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Der Geist Gottes kommt plötzlich und unerwartet. Und jeder Mensch nimmt den Geist anders wahr, sagt Schwester Katharina Kluitmann und legt die Lesungen dieses Sonntags aus.
Plötzlich kommt der Geist. Unerwartet. Bei verschlossenen Türen. Brausen, Sturm und Feuer. Auf jedem eine Flamme, feurige Worte vor dem Volk, eine Welle von Bekehrungen. Wenn wir uns etwas vorstellen von Pfingsten, dann häufig das, was die erste Lesung beschreibt. Pfingsten, ganz großes Kino. Vieles lässt sich in Bildern darstellen.
Wenn da nicht das so andere Evangelium wäre. Oder ist das die falsche Stelle? Hatten wir doch schon am Weißen Sonntag! In der Geschichte ist viel weniger los. Die verschlossenen Türen verbinden die Texte. Kein Wunder: Jesus ist gestorben, die Jüngerinnen und Jünger in Furcht, ob es jetzt auch ihnen an den Kragen geht. Die geschlossenen Türen sind gleich. Das Kommen des Geistes ganz anders. Viel leiser. Schlecht ins Bild zu bringen. Mit einer innerlichen Aussage: Es geht um Vergebung. Nur leise wird da gehaucht. Aber auch hier: Plötzlich kommt der Geist. Unerwartet. Wirklich?
Die Erfahrung des Geistes
Die Lesungen vom Hochfest Pfingsten (Lesejahr C) zum Hören finden Sie hier.
Gab es dieses Anhauchen nicht schon bei der Erschaffung des Menschen? Und davor schwebte der Geist Gottes über dem Tohuwabohu. „Der Geist des Herrn erweckt den Geist in Sehern und Propheten“ singen wir. Das durchzieht das ganze Alte Testament. Mose, voll des Geistes, lässt zu, dass viele im Volk den Geist empfangen und wünscht sich, dass es alle wären.
Später spricht der Prophet Joel im Namen Gottes: „Ich werde meinen Geist ausgießen über alles Fleisch. Eure Söhne und Töchter. Auch über Knechte und Mägde werde ich meinen Geist ausgießen“. Auf Jesus kam der Geist bei der Taufe. Eine innige Verbindung pflegte er mit diesem Geist des Vaters und versprach, diesen Geist des Vaters, der auch seiner ist, zu senden. Schon am Kreuz hauchte er den Geist aus. Dann das österliche Hauchen. Die Erfahrung des Geistes kann voller Getöse sein – oder ganz leise. Jeder Mensch empfindet sie anders.
Wenn endlich Friede wird
Der gleiche Mensch kann zu verschiedenen Zeiten den Geist unterschiedlich erfahren. Das hat etwas Überraschendes. Es kann im Gebet passieren oder beim Staubsaugen. Er kann über mich kommen, wenn ich bereit bin oder mich zunächst wehre. Es kann im Sakrament der Versöhnung geschehen oder wenn der Partner das Unverzeihliche doch verzeiht. Wenn endlich Friede wird, im Kleinen und im Großen. Da kommt der Geist. Oft liegt darin das Erstaunen, dass er immer schon da war. Unentdeckt.
Unzählbar sind die Zeiten des Geistes, seine Erscheinungsweisen. Vielleicht scheint es deshalb so plötzlich. Unzählbar, so sagt es die zweite Auswahllesung, auch die Wirkungen des Geistes, die Gaben, die er verleiht. Der Geist wird gegeben, damit es dem Menschen, der ihn empfängt, nützt. Vor allem aber, damit es anderen nützt. Da ist nichts zu klein und nichts zu groß. Im Trost, den Menschen spenden, wirkt er nicht weniger als im Segen; im verständnisvollen Blick nicht weniger als im Zungenbeten. Im Heilungswunder wirkt er nicht mehr als in der Gabe des Lehrens.
Pfingsten nutzen
Die Autorin
Schwester Katharina Kluitmann ist Franziskanerin von Heythuysen/Lüdinghausen, Theologin und promovierte Psychologin. | Foto: privat
In der Gabe, die sich in einem Menschen zeigt, die zum Beruf oder zur Berufung wird, wirkt er und im Ehrenamt und in dem, was wie nebenbei geschieht. Man muss es nicht immer merken, wenn er kommt. Wenn der Geist in einem wirkt. Es braust nicht immer. Aber es bewirkt immer etwas. Und es ist immer der eine Geist.
Ich lade Sie ein, Pfingsten zu nutzen, um ihren eigenen Geist-Erfahrungen nachzugehen. Ist da mehr, als Sie erwarten? Können Sie mit dem Heiligen Geist etwas anfangen? Wollen Sie um eine bestimmte Gabe bitten? Für eine Situation? Um eine Erfahrung, nach der Sie sich sehnen? Mir hat jemand gesagt, Gott sei häufiger traurig darüber, dass wir zu wenig um den Geist bitten, als dass wir zu viel um ihn bitten würden.
Pfingsten plötzlich und unerwartet
Vielleicht mögen Sie ja auch überlegen, wo unsere Welt und unsere Kirche den Geist brauchen – und darum bitten! Worum ich bitte? Um Frieden! Und darum, dass wir in der Kirche endlich wirklich entdecken, dass der Geist in uns allen der eine Geist ist. Denn wir haben alle eine Taufe. Männer und Frauen aus verschiedensten Ländern; Menschen, die ihre Freiheit genießen und Menschen in den vielfältigen Abhängigkeiten äußerer und innerer Art, die heute versklaven. Was zählt, ist die eine Taufe, die den einen Geist schenkt – und dass wir alle unsere eigenen Berufungen leben, die verschieden sind und doch gleich wichtig.
Wenn wir das endlich entdecken, dann erleben wir ein neues Pfingsten. Plötzlich und unerwartet.
Sämtliche Texte der Lesungen vom Hochfest Pfingsten (Lesejahr C) finden Sie hier.