Schwester Kerstin-Marie Berretz über Gemeinschaft trotz des Streits in der Kirche

Auslegung der Lesungen vom 7. Sonntag der Osterzeit / Lesejahr C

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Nach seiner Himmelfahrt hat Jesus den Christen den Heiligen Geist zugesagt - doch der ist nicht sofort da. Das bezieht die Dominikanerin Kerstin-Marie Berretz auch auf die Lage der Kirche heute - und ist sicher: Streit überzeugt niemanden von der Botschaft Jesu.

In der Kirche der Ilanzer Dominikanerinnen in der Schweiz gibt es ein ganz besonderes Christi-Himmelfahrt-Fenster: Man sieht die Füße des Auferstandenen, die sich vom Boden gelöst haben. Er ist nun nicht mehr auf der Erde, nachdem er 40 Tage lang seinen Freundinnen und Freunden erschienen ist. So konnten sie begreifen, dass Jesus wirklich lebt und der Tod nicht das letzte Wort hat.

Aber jetzt, am Sonntag nach Christi Himmelfahrt, dem siebten Sonntag der Osterzeit, wird langsam spürbar: Wenn der Herr nicht mehr auf der Erde ist, dann braucht es Menschen, die seine Botschaft in die Welt tragen. Genau das ist sein Anliegen.

Jesus braucht Zeugen

So ist es im heutigen Evangelium zu lesen: Jesus will unbedingt, dass die Welt glaubt, dass er vom Vater gesandt ist und dass Gott die Welt so sehr liebt, wie er seinen Sohn liebt. Aber dafür braucht es nun andere Zeuginnen und Zeugen.

Das ist bis heute so. Bis heute braucht es Menschen, die der Welt verkünden, dass Gott Mensch wurde, dass er für uns Menschen ans Kreuz ging und den Tod besiegt hat, damit wir das Leben in Fülle haben.

Wenn der Osterjubel nachlässt

Die Lesungen vom 7. Sonntag der Osterzeit (Lesejahr C) zum Hören finden Sie hier.

In dieser Zwischenzeit zwischen Christi Himmelfahrt und Pfingsten kann deutlich werden, dass das, bei allem Osterjubel, manchmal eine Herausforderung darstellt. Denn der Heilige Geist wurde uns zwar schon als Beistand angekündigt, aber bis zur Ausgießung des Geistes an Pfingsten dauert es noch ein paar Tage.

So mögen wir uns immer wieder auch fühlen: Die große Glaubensbegeisterung der Jugend ist langsam geschwunden. So, wie nach sechs Wochen Osterzeit das Halleluja nicht mehr so kräftig ist wie noch am Ostermorgen.

Warten auf den Geist

Es ist und bleibt natürlich klar, dass es sich lohnt zu glauben, weil uns das Reich Gottes versprochen ist und weil es schon hier und jetzt anbricht. Aber manchmal mag das nicht so richtig spürbar sein.

Eben so ähnlich, wie es zwischen Chris­ti Himmelfahrt und Pfingsten mit dem Heiligen Geist ist. Er wird auf uns herabkommen und wir wissen, dass er ein großartiger Beistand ist, mit dem wir alle Herausforderungen meistern können. Aber im Moment ist er nicht so richtig spürbar.

Nach meinem Empfinden ist es in dieser Situation hilfreich, dass Jesus seinen Vater nicht nur für sich, sondern auch für uns bittet. Er will, dass alle eins sein mögen und dass alle so hineingenommen werden in den dreifaltigen Gott. Weiterhin spricht Jesus davon, dass er uns die Herrlichkeit Gottes bereits gegeben hat, damit wir eins seien, wie Gott in sich eins ist. 

Jesus will die Gemeinschaft

DIe Autorin
Kerstin-Marie Berretz OP
Schwester Kerstin-Marie Berretz ist Dominikanerin und Lehrerin am Kolleg St. Thomas in Vechta. | Foto: privat

Wir sind also in den dreifaltigen Gott hineingenommen und uns ist schon jede Menge geschenkt. So sind auch wir untereinander als Getaufte Gemeinschaft und mit unseren Gedanken und Gefühlen nicht allein.

Wir wissen, dass das nicht bedeutet, dass immer alles eitel Sonnenschein ist. In der heutigen Lesung beispielsweise wird Stephanus gesteinigt und niemand steht ihm zur Seite oder verteidigt ihn. Aber Jesus will, dass wir eine Gemeinschaft sind. Dass wir zusammenstehen und gemeinsame Sache machen.

Gemeinsamer Kern trotz des Streits in der Kirche

Das ist, wir merken das in der Kirche gerade sehr stark, eine große Herausforderung. Denn es gibt so viele Gedanken und Strömungen. Die einen finden die anderen nicht katholisch und die anderen halten die einen für konservativ. Dabei, und davon ist im Evangelium die ganze Zeit zu lesen, geht es Jesus um die Liebe und die Herrlichkeit Gottes. Davon soll die Welt erfahren. Alles andere ist zweitrangig.

Bevor ich also beginne, mich über andere aufzuregen, die ihren Glauben an Gott anders leben, die andere Traditionen und Formen mögen, schaue ich, ob wir nicht einen gemeinsamen Kern haben.

In den verschiedenen Strömungen zusammen glauben

Worum geht es der oder dem anderen gerade? Warum tut der Mensch gerade, was er oder sie tut? Und wenn ich es nicht verstehe, vielleicht können wir darüber ja ins Gespräch kommen. Offen und ehrlich und miteinander teilen, was wir vom Evangelium verstanden haben und was uns an der Botschaft Jesu Christi anspricht.

Denn in unserer Welt, in der immer weniger Menschen glauben, überzeugt es nicht, wenn wir uns untereinander streiten. Vielmehr können wir durch unsere Worte und noch viel mehr durch unser Leben überzeugen und zeigen: Gott ist die Liebe und will die Herrlichkeit und das Leben für alle. Und deswegen können wir zusammen kommen, auch wenn wir ganz verschieden sein mögen. Deswegen können wir in den verschiedenen Traditionen und Strömungen zusammen glauben.

Sämtliche Texte der Lesungen vom 7. Sonntag der Osterzeit (Lesejahr C) finden Sie hier.

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