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Jesus beansprucht für sich keinen Sonderplatz, sondern begegnet den Menschen auf Augenhöhe. Diese Erfahrung von Johannes dem Täufer gilt für alle Christen, erklärt Pfarrer Michael Ostholthoff und legt die Lesungen dieses Sonntags aus.
Die Evangeliumstexte, die wir Woche für Woche in unseren Gottesdiensten zugesprochen bekommen, erweisen ihre inhaltliche Tiefe für mich gerade dadurch, dass sie mir immer noch neue Entdeckungen schenken, auch wenn sie mir doch eigentlich von Kindesbeinen an vertraut sind. Eine solche Entdeckung hielt auch das Evangelium von der Taufe Jesu in diesem Jahr für mich bereit.
Denn bevor die eigentliche Taufszene vom Evangelisten fokussiert wird, stehen da folgende unscheinbare Worte: „Zusammen mit dem ganzen Volk ließ auch Jesus sich taufen“. Heißt also: Jesus beansprucht für sich keinen Sonderplatz, vielmehr reiht er sich ein in die endlose Reihe der Menschen unserer Geschichte, denen mit der Taufe ein besonderer Blick auf ihr eigenes Leben geschenkt wird.
Als Gotteskind auf dieser Erde
Die Lesungen vom Fest Taufe des Herrn (Lesejahr C) zum Hören finden Sie hier.
Hatte ich bisher die Taufe Jesu als sein Herausgenommen werden aus der Menge, als seine spezifische Erwählungs- und Berufungsgeschichte verstanden, als einen exklusiven Moment der Selbstvergewisserung, so erkenne ich jetzt, dass das Evangelium eine doppelte Botschaft bereithält. Denn was Jesus mit seiner Taufe zugesprochen wird, das darf ich in meinem Dienst als Pfarrer so vielen Neugetauften sagen. Dass auch ihnen die Worte aus dem Himmel gelten: „Du bist mein geliebtes Kind, an dir habe ich Gefallen gefunden!“
Die Taufe Jesu erzählt mir also letztlich etwas über die Berufung eines jeden Menschen, als Gotteskind auf dieser Erde leben zu dürfen. Was für ein Selbstbewusstsein kann ich aus diesem Zuspruch entfalten!
Nietzsche trifft auf Kern des Glaubens
Einer der größten Kritiker des Christentums, Friedrich Nietzsche, wurde fast wahnsinnig angesichts dieser Hybris einer solchen Gotteskindschaft. Er echauffiert sich in seiner Schrift „Der Antichrist“: „Dass Jeder als unsterbliche Seele mit Jedem gleichen Rang hat, dass in der Gesamtheit aller Wesen das Heil jedes Einzelnen eine ewige Wichtigkeit in Anspruch nehmen darf, dass kleine Mucker und Dreiviertelsverrückte sich einbilden dürfen, dass um ihretwillen die Gesetze der Natur beständig durchbrochen werden – eine solche Steigerung jeder Art Selbstsucht ins Unendliche, ins Unverschämte kann man nicht mit genug Verachtung brandmarken.“
Zugegebenermaßen hätte man hier einiges wesentlich freundlicher formulieren und weniger vereinseitigen können – sprechen wir Friedrich Nietzsche aber nicht ab, dass er auf den heißen Kern unseres christlichen Glaubens gestoßen ist.
Jesus auf Augenhöhe
Der Autor
Michael Ostholthoff ist Pfarrer von St. Sixtus, Haltern am See. | Foto: privat
Zusammen mit dem ganzen Volk, zusammen mit der ganzen Menschheitsgeschichte, stellt sich Jesus in den Jordan, damit wir an ihm erfahren, was uns allen gesagt ist. Das ist das Ganze der Botschaft Jesu im Fragment einer Szene. Es geht hier nicht allein um unser Erkennen, wer dieser Jesus ist. Es ist auch das Erkennen, wer wir selbst im Innersten sind. Darum ist Gott Mensch geworden, um uns die Größe des Menschseins vor Augen zu stellen, von innen her auszuleuchten. Und dieses geschieht eben nicht dadurch, dass Jesus sich über andere erhebt, andere herabwürdigt, seine Mitmenschen im Staub vor ihm kriechen und ihm huldigen.
Johannes der Täufer spürt das Widerständige in einer solchen Gottesrede, fühlt er sich doch nicht wert, diesem Jesus auch nur die Schuhe aufzuschnüren. Und doch sieht er diesen Jesus auf sich zukommen, auf Augenhöhe. Nein, mehr noch: Der, der ohne Sünde ist, reiht sich ein in die Schar derer, die ihr Leben scheitern sehen, die die Sehnsucht nach einem Neuanfang herausgeführt hat zu Johannes, um hier am Jordan Zuspruch zu erfahren.
Du bist von Gott geliebt
Jesus wird auf seine ganz eigene Weise den Menschen vom Reich Gottes erzählen. Er ist nicht der, der schreit und lärmt (Erste Lesung), das geknickte Rohr zerbricht er nicht, den glühenden Docht löscht er nicht aus. Vielmehr spricht er den Gebeugten das Heil zu und sucht die Nähe der Ausgestoßenen.
Er fühlt sich nicht zu den religiös Hochbegabten gerufen, sondern möchte gerade den Abständigen verkünden, dass auch sie Kinder Gottes sind. Um das zu erreichen, geht er nicht auf Distanz, zieht sich nicht in einen sakralen Bereich zurück, sondern geht dorthin, wo Menschen einen Neuanfang für sich suchen, stellt sich mit ihnen in den Schlamm des Jordan.
Hier erfährt er im Innersten, was er fortan allen Menschen verkünden wird: Du bist von Gott geliebt, auserwählt, sein Kind. Unter dieser Zusage darfst du dein Leben gestalten.
Sämtliche Texte der Lesungen vom Fest Taufe des Herrn (Lesejahr C) finden Sie hier.