Nicole Stockhoff darüber, was verschlossene Türen aufbricht

Auslegung der Lesungen von Pfingsten (C)

Die Situation der Jünger damals ähnelt jener der Kirche heute: Sie saßen hinter verschlossenen Türen - gelähmt vor lauter Angst. Und dann geschieht Gewaltiges. Nicole Stockhoff aus Münster legt die Lesungen von Pfingsten aus.

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Die Situation der Jünger damals ähnelt jener der Kirche heute: Sie saßen in einem Raum hinter verschlossenen Türen - aus Angst vor den Menschen, aus Angst vor der Welt, aus Angst vor dem Leben. Und dann geschieht Gewaltiges. Was Pfingsten heute bedeutet, sagt Nicole Stockhoff von der Fachstelle Gottesdienste im Generalvikariat Münster in ihrer Auslegung der Lesungen dieses Hochfestes.

Heute feiert die Kirche das Pfingstfest. Damit endet die 50-tägige Osterzeit. Am heutigen Tag gießt der Heilige Geist seine Gaben in Fülle aus und will sich neu in unser Herz einbrennen. In den Liedern, die wir an diesem Hochfest singen, kommt es deutlich zum Ausdruck. Ich denke da an „Komm, Schöpfer Geist, kehr bei uns ein“ oder „Atme in uns, Heiliger Geist“.

Aber es wird auch deutlich: Pfings­ten lässt sich nur von Ostern her denken. Für uns bedeutet das, die wir als Getaufte in der Nachfolge Jesu stehen, dass das Wachsen im Osterglauben ein Prozess ist, der sich nicht von heute auf morgen realisiert oder gleichsam mit dem Pfingstfest beendet ist.

Die Lesungen vom Pfingstsonntag (Lesejahr C) zum Hören finden Sie hier.

Es muss Hand in Hand weitergedacht werden, was dieses Geschehen zu bedeuten hat: Es geht um das Gottesbild, es geht um das Handeln Gottes in dieser Welt, und es geht um unser eigenes, konkretes Leben. Was an Ostern zusammen mit Christi Himmelfahrt und Pfingsten geschah und was es bedeutet – wir werden nicht fertig, darüber nachzudenken.

 

Wie war das damals in Jerusalem?

 

Und so geht es uns auch wohl mit den biblischen Texten des heutigen Tages. Zum x-ten Mal stellen wir uns die Frage, wie es damals wohl gewesen sein muss, was uns in der Apostelgeschichte berichtet wird. Am 50. Tag nach Ostern befanden sich alle am selben Ort, als der Funke übersprang. Feuerzungen ließen sich nieder, ein heftiger Sturm setzte ein, alle begannen zu reden und wurden verstanden. Die Versammelten haben in ihrer jeweiligen Muttersprache die großen Taten Gottes begriffen. Von hier aus konnte die Frohe Botschaft von diesem Gott in Jesus Christus den Weg nehmen hinaus zu allen Völkern und Ländern.

Eine andere Schilderung hören wir im Evangelium. Die Jünger stellen sich die Frage, warum sie sich nur auf diese Angelegenheit mit Jesus eingelassen haben. Nicht nur, dass sie ihr bisheriges Leben als Handwerker oder Fischer aufgegeben haben, sondern noch mehr: Ihnen flattert das Herz dermaßen, dass sie die Tür verschließen und sich einsperren, aus Angst vor den Juden, aus Angst vor der Welt, aus Angst vor dem Leben – so sagt es uns Johannes.

 

Jesus meckert nicht

 

In diese scheinbare Aussichtslosigkeit tritt Jesus hinein. Der Auferstandene kommt zu ihnen. Dabei werden keine Türen auf- und zugemacht, sondern durch die verschlossene Tür erscheint Jesus den verängstigten Jüngern. Das erste Wort des Auferstandenen lautet dann: „Der Friede sei mit euch.“ Kein Schimpfwort, kein Meckern, keine Zurechtweisung, aber auch kein „Hallo, hier bin ich.“ Sondern „Friede!“ Friede ist das Gegenteil von Angst oder Furcht. Jesus zeigt ihnen seine Hände und seine Seite und deutet damit: Ihr müsst keine Angst haben, sondern dürft vertrauen.

So langsam beginnen die Jünger, sich zu freuen und zu erkennen, was es mit diesem Jesus auf sich hat. Als Bekräftigung dieser Osterentdeckung spricht ihnen Jesus dann nochmals den wohltuenden Frieden zu. Schließlich wächst aus dieser Erfahrung ein Auftrag: „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch.“ Was Jesus für die Jünger war, sollen sie jetzt für­einander und für die Menschen sein: Zeugen der Treue und Verlässlichkeit Gottes, Zeugen der Nähe und Liebe Gottes. Er sendet seine Jünger, seine Botschaft bis an die Grenzen der Erde weiterzusagen, obwohl er um ihre Schwächen weiß. Er sendet sie voll Vertrauen aus, damit sie ihren Weg in Freiheit und Eigenverantwortung gehen können.

 

Wie wir andere Menschen bewegen

 

Auch heute müssen wir diesen Auftrag nicht alleine erfüllen, sondern dürfen ihn mit der Hilfe des Heiligen Geistes weiterführen und die Welt gestalten. Als Getaufte, als Menschen in dieser Welt sind wir aufgerufen, Botschafter des Glaubens zu werden und in einer vertraulichen Beziehung zu Gott Zeugen des Evangeliums zu werden.

Nicole Stockhoff leitet die Fachstelle Gottesdienste im Generalvikariat Münster.Nicole Stockhoff leitet die Fachstelle Gottesdienste im Generalvikariat Münster.

Ich bin davon überzeugt, wenn Menschen sich auf die Führung Gottes einlassen, bewegen sie damit andere Menschen. All das sind dann „gnadenvolle Momente“ in unserem Leben. Es sind Momente der Begegnung mit Christus. In jedem Sakrament, in jedem Gebet und in jedem caritativen Tun berührt uns Gott. Durch diese Berührungen zeigt sich der Auferstandene. Daran wird deutlich: Wir sind in Jesu Auferstehung mit hineingenommen. Von Ostern her fällt ein pfingstliches Licht auf unser tägliches Tun und Wirken.

Ich wünsche uns, dass wir diesem Gott vertrauen und uns freuen an dem Unglaublichen, dass Jesus den Tod überwunden hat. Lassen wir uns von Ostern und Pfingsten anrühren und lebendig machen. In diesem Sinne: Ein frohes und gesegnetes Pfingstfest!

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