Pater Daniel Hörnemann über Leid und Leidenschaft

Auslegung der Lesungen zum Fest Taufe des Herrn (C)

Das Wort Taufe hat von der ursprünglichen Wortbedeutung mit Untertauchen zu tun. An diesem Sonntag, dem Fest der Taufe des Herren, taucht Pater Daniel Hörnemann in diese einerseits bedrängende, andererseits befreiende Erfahrung ein.

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Das Wort Taufe hat von der ursprünglichen Wortbedeutung mit Untertauchen zu tun. An diesem Sonntag, dem Fest der Taufe des Herren, taucht Pater Daniel Hörnemann in diese einerseits bedrängende, andererseits befreiende Erfahrung ein.

Nach der Geburt eines Kindes folgt bald die Taufe, das ist doch guter alter katholischer Brauch? Allerdings ist das längst nicht mehr in jeder Familie eine Selbstverständlichkeit. Das Jesus-Kind stand Weihnachten im Mittelpunkt. Mit dem Fest seiner Taufe geht liturgisch heute die Weihnachtszeit zu Ende. Jesus wurde allerdings nicht als Kind zur Taufe getragen, sondern ging auf seinen eigenen Füßen bewusst und aus eigener Entscheidung zur Taufe. Was bedeutet und bewirkt eine Taufe?

Das Evangelium vom Fest der Taufe des Herrn (Lesejahr C, neue Einheitsübersetzung) zum Nachhören finden Sie hier.

Vor gut 60 Jahren wurde eine jüdische Dichterin allmählich, mühsam und wohl nie mehr ganz in Deutschland heimisch. Um 1957 liegen die Flucht vor den Nazis und das erzwungene Exil hinter ihr. Hilde Domin (1909-2006) schreibt ihr Gedicht „Bitte“. Ihre Verse erwachsen aus ihren persönlichen leidvollen Erfahrungen. Sie sprechen eine klare Sprache zur „Taufe“ in unserem Leben: „Wir werden eingetaucht und mit dem Wasser der Sintflut gewaschen. Wir werden durchnässt bis auf die Herzhaut.“

 

Nass bis auf die Herzhaut

 

Eine leidfreie Existenz ist illusorisch, wir können unserem Schicksal und all seinen Herausforderungen nicht entweichen. Alles steht auf dem Spiel, fortwährend. Wir werden eingetaucht in Krisen und Katastrophen. Unsere Bestimmung ist es, alle Seiten des Lebens zu erfahren, die hellen und die dunklen. Wir werden davon „durchnässt bis auf die Herzhaut“.

Die Herzhaut schützt das Innerste, das Herz selbst bleibt unberührt. Der Wunsch, Gefahren zu vermeiden, von Bedrohungen verschont zu bleiben, ist sehr menschlich und absolut verständlich. Doch er „taugt nicht“, sagt Hilde Domin. Es gibt kein Leben ohne Tränen. Die Zeit lässt sich nicht anhalten, Jugend und Frühling lassen sich nicht bewahren. Der Wunsch danach „taugt nicht“. Die Bitte jedoch taugt, an einem neuen Morgen wieder auf einen grünen Zweig zu kommen. Die Bitte taugt, dass unser Leben nach der Blüte Frucht tragen möge. Die Bitte taugt, dass wir aus Sintfluten, Löwengruben und Feueröfen „immer versehrter und immer heiler stets von neuem zu uns selbst entlassen werden“.

Immer drohen wir unterzugehen, weggeschwemmt zu werden, ausgesetzt zu sein, verurteilt zu werden, Unrecht zu erleiden, verbrannt zu werden. Das Leben mit seinen Leidenschaften und seinen Leiden lässt uns nicht ungeschoren, immer gehören wir zu den Versehrten. Die Wunden sollen jedoch heilen, unser Leben soll gerade mit ihnen und durch sie heiler, reifer und erfüllter werden. Die Hoffnung, verschont zu bleiben, ist verfehlt. Auseinandersetzungen und Kämpfe erst geben uns die Möglichkeit zu Entwicklung und Veränderung.

Dass wir uns den Gewalten des Lebens stellen müssen, können wir nicht ändern. Wir bestimmen aber mit da­rüber, wie wir uns ihnen gegenüber verhalten können. Ihre Annahme ist mutig, sie führt uns dazu, uns selbst zu finden und auf die Erfüllung des eigenen Daseins zu hoffen. Wir bleiben verwundbar und vergänglich. Als gefährdete Menschen brauchen wir Schutz, Hilfe und Beistand. Die Bitte bleibt, „dass wir stets von neuem zu uns selbst entlassen werden“.

Der Autor
Pater Daniel Hörnemann OSB
Pater Daniel Hörnemann OSB ist Subprior der Benediktinerabtei Gerleve bei Billerbeck und Theologischer Berater von "Kirche+Leben". | Foto: Markus Nolte

Indirekt und diskret deutet Hilde Domin hier das geheimnisvolle Wirken Gottes an. Die Hoffnung darauf, wie es die Lesungen des Tauffestes deutlich und unumwunden formulieren, dass er einmal zu uns allen sagt: „Ich fasse dich an der Hand“ (Jes 42,6), „du bist mein geliebter Sohn, meine geliebte Tochter, an dir habe ich mein Gefallen gefunden“ (Lk 3,22).

Zu Beginn seines öffentlichen Auftretens hat sich Jesus mitten unter die Menschen eingereiht und sich taufen lassen. Seine eigene Taufe durch Johannes war kein bloßer heiliger Moment, kein punktuelles Ereignis, sondern der Ausgangspunkt seiner besonderen Beziehung zum Vater. Jede Beziehung ist ein fortwährender Wachstumsprozess, so auch die Beziehung Jesu zu seinem göttlichen Vater. 

 

Keine exklusive Beziehung

 

Diese Beziehung ging er jedoch nicht exklusiv ein, sondern wollte alle Menschen mit hineinnehmen. Jeder Mensch hat die Chance, Gottes Kind zu werden. Bei der Taufe Jesus öffnete sich der Himmel – für alle. Wie der Gottesknecht bei Jesaja wird Jesus, der Christus-Messias, allen Menschen Gottes Treue und Erbarmen verkünden.

Das ist auch Thema der Predigt des Apostels Petrus: Gott war mit Jesus, aber nicht ausschließlich, denn ihm ist in jedem Volk willkommen, wer ihn fürchtet und das Rechte tut (vgl. 2. Lesung). Der Blick weitet sich über Jesus auf Gott-Vater hin. In seinem Auftrag erhellt Jesus die dunkle Welt, öffnet blinde Augen, befreit Gefangene und ermöglicht jedem Menschen, eine neue Beziehung zu Gott einzugehen, aus aller Haltlosigkeit heraus sich neu an den Vater zu binden.

Sämtliche Texte der Lesungen vom Fest der Taufe des Herrn (Lesejahr C) finden Sie hier (neue Einheitsübersetzung).

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