Pater Ralph Greis: Der Glaube kommt vom Hören

Auslegung der Lesungen vom Dreifaltigkeitssonntag / Lesejahr A

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Der Dreifaltigskeitssonntag erinnert uns Christen an Gottes Wesen, das ein Geheimnis ist und bleibt. Doch eine Annäherung an das Angesicht Gottes ist möglich, erklärt Pater Ralph Greis OSB und legt die Lesungen dieses Sonntags aus.

Ein Rätsel hat eine Lösung. Ist sie gefunden, ist das Rätsel kein Rätsel mehr. Ein Geheimnis dagegen bleibt ein Geheimnis. Wenn es wirklich eines ist, wird es sein Inners­tes auch dann nicht preisgeben, wenn man es lüftet oder verrät. Gottes Wesen bleibt ein Geheimnis, auch wenn er selbst uns ermutigt, ihn als Vater unser anzureden, wenn er im Sohn unser Menschenbruder wird und im Heiligen Geist unserem Beten aufhelfen will.

Am Beginn unseres Glaubens an die Einheit des göttlichen Wesens in der Dreiheit der göttlichen Personen steht keine theologische Systematik, sondern die Heilige Schrift. Zeitgebunden und konkret sperrt sie sich gegen geschichtslose Abstraktionen. Sie ist Gottes Anrede an uns und wahrt zugleich sein Geheimnis.

Offenbarung im Verborgenen

Die Lesungen vom Dreifaltigkeitssonntag (Lesejahr A) zum Hören finden Sie hier.

So geht es schon Mose auf dem Berg Sinai. Gott offenbart sich ihm in der Wolke, zugleich verbirgt er sich darin. Einige Verse vor unserer Lesung heißt es zunächst, dass Gott mit Mose „von Angesicht zu Angesicht“ redete, wie mit einem Freund, dann aber sagt Gott: „Du kannst mein Angesicht nicht sehen.“ Während das „Gesicht“ im Deutschen das Sehen enthält, bedeutet es im Hebräischen wörtlich das „Zugewandte“. Die Begegnung des Mose mit dem ihm zugewandten Gott geschieht im Hören und Reden – das geht auch in der Wolke, wo es nichts zu sehen gibt.

Mose bittet den Herrn, das Volk Israel auf dem Weg durch die Wüste zu begleiten, und Gott verspricht ihm: „Mein Angesicht wird mitgehen“, als wörtlicher Ausdruck seiner Zuwendung, seiner Gegenwart. Mit seinem Angesicht offenbart sich Gott als Person, nicht als eine abstrakte höhere Macht. Nun steht hinter der deutschen „Person“ die lateinische „persona“, die Maske, die den Schauspieler im Theater hinter seiner Rolle verbirgt. Während Gott sein innerstes Wesen verbirgt – so wie wir Menschen noch uns selbst ein Geheimnis bleiben – täuscht er doch nicht in seiner Person jemand anderen vor, sondern verspricht, dass er selbst sich uns zuwendet. Außerdem: „Persona“ kommt von per-sonare, durch-tönen. Wenn der Augenschein auch täuscht, so hören wir doch den, der spricht: Der Glaube kommt vom Hören (Röm 10,17).

Angesicht Gottes wird sichtbar

Der Autor
Pater Ralph Greis
Ralph Greis ist Mönch der Benediktinerabtei Gerleve. | Foto: privat

Mose geht in die Wolke der göttlichen Gegenwart auf dem Berg Sinai sogar hinein (Ex 24,18). Dort, in der Wolke, begegnen wir ihm wieder bei der Verklärung Jesu. In Jesu Person wird das Angesicht Gottes sichtbar. Selbst dem innersten Kreis der Jünger ist dieser Anblick zu viel, aber sie hören, wie Mose und Elija mit Jesus reden, sie hören die Stimme des Vaters, der ihn seinen geliebten Sohn nennt. Mag nicht die Wolke, auf dem Sinai wie auf dem Tabor, für den Heiligen Geist stehen, der unser Besitz ergreifendes, kontrollieren wollendes Sehen begrenzt und stattdessen dem Hören Raum schafft, der Musik unseres Glaubens?

„Mein Angesicht wird mitgehen“ (Ex 33,14), verspricht Gott dem Mose. Wir sind bis heute ein hartnäckiges, widerspenstiges Volk. Ein Kapitel zuvor haben wir um das goldene Kalb getanzt und tun es immer noch gern, auf allen Ebenen der kirchlichen Struktur. Mose geht es frontal an: Gerade deswegen muss der Herr uns die Schuld vergeben und nicht aus seinem Eigentum hinauswerfen! Das Johannes-Evangelium bestätigt es: „Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, damit er die Welt richtet, sondern damit die Welt durch ihn gerettet wird.“

In Jesus Christus Mensch geworden

Gott wendet uns sein Angesicht zu: „Der Herr ist ein barmherziger und gnädiger Gott, langmütig und reich an Huld und Treue“, sagt er zu Mose. Paulus ermutigt seine Korinther, dass der Gott der Liebe und des Friedens mit ihnen sein werde, wenn sie sich um den Frieden untereinander bemühen. In Jesus Christus ist er Mensch geworden und hat versprochen, bei uns zu sein alle Tage bis zum Ende der Welt (Mt 28,20).

Auch ein scheinbar so abstraktes „Ideenfest“ wie den Dreifaltigkeitssonntag können wir aus der Heiligen Schrift heraus begehen. Läuft dagegen nicht manch dogmatisches Konstrukt Gefahr, weniger das geklärte Destillat des Glaubens als vielmehr der Prütt im Filter zu sein – wenn man Poesie und Prophetie, Erzählung und Erfahrung in all ihrer Vielfalt herausgewaschen hat?

Gehen wir in die Wolke hinein, um dem Angesicht Gottes zu begegnen, lesen wir die Heilige Schrift und vertrauen uns im Gebet Gott an. Die Gnade des Herrn Jesus Christus, die Liebe Gottes des Vaters und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes mögen dabei mit uns sein. 

Sämtliche Texte der Lesungen vom Dreifaltigkeitssonntag (Lesejahr A) finden Sie hier.

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