Eva Falke über die Feindesliebe in der Feldrede Jesu

Auslegung der Lesungen vom 7. Sonntag im Jahreskreis / Lesejahr C

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Die Feldrede Jesu im Lukas-Evangelium fordert uns alle immer wieder heraus. Immer wieder sehen wir uns Abneigung oder gar Hass gegenüber. Aus dieser Spirale auszubrechen, ist nicht immer leicht, aber doch lohnend, meint Eva Falke und legt die Lesungen dieses Sonntags aus.

Es gibt biblische Texte, die mich besonders herausfordern. Die Feldrede Jesu im Lukas-Evangelium gehört auf jeden Fall dazu. Ich lese diese Worte und spüre direkt den großen Anspruch, der da an mich gestellt wird: „Liebt eure Feinde, tut denen Gutes, die euch hassen!“ (Lk 6,27).

Wie häufig habe ich diesen Text schon gehört und gelesen! Immer wieder ertappe ich mich dabei, wie ich nach Gründen suche, warum Jesus das zwar so gesagt hat, aber vielleicht gar nicht so gemeint haben könnte. Und immer wieder bemerke ich früher oder später, dass ich dem nicht aus dem Weg gehen kann: Jesus stellt Forderungen an uns, die uns radikal vorkommen. Wahrscheinlich gerade deshalb, weil wir uns eingestehen müssen, dass wir allzu häufig an diesen Ansprüchen scheitern.

Raum für Hass und Gewalt

Die Lesungen vom 7. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr C) zum Hören finden Sie hier.

Ich vermute, dass Sie meine Beobachtung teilen: Der Hass im Miteinander unserer Gesellschaft scheint einen immer größer werdenden Raum einzunehmen. Ich behaupte, dass das keine Entwicklung ist, die ihren Ursprung ausschließlich in der Corona-Pandemie hat. Das Internet eröffnet schon seit vielen Jahren einen Raum, in dem Hass und Gewalt in Wort und Bild ausgelebt werden können.

Verschiedene Medien schüren Ängste und Verschwörungen. Immer wieder leben Menschen ihren Hass gewaltsam aus. Es braucht nicht viel, und schon finden wir uns in einem Teufelskreis aus Hass und Gewalt, neuem Hass und neuer Gewalt wieder.

Schnell in einem Teufelskreis

Eva Falke ist Pastoralreferentin in Heilig-Geist Hamm-Bockum-Hövel.
Eva Falke ist Pastoralreferentin in Heilig-Geist Hamm-Bockum-Hövel.

Es fällt uns relativ leicht, uns von diesen gewaltsamen Geschehnissen zu distanzieren. Doch wenn wir ganz aufrichtig mit uns selbst sind, dann müssen wir uns eingestehen, dass wir selbst hin und wieder auf ein abwertendes und beleidigendes Niveau in unseren Beziehungen rutschen. Wenn wir uns beispielsweise abfällig über diejenigen in unserem Bekanntenkreis äußern, die sich „zu spät“ impfen ließen oder nur, weil sie es mussten – anstatt uns zu freuen, dass wieder ein Mensch mehr besser vor Corona geschützt ist und damit die Impfquote der ganzen Gesellschaft steigt.

Und schon finden wir uns auch in den kleinen Begegnungen unseres Alltags in einem Teufelskreis aus Unfreundlichkeiten und Verletzungen, neuen Unfreundlichkeiten und neuen Verletzungen wieder.

Tiefes Gottvertrauen

Ich glaube, dass es nicht Jesu Intention war, dass wir das Unrecht und den Hass in unserer Gesellschaft nur aushalten. Schließlich hat Jesus dem Bösen und der Ungerechtigkeit stets deutlich widersprochen – allerdings ohne selbst mit Hass darauf zu antworten.

Die biblischen Texte des Sonntags zeigen uns, dass diese Grundhaltung schon in alttestamentlichen Zeiten ein Merkmal tiefen Gottvertrauens war: Der Herr wird jedem seine Gerechtigkeit und Treue vergelten (1 Sam 26,23). David verzichtet darauf, König Saul, der ihn schon mehrmals zu töten versuchte, nun selbst zu ermorden. Damit verzichtet er auf neue Gewalt, auf neuen daraus resultierenden Hass und nimmt in Kauf, dass Saul ihn weiter verfolgen könnte.

Macht der Liebe

Jesus fordert uns auf, den Hass, den wir selbst leidvoll erfahren haben, ganz bewusst hinter uns zu lassen – und trotzdem entschieden gegen das Böse einzutreten. Vielleicht haben Sie vor einigen Jahren von Antoine Leiris gehört. Er hat im Jahr 2015 seine Frau bei dem Attentat im Pariser Bataclan verloren und. Drei Tage später veröffentlichte er auf Facebook einen Brief an die Attentäter, der hunderttausendfach geteilt wurde: „Freitagabend habt ihr das Leben eines außerordentlichen Wesens geraubt, das der Liebe meines Lebens, der Mutter meines Kindes, aber ihr bekommt meinen Hass nicht.“

Als ich diesen Brief las, hatte ich eine Idee davon, was Jesus mit seinen Worten meint; ich hatte eine Idee davon, wie unglaublich viel Kraft und Liebe es fordert, aus diesen Teufelskreisen auszubrechen und sein Leben nicht vom Hass bestimmen zu lassen, und ich bekam eine Idee davon, wie viel Macht diese Liebe dem Hass gegenüber hat.

Entscheidungen treffen

Die Feldrede Jesu lässt mich erkennen, dass mich mein Christsein herausfordert, Entscheidungen zu treffen. Sie macht mir deutlich, dass ich viel Kraft und Liebe brauche, um diese Worte zu leben und dass ich diesen Ansprüchen nicht immer gerecht werde. Und gleichzeitig spüre ich, wie befreiend es ist, den Hass hinter sich zu lassen, Schritt für Schritt – und ich glaube, genau diese Freiheit hat Jesus für uns im Blick.

Sämtliche Texte der Lesungen vom 7. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr C) finden Sie hier.

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