Bastian Rütten aus Kevelaer über ein ganz neues Fahrgefühl zu Ostern

Auslegung der Lesungen vom Ostersonntag (C/Am Tag)

Jedes Jahr dasselbe Ritual: Zum Frühling kommen die Winterreifen runter und die Sommerreifen drauf. Was die Weisheit seines Automechanikers für Bastian Rütten aus Kevelaer mit Ostern zu tun hat, erklärt er in seiner Schriftauslegung.

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Jedes Jahr dasselbe Ritual: Zum Frühling kommen die Winterreifen runter und die Sommerreifen drauf. Was die Weisheit seines Automechanikers für Bastian Rütten aus Kevelaer mit Ostern zu tun hat, erklärt er in seiner Schriftauslegung.

Beim Blick in das Handschuhfach meines Autos reagiere ich um diese Jahreszeit herum regelmäßig extremst genervt. Die Autowerkstatt meines Vertrauens hat dort, als liebevolle Erinnerung, versteht sich, einen Aufkleber angebracht. Zu lesen ist darauf der Schriftzug „Von O bis O – Von Oktober bis Ostern! Reifen schon gewechselt?“

Und bevor sie es jetzt auch nur denken: Nein, auch in diesem Jahr habe ich es bisher verschludert, meine Winterreifen gegen Sommerreifen zu wechseln. In manch einem Jahr habe ich den Drive dazu erst im Frühsommer gefunden. Im Winter hat man Druck. Würde winterliches Wetter einsetzen, dann hätte man ein Problem. Bei Sommerreifen ist das nicht so gravierend. Ich lasse es also gerne mal schleifen. So auch, zumindest bis jetzt, in diesem Jahr.

 

Weisheit des Automechanikers

 

Die Lesungen des Ostersonntags (Lesejahr C, vom Tag) zum Hören finden Sie hier (alte Einheitsübersetzung).

Wenn ich es aber hinbekomme, dann gleicht es einem Ritual: Fährt mein Auto von der Hebebühne, höre ich regelmäßig denselben Spruch: „Jetzt fährt man gleich ganz anders durch die Welt!“

Wir feiern Ostern und tun dies nun 50 Tage lang. Im Grunde gilt für österliche Menschen derselbe Spruch meines Automechanikers: „Fährt sich gleich anders durch die Welt.“ Ostern, also der Glaube, dass der Tod ein für alle Mal besiegt ist, sollte ein neues Fahrgefühl durchs Leben geben.

Christen haben 50 Tage Zeit, sich jedes Jahr neu in dieses österliche Feeling einzugewöhnen. Im Alltagstrott wird das allzu oft vergessen. Mir geht es so, dass sich das ganz still und heimlich einschleift. Und plötzlich schleppst du dich durch die Tage und Wochen und wunderst dich am Ende, warum du so kaputt und energielos bist. Gut, dass die Evangelien der Osterzeit dann Geschichten erzählen, die verändern. Geschichten, in denen Menschen neue Perspektiven eröffnet werden. Geschichten, in denen Feuer und Begeisterung neu entfacht werden. Geschichten, die an eigentliche Aufträge und Leidenschaften erinnern.

 

Wie Ostern die Augen verändert

 

Wenn ich diese Geschichten höre, fällt mein Blick nicht selten auf mein eigenes Leben und darauf, wie ich gerade durch dieses hindurchtrotte. Dabei ist das Fahrgefühl von Ostern, wenn man so will, doch enorm kraftvoll. Der frühere Aachener Bischof Klaus Hemmerle (+1994) schrieb einmal: „Ich wünsche uns Osteraugen, die im Tod bis zum Leben sehen, in der Schuld bis zur Vergebung, in der Trennung bis zur Einheit, in den Wunden bis zur Heilung. Ich wünsche uns Osteraugen, die im Menschen bis zu Gott, in Gott bis zum Menschen, im Ich bis zum Du zu sehen vermögen.”

Der Autor
Bastian Rütten.Bastian Rütten ist
Theologischer Referent
im Wallfahrtsort Kevelaer. | Foto: privat

Nichts anderes geschieht auch in den Erzählungen der  Oster-Evangelien. Das leere Grab, die neue Situation um diesen Jesus von Nazareth, der Sieg über Tod und Leid. Das alles sehen die Jünger mit Osteraugen. Diese Sehschule verändert ab diesem Zeitpunkt ihren Blick und ihre Blickrichtung. Sie gehen mit österlichen Augen durch diese Welt und sehen so manches mit Mehr-Wert.

Diesen österlichen Mehr-Wert-Blick brauchen wir Christen heute umso mehr. Immer da, wo wir uns als Christen einsetzen für Recht und Gerechtigkeit, für die Zukunft der Welt und ein Leben in Frieden und Sicherheit. Osteraugen sehen nämlich nicht nur anders, sondern sie sehen vor allem Aufträge. Sie sehen mehr Möglichkeiten und Chancen als Niederlagen und Schlechtwetterprognosen. Österlich leben, das bedeutet: Sieh den Tod ein für alle Male als tot an. Und schau: Das Leben lebt.

Es müsste sich also ein anderes, ein österliches Fahrgefühl für uns Christen einstellen. Damit das nicht verloren geht, feiern wir Jahr für Jahr Ostern. Darum singen wir in der Osternacht das Lob auf das Licht einer einzigen Kerze. Wir wissen: Ihr Licht vermag es, eine ganze Kirche zu erleuchten. Und dieses Osterlicht muss eben in der Welt leuchten.

 

Was unser Job ist

 

So lautet der Auftrag, und das ist unser Job. Wenn das gelingt, gehst du wirklich anders durch die Welt. Da schließt sich der Kreis zum immer gleichen Spruch meines Kfz-Meisters. Vielleicht brauche ich so einen Aufkleber als Erinnerung auch manchmal in meinem Leben. Selbst wenn er manchmal nervt. Ich weiß nicht, ob Ihr Wagen schon Sommerreifen drauf hat?

Jedenfalls wünsche ich Ihnen völlig neue und österliche Erfahrungen; besonders in dieser Zeit von „O bis P“ – Von Ostern bis Pfingsten und natürlich darüber hinaus. In diesem Sinn: Gehen wir doch einfach mal in die Schule und lesen das Oster-Evangelium unter diesem Aspekt. Na dann: Frohe Ostern!

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