Abt Andreas Werner zur Heiligen Nacht: Licht ins Dunkel unserer Zeit

Auslegung der Lesungen vom Hochfest der Geburt des Herrn / Lesejahr A

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Die Geburt des Kindes, Jesus Christus selbst, steht bevor. Das Messiaskind wird erwartet und tritt in die Geschichte Israels ein, um Frieden zu bringen, erklärt Abt Andreas Werner und legt die Lesungen vom Hochfest der Geburt des Herrn aus.

Die Weihnachtslesungen nehmen uns mit auf einen Weg durch die Geschichte. Da kündigt in gewaltigen Bildern der Prophet Jesaja ein kleines Kind an, das das irdische Chaos von Gewalt und Unterdrückung beendet und Licht in die Finsternis der Welt bringt. Die prophetische Rede führt von der Drangsal bis zur Versicherung, dass der Eifer Gottes sein Friedenswerk vollbringen wird. Nur Gott kann eine solche Wandlung bewirken.

Dieses Wort ist konkret in die Zeit des Propheten gesprochen im 7. Jahrhundert vor Christus. Die Zeit, in der Jesaja die Geburt des Kindes erwartet, ist seine Gegenwart. Die Bilder und Worte aber schauen in eine zukünftige Zeit des ersehnten Messiaskindes. Die Sichtbarkeit des Heils steht noch aus: „Das Volk, das in der Finsternis ging, sah ein helles Licht.“

Geburt des Kindes erfreut die Menschen

Sämtliche Texte der Lesungen vom Hochfest der Geburt des Herrn (in der Heiligen Nacht) / Lesejahr A zum Hören finden Sie hier.

Dies erinnert an die Schöpfungs­erzählung im Buch Genesis: Über dem chaotischen Dunkel des Uranfangs geht als erste Schöpfungstat Gottes das Licht auf. Jetzt erglänzt erneut das helle Licht der Befreiung und des Friedens. Dies ist nichts anderes als ein zweites Schöpfungshandeln Gottes. Wie Gott einst aus dem Chaos den Kosmos geschaffen hat, so wird er auch das historische Chaos Israels neu ordnen. Freude wird verkündet, weil der Krieg nicht nur für diesmal, sondern für immer vernichtet wird. Alles, was zum Krieg dienen könnte, wird verbrannt.

Der Hauptgrund zur Freude aber ist die Geburt des Kindes. Die damit einsetzende Rettung wird als Erscheinung des Lichts und als umfassender Friede dargestellt. „Friede“ ist nach biblischer Vorstellung der fortwährende Zustand des Unversehrt- und Ungefährdetseins, der Ruhe und Sicherheit, des Glücks und des Heiles. Die Sicherung des Friedens erfolgt nicht durch Gewalt, sondern durch die Ausübung von Recht und Gerechtigkeit. 

Hoffnung geht vom Neugeborenen aus

Die vier Namen des Kindes sind wichtig für das Verständnis des Liedes. Der Mensch ist oder soll sein, was sein Name aussagt. Die Aufzählung der Namen soll den kommenden König kennzeichnen. Gott wird dieses Kind mit den Eigenschaften ausstatten, deren es zur Erfüllung seiner Friedenssendung bedarf. Jesaja vermittelt eine Hoffnung, die von dem Neugeborenen ausgeht, in dem die Kraft des Gottes wirkt, der den Lauf der Geschichte in seiner Hand hält.

Dann überspringt die Liturgie einige Jahrhunderte und sieht die Vision des Jesaja erfüllt in dem Säugling, der in einer ärmlichen Grotte bei Betlehem zur Welt kommt. Lukas ist daran gelegen, die Geburt dieses Kindes in einer konkreten historischen und geografischen Situation zu verorten. 

In Armseligkeit und Verstoßung geboren

Der Autor
Abt der Benediktinerabtei Gerleve Andreas Werner OSB.
Abt der Benediktinerabtei Gerleve Andreas Werner OSB.

Dieses Kind, „Retter und Christus“ genannt, ist nicht eine mythologische Figur, enthoben jeder zeitlichen und örtlichen Bestimmung, sondern ein Mensch, der in die Geschichte Israels eintritt und in ihr wirkt. Das Zeichen dieses Kindes ist die Armut, anders als es der Jesaja-Text erwarten lässt. Es wird in Armseligkeit und Verstoßung geboren; die ersten, die es zu sehen bekommen, sind Hirten, Randfiguren der damaligen Gesellschaft.

Die Hirten leben etwas, was für unsere klösterliche Tradition von großer Bedeutung ist: Sie wachen. Die Mönche haben sich selbst verstanden als solche, die auf das Kommen des Herrn warten. Von daher versteht sich unser Gebet zu nachtschlafender Zeit. Die dichtende Benediktinerin Silja Walter (1919-2011) hat das unübertroffen ausgedrückt: 
„Jemand muss dich erwarten, Herr, nach dir Ausschau halten Tag und Nacht. … Jemand muss wachen und deine Ankunft melden – wachen ist unser Dienst – wachen auch für die Welt. Jemand muss deine Abwesenheit aushalten, ohne an deinem Kommen zu zweifeln, dein Schweigen aushalten und trotzdem singen. Jemand muss singen, Herr, wenn du kommst! ... Jemand muss wachen, um dir das Tor zu öffnen und dich einzulassen, wo immer du kommst.“

Der wahre Retter ist da

Wenige Jahrzehnte nach der Geburt dieses Kindes erinnert Paulus seinen Mitarbeiter Titus an das Erscheinen des Erlösers. Paulus sieht die in Jesus Christus Mensch gewordene Zuwendung Gottes als Grund der Umkehr, die immer aus zwei Bewegungen besteht: sich von Gottlosigkeit und todbringender Habgier abzuwenden und sich in Besonnenheit, Gerechtigkeit und Frömmigkeit der Erscheinung des göttlichen Erlösers zuzuwenden.

In Jesus Christus erscheint der wahre Retter; an ihm muss sich alles menschliche Handeln messen lassen. „Gute Werke“ sind nicht Voraussetzung der Erlösung, sondern sollen das bereits geschehene Heilsereignis vor aller Welt in ein gutes Licht rücken.

Sämtliche Texte der Lesungen vom Hochfest der Geburt des Herrn (in der Heiligen Nacht) / Lesejahr A finden Sie hier.

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