Markus Nolte: Keiner muss sich einen Namen machen

Auslegung der Lesungen vom Fest Taufe des Herrn (Lesejahr B)

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Es dürfte die erste Erwachsenentaufe im Christentum gewesen sein: Jesus lässt sich von Johannes taufen. Dennoch endet mit diesem Fest die Weihnachtszeit. Gedanken zur Taufe und zu diesem Sonntag von Markus Nolte, Theologe und Chefredakteur von "Kirche-und-Leben.de".

Sehen Sie, jetzt wissen Sie meinen Namen: Markus Nolte. Das ist viel. Nicht ohne Grund ist Anonymität, Namenlosigkeit ein anderes Wort für Beziehungslosigkeit. Andererseits: Erst wenn jemand Erfolg hat, Leistung gezeigt und Ansehen gewonnen hat, dann heißt es: „Er hat sich einen Namen gemacht“. – Tatsächlich aber kann sich keiner wirklich seinen Namen machen. Seinen Namen bekommt man geschenkt. Der Name ist mein Name. Mein Name – das bin ich.

In der Taufliturgie fragt der Diakon oder Priester die Eltern: „Welchen Namen haben Sie Ihrem Kind gegeben?“ Und erst auf die Namensnennung von Mutter und Vater wird das Kind mit Namen angesprochen und getauft: „Markus, ich taufe dich im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.“

 

Beim Namen gerufen

 

Die Lesungen vom Fest Taufe des Herrn zum Hören finden Sie hier.

Damit beginnt die große Geschichte dieses kleinen Menschen mit Gott auch offiziell, sichtbar, hörbar – seitdem hat diese Geschichte einen Namen. Und am Ende des Lebens, bei der Beerdigung, wird mancherorts über das offene Grab wieder Gottes Ansprache und Anspruch gesprochen: „Ich habe dich bei deinem Namen gerufen. Du bist mein“ (Jes 43,1b).

Auf den Punkt gebracht: In der Taufe spricht Gott seine Liebe diesem Menschen zu und bindet sich an ihn. Aus diesem Grund ist es unerheblich, ob dieser kleine Wurm schon entscheiden kann, ob er getauft werden will oder nicht; und aus diesem Grund ist es unerheblich, ob dieses Kind ein Wunschkind seiner Eltern war oder aus welchen Gründen auch immer zum Leben auf diese Welt gekommen ist.

 

Ein unkündbarer Bund

 

Darauf kommt es nicht an. Wenn schon nicht von irgendwem anderes: Von Gott ist er geliebt. Das gilt freilich von jedem Menschen – auch wenn er nicht getauft ist. Aber in der Taufe wird diese Liebe in einem unkündbaren Bund offenbar und offenbart, erhält Ausdruck und eine verbindliche, sichtbare Form: die der Gemeinschaft der Glaubenden in der Kirche.

Warum erzähle ich Ihnen das? Weil die katholische Kirche an diesem Sonntag das Fest der „Taufe des Herrn“ feiert. Im Evangelium lässt sich auch Jesus taufen, indem Johannes der Täufer im Fluss stehend Jordan-Wasser über ihn gießt. Und, so heißt es heute beim Evangelisten Markus: „Als er aus dem Wasser stieg, sah er, dass der Himmel sich öffnete und der Geist wie eine Taube auf ihn herabkam. Und eine Stimme aus dem Himmel sprach: Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Gefallen gefunden“

 

Zusage ohne Kleingedrucktes

 

Der Autor
Markus Nolte
Markus Nolte ist Diplomtheologe und Chefredakteur von „Kirche-und-Leben.de“. | Foto: Michael Bönte

„An dir habe ich Gefallen gefunden“ – das klingt ein bisschen geschwollen. Aber dieser Satz bedeutet ja nicht einfach nur „du gefällst mir“. Der Satz sagt viel mehr: „Ich liebe dich.“ Während das Evangelium theologisch die öffentliche Bezeugung der untrennbaren Verbundenheit des Vaters mit dem Sohn ausdrückt, ist so ein Satz zugleich das Größte, was einem Menschen gesagt werden kann.

Wir Christen glauben, dass Gott diesen Satz in der Taufe über jeden Menschen spricht und ihn gegenüber niemandem jemals zurücknimmt; darauf gibt es lebenslange Garantie – ohne Kleingedrucktes, ohne Klausel, ohne Wenn und Aber. Der Satz steht, und damit steht Gott zu mir. Dieser Gott schenkt alle Chancen – vor allem aber schenkt er Liebe. Und das heißt: die Chance zu leben. Weil Gott nichts anderes ist als Liebe.

 

Anonymes betrifft mich nicht

 

Gott spricht jeden liebevoll mit Namen an. Das muss gesagt sein in einer Welt, in der man meint, man müsse sich erst durch Leistung und Erfolg „einen Namen machen“. Das muss gesagt werden in einer Welt, in der sterbende Menschen – nicht ohne stumme Traurigkeit – meinen, ihren Tod der Verwandtschaft und der Gesellschaft nur im anonymen Grab zumuten zu können. Das muss auch gesagt sein in einer Welt, die meint, über Leben verfügen zu können, solange es noch ungeboren und damit namenlos ist: Namenlos ist anonym. Anonymes aber betrifft mich nicht – meint man.

Wie soll da Gott eine Chance haben, der seinerseits namenlos ist, dessen Namen die Juden aus Ehrfurcht nicht aussprechen? Was wundert es, dass dieser No-Name-Gott wie ein No-Name-Produkt beliebig, billig erscheint?

 

Welchen Namen Gottes Liebe hat

 

Im Markus-Evangelium dieses Festes von der Taufe des Herrn steht der Himmel offen, taut aus Himmelshöhn und regnet die Liebe herab: „Das ist mein geliebter Sohn.“ Anders gesagt: Das bin ich. Das ist Gottes Name: Liebe – nicht als müde Phrase, nicht als duselige Sentimentalität, sondern so konkret, wie es nur geht: „Fleisch geworden“. Dies ist der Name der göttlichen Liebe: „Jesus von Nazareth“.

Was, um alles in der Welt, will diese Welt noch mehr als Beweis dafür, dass sie nicht nur zu retten ist, sondern längst gerettet ist und endlich so leben soll?

Sämtliche Texte der Lesungen vom Fest Taufe des Herrn finden Sie hier.

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