Hubert Wolf zu Auferstehungserfahrungen

Auslegung der Lesungen vom Ostersonntag / Lesejahr C

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Der christliche Glaube steht und fällt mit der Auferstehung. Wer nicht an diese glaubt, kann kein Christ sein, erklärt Paulus. Doch ist es wirklich so eindeutig, fragt Kirchenhistoriker Hubert Wolf und legt die Lesungen des Ostersonntags aus.

„Denn wenn Tote nicht auferweckt werden, ist auch Chris­tus nicht auferweckt worden. Wenn aber Christus nicht auferweckt worden ist, dann ist euer Glaube nutzlos, … dann lasst uns essen und trinken, denn morgen sind wir tot.“ Der Apostel Paulus bringt das, worum es an Ostern geht, schonungslos auf den Punkt: Der christliche Glaube steht und fällt mit der Auferstehung. Ohne Ostern laufen die Evangelien ins Leere.

Was Paulus hier in drastischen Worten formuliert, klingt in der zweiten Lesung aus dem Kolosserbrief jedoch nach einer unumstößlichen Zusage: „Ihr seid mit Christus auferweckt!“ Passt das nicht etwas besser zur Stimmung am Ostersonntag? Und auch für Petrus, von dem die Apostelgeschichte erzählt, ist die Sache klar: Sie haben Jesus ans Kreuz gehängt und umgebracht, „aber Gott hat ihn am dritten Tag auferweckt“. Und damit niemand behaupten kann, der Auferstandene sei nur ein Geist gewesen, fügt Petrus in der ersten Lesung hinzu: „Wir haben nach seiner Auferstehung von den Toten mit ihm gegessen und getrunken.“

Johannes-Evangelium baut Brücke

Die Lesungen vom Ostersonntag (Lesejahr C) zum Hören finden Sie hier.

Die Botschaft scheint eindeutig: Christ ist nur, wer an die Auferstehung glaubt. Und umgekehrt: Wer den Satz im Glaubensbekenntnis, „am dritten Tage auferstanden von den Toten“, nicht mitbeten kann, ist kein Christ. Dann aber wären nach einer neueren Umfrage zum Glauben an die Auferstehung nur 18 Prozent der Deutschen und nur 28 Prozent der Katholikinnen und Katholiken Christenmenschen …

Aber bietet uns Menschen voller Fragen nicht genau der Ostertext des Johannes-Evangeliums eine Brücke an? Denn er zeigt: Der Glaube an die Auferstehung Jesu ist keine Selbstverständlichkeit und er war es auch für die Jünger Jesu nicht. Zweifel sind angebracht und waren es auch am Ostermorgen. Von Osterjubel und Halleluja keine Spur.

Geraubt statt geglaubt?

Hubert Wolf ist Professor für Kirchengeschichte an der Universität Münster
Hubert Wolf ist Professor für Kirchengeschichte an der Universität Münster.

Maria von Magdala ist als Erste am Grab. Der Stein ist weg, das Grab leer. Sie denkt keinen Moment an Auferstehung, sondern an das Nächstliegende: Irgendjemand hat den Leichnam Jesu gestohlen. Hals über Kopf rennt sie zu Petrus und dem Lieblingsjünger und erzählt von dem Leichenraub. Beide glauben ihr nicht. Es kommt zu einem Wettlauf zum Grab.

Petrus geht hinein: Die Leinenbinden sind da, das Schweißtuch separat zusammengebunden. Das könnten Indizien sein. Mehr nicht. Offenbar hat man den Leichnam nicht komplett entwendet, sondern fein säuberlich ausgewickelt. Welcher Grabräuber, der in größter Eile war, hätte dafür Zeit gehabt?

Ostertext holpert gewaltig

Aber Petrus kapiert nichts, wie sollte er auch? „Denn sie wussten noch nicht aus der Schrift, dass er von den Toten auferstehen musste.“ Mit dieser lapidaren Feststellung endet die Ostergeschichte des Johannesevangeliums. Wenn Petrus keine Ahnung hatte von der Schrift und der darin angekündigten Auferstehung Jesu, ja wer denn dann? Und wie passt das zu dem Halbsatz unmittelbar vor diesem Vers über den Lieblingsjünger: „Er sah und glaubte.“ Ja was denn nun? War Auferstehung für die Jünger Jesu eine Kategorie oder eben nicht?

Hier zeigt sich, dass unser Text eine komplizierte Überlieferungsgeschichte hinter sich hat und es nicht gelungen ist, die Widersprüche und Spannungen aufzulösen. Der Ostertext des Johannes holpert gewaltig.

Eine Frau als Urzeugin der Auferstehung

Vielleicht ist das auch Absicht, um das Unerhörte, ja eigentlich Undenkbare deutlich zu machen: Auferstehung fällt aus dem Rahmen. Damit kann man nicht rechnen. Das leere Grab ist eben kein Beweis für die Auferstehung Jesu. Man kann es auch anders deuten. Und Petrus tut dies offenbar.

Für Ostern gibt es keine objektiven Beweise, nur subjektive Auferstehungserfahrungen. Und die machen bezeichnenderweise weder Petrus noch der Lieblingsjünger. Eine Frau, Maria von Magdala, begegnet dem Auferstandenen und erkennt in einer zutiefst menschlichen Begegnung den gekreuzigten Herrn als Auferstandenen. Und dieser gibt ihr seinen ers­ten Verkündigungsauftrag überhaupt: „Geh und sag zu meinen Brüdern.“ Maria erhielt deshalb in der kirchlichen Tradition den Titel „Apostola apostolorum“ – Apostelin der Apostel. Eine Frau als Urzeugin der Auferstehung und ihr Amt als Bedingung für das Apostelamt der Männer.

Vielleicht ist das wirklich eine Auferstehungserfahrung und öffnet eine wahrhaft österliche Perspektive für die anstehenden Reformen unserer Kirche. Denn wenn die Auferstehungsbotschaft nicht mehr zündet, dann lasst uns wirklich essen und trinken, denn morgen sind wir und unsere Kirche tot.

Sämtliche Texte der Lesungen vom Ostersonntag (Lesejahr C) finden Sie hier.

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