Burgkaplan Ralf Meyer: Kopfhörer auf fürs Wesentliche!

Auslegung der Lesungen vom Hochfest Pfingsten (Lesejahr B)

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An Pfingsten geht es ums Hören. Denn als der Heilige Geist die Gläubigen in Jerusalem erfüllte, konnte plötzlich jeder sie in seiner Sprache verstehen. Ralf Meyer, Burgkaplan der Jugendburg Gemen in Borken, sieht in seiner Schriftauslegung eine klare Verbindung zu einer neuen persönlichen Anschaffung. Und zur Situation der Kirche heute.

Vor ein paar Monaten habe ich mir neue Kopfhörer besorgt. Sogenannte Over-Ear-Hörer, weil sie komplett das Ohr umschließen und somit die Umgebungsgeräusche besser abschirmen. Dazu hat der Kopfhörer zwei praktische Funktionen: Zum einen ein eingebautes Mikrofon und zum anderen „Active Noise Cancelling“: Das ist wieder Englisch für „Aktive Geräuschunterdrückung“.

Das System funktioniert so, dass die Schallwellen, die von außen kommen, aufgenommen und die Höhen und Tiefen der Frequenzen aktiv durch die Lautsprecher ausgeglichen werden, sodass sich im Mittel ungefähr Null ergibt. Der Vorteil: Ich kann besser Musik hören und – was sich durch die erste Funktion wunderbar kombinieren lässt – frei telefonieren, da ich durch das Mikro das Smartphone in der Hosentasche lassen kann.

Ich kann durch die Geräusch­unter­drückung die Person am anderen Ende der Leitung besser verstehen und dadurch bequem längere Telefonate durchführen. Die Abschirmung nach außen hilft also sehr, sich auf das eigentliche Gespräch zu konzentrieren.

 

Fremdes wird ausgeblendet

 

Die Lesungen vom Hochfest Pfingsten (Lesejahr B) zum Hören finden Sie hier.

Einen ähnlichen, aber nicht so technischen Effekt gibt es, wenn ich im Ausland mit Freunden unterwegs bin und wir uns gerade in voll besetzten Bussen oder auf überfüllten Plätzen miteinander absprechen müssen. Die anderen Sprachen drumherum stören nicht, weil mein Kopf die mir unbekannten Worte einfach ausblendet. Das fällt mir in Italien oder Spanien leichter als in Australien, weil ich gut Englisch kann, aber nur ein wenig von anderen Sprachen. Mein Kopf hat also eine eigene „Noise-Cancelling-Funktion”, damit ich mich auf die Dialoge in den mir bekannten Sprachen konzentrieren kann.

Wir reagieren auf unsere Muttersprache auch noch anders: Mit Freude! Wir verbinden damit persönliche Gefühle, Kindheitsgeschichten und teilen durch dieselben Wörter und dieselbe Grammatik auch denselben Verstehens- und Vertrauenshorizont. Wenn wir uns in der je eigenen Muttersprache unterhalten und jemand anderen im Ausland treffen, der dieselbe Sprache spricht wie wir, gehen wir automatisch davon aus, dass er mindestens einen Teil der Kultur versteht, aus der wir selbst kommen.

 

Unterschiedliche Horizonte, eine Botschaft

 

Der Autor
Burgkaplan Ralf Meyer.
Ralf Meyer ist Burgkaplan der Jugendburg Gemen. | Foto: privat

Diese ungewöhnliche Freude erleben die Menschen beim Pfingsttag. Sie hören ihre eigene Sprache, wundern sich, dass sie fremde Leute verstehen können und hören von Gottes großen Taten. Wie wichtig wurde das Hören der Muttersprache für die Verkündigung! Es zeigt sich darin, wie unterschiedlich Verständnishorizonte sind und dass das Evangelium diese Kreise ziehen muss. Dieselbe Botschaft wird kommuniziert und sogar interpretiert, aber auf die je eigene Weise durch Sprache, Kultur, Verständnis und, wie es im Paulusbrief an die Gemeinde in Korinth steht, durch verschiedene Gnadengaben, Dienste und Kräfte, obwohl es den einen Geist, Herrn und Gott gibt.

Wie sehr würde ich mir das „Active Noise Cancelling“ für die Kirche wünschen: Im positiven Sinn mal alles ausblenden, was zwar allen anderen dient, um die Frohe Botschaft zu verstehen, aber mir hilft, mich auf den Dialog mit Gott zu konzentrieren. Beispielhaft steht es heute im Evangelium: Die Jünger haben sich aus Furcht eingeschlossen, quasi ihre Umgebung ausgegrenzt, aber dadurch wurde die Begegnung mit Jesus, dem Auferstanden, intensiver und er wiederholt so oft, was wichtig ist: „Friede sei mit Euch!“ und „Empfangt den Heiligen Geist!“

 

Gestärkter Dialog

 

Dieser Friede und der Geist Gottes stärken meine Beziehung zu Gott, stärken den Dialog, so wie es mir mit meinen neuen Kopfhörern und in Gesprächen in meiner Muttersprache gelingt. Das soll nicht heißen, dass alles andere, was für diesen Dialog ausgeschlossen wird, aus Furcht ausgegrenzt werden soll, und damit als schädlich, falsch oder für mich unpassend scheint.

Ganz im Gegenteil: Ich bin auch wieder froh, mal die Kopfhörer abzunehmen oder andere Sprachen zu lernen, um mehr über meinen Horizont zu blicken. Was ich in der Kirche als Muttersprache bezeichnen kann, wäre zum Beispiel meine favorisierten Gebetsformen, meine Spiritualität, meinen Dienst und meine kirchenpolitische Ausrichtung.

Alle Christen haben diese Sprache und finden sie natürlich am sympathischsten, sie sollte jedoch nicht zum Alleinstellungsmerkmal des persönlichen Glaubens werden und zur Verurteilung anderer Formen führen. Es geht darum, den Geist, Herrn und Gott dahinter zu verstehen, der sich darüber vermitteln will.

Sämtliche Texte der Lesungen vom Hochfest Pfingsten (Lesejahr B) finden Sie hier.

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