Pater Elmar Salmann aus Gerleve spricht den Gottes-Erben Mut zu

Auslegung der Lesungen vom Dreifaltigkeitssonntag (Lesejahr B)

Anzeige

Unser Gott ist kein „Einmannbetrieb“, sondern als Sohn zugleich Miterbe, als Wort Urkunde seines Willens, mehr noch, Geber und Empfänger, Wort und Antwort zugleich. Und den Heiligen Geist gibt es ja auch noch. Pater Elmar Salmann aus Gerleve legt die Lesungen des Dreifaltigkeitssonntags aus.

Seit einigen Jahrzehnten ist gern von der Geschwisterlichkeit in der Kirche die Rede, selbst die Juden seien ‚unsere‘ älteren Brüder. Selten wird bedacht, dass die Menschen damit auch eine Erbengemeinschaft sind, abkünftig, abhängig von Geboten und Bedingungen, vom Willen des Erblassers, mit reichen Vorgaben bedacht und zugleich belastet, als Erben eingesetzt und anerkannt.

Wir erfinden und wählen nicht uns selbst, sondern wir erben unseren Namen, Charaktereigenschaften, Geschicke, von Gott her sogar unsere Einmaligkeit, die uns zugesprochen, übereignet, anvertraut und auferlegt wird.

Da jeder Mensch von Gott her sich selbst zugedacht und in den Raum des Geistes eingeladen ist, kommt es unweigerlich zu Erbstreitigkeiten, so zwischen Königen und Propheten, Heiden und Juden, Juden und Christen, den Fraktionen in den paulinischen Gemeinden, endlich den Konfessionen und den innerkirchlichen Gruppen.

 

Die Probleme der Nachfahren

 

Da stellen sich schier unlösbare Fragen: Was mag der Wille Gottes sein, welches sein Erbe, wer dessen legitimer Verwalter und ‚Vollstrecker‘? Denn mit dem Erbe ist es anders als mit der Verwurzelung, wie sie Papst Benedikt XVI. gern beschwor; diese ist unverrückbar, mit jenem kann man allerlei anstellen und anfangen, oft auch gegen den Willen des Vorfahren oder an ihm vorbei, aus Widerborstigkeit und Streitsucht oder um der Leb­barkeit der nächsten Generationen willen.

Da werfen die Texte dieses Sonntags einiges Licht auf die Lage der Christen. Sie sind nicht Allein-, sondern Miterben – mit den Vorerben der jüdischen Gemeinde – und mit dem Sohn, dem Wort Gottes, dem Christus. Er ist der Mittler und Interpret des Erbes Gottes, hat es schon aufgenommen und in seinem Leben und Sterben gedeutet, mit seiner Existenz und Predigt ausgetragen, ausbuchstabiert.

 

Atemraum der Freigelassenen

 

Wir tragen also die Erblast nicht allein, sind aber auch nicht Besitzer und Alleinbevollmächtigte des Vermögens, sondern vorbestimmt in unserem Tun und Lassen. Dabei werden die Christen nicht einfach fremdbestimmt, sondern geleitet, getröstet und gestärkt von einem Advokaten, dem Anwalt-Tröster des Geistes, leben im Atemraum der Freigelassenen. Dieses Wort und dieser Geist Gottes sind das wahre Erbe, das uns überkommen ist. Schwung und Bewegungsraum des paulinischen Textes verraten etwas davon.

In der Sprache des Deuteronomiums und des Matthäus sind es die Gegenwart Gottes in der Geschichte, sein bleibend freies Geleit, die das eigentliche Vermächtnis bilden, durch das wir immer neu Mut und Innenkraft gewinnen, ein Zuspruch, der in jedem Augenblick der Geschichte ergehen und wirksam werden kann.

 

Gott ist Geber und Empfänger, Wort und Antwort

 

Der Autor
Elmar Salmann OSB
Pater Elmar Salmann war lange Jahre Theologieprofessor in Rom. Er lebt als Mönch in der Benediktinerabtei Gerleve. | Foto: P. Bartholomäus Denz.

Verhalten und doch deutlich treten damit auch die offenbaren Züge des schöpferischen Erblassers zu Tage. Er ist nicht ein willkürlicher Potentat, Allvater, unerbittlicher Gesetzgeber, sondern unvergleichlich und noch einmal jenseits aller menschlichen Analogien und Metaphern. Der ersten Lesung spürt man den Stolz angesichts dieser Besonderheit des Gottes Israels an, und auch Matthäus ist davon beseelt.

An dieser Stelle nähern wir uns dem Geheimnis des Dreifaltigkeitsfestes. Dieser Gott ist nicht nur Erblasser, eine Art „Einmannbetrieb“ oder Tyrann, sondern als Sohn Miterbe, als Wort Urkunde seines Willens, mehr noch, Geber und Empfänger, Wort und Antwort zugleich, als Geist Freude der Entsprechung zwischen den Welten.

Gottes Name und Wesen sind Zuneigung und ansprechende Kraft, gar Mitfreude am Wachstum und Eigensein des Anderen; sein Erbe ist nicht an den Tod und das Gesetz gebunden, sondern im Sterben ermutigt er noch neue Anfänge, lässt schöpferische Freiheit zu, Er ist auch Wir-Gemeinschaft, die Fähigkeit zur Freundschaft, zur Aufnahme des Fremden.

 

Sei und werde du

 

Deswegen ist sein ‚Neues Testament‘ nicht wortwörtlich zu befolgen, sondern entbindet die Phantasie der vielen Stile einer Nachfolge, die nie Nachahmung sein kann. Dreifaltigkeit, das meint diesen freigiebigen, großmütigen Lebensgestus Gottes, in dem Liebe, Leben, Geist miteinander geteilt werden und helle Freude an der Einmaligkeit eines jeden Wesens geweckt wird. Hier werden die Erben ermutigt, sie selbst zu sein und zu werden, das Tradierte kühn und neu in die eigene Zeit zu übersetzen.

Was wäre, wenn ein wenig von diesem Sturm der Ewigkeit die Kirche unserer Tage beleben könnte?

Sämtliche Texte der Lesungen vom Dreifaltigkeitssonntag (Lesejahr B) finden Sie hier.

Anzeige