen. Die drastischen Worte Jesu von dem bösen Auge und der Hand im zweiten Teil des Evangeliums interpretiere ich darum so: Mitmenschlichkeit kann sich nicht darin erschöpfen, nur bestimmte böse Handlungen zu unterlassen. Meine ganze Einstellung ist gefragt. Dazu fordern mich die Schrifttexte des Sonntags auf. Sie können mir die Richtung zeigen.

Sämtliche Texte der Lesungen vom 6. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr A) finden Sie hier.

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