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Der Toten zu gedenken, hat sich als Ritual sehr verändert, doch es bleibt die Hoffnung, sagt Stefan Rau zu Allerseelen.
Allerseelen 1970 – die Bilder sind in mir noch sehr lebendig: Ich sitze als Jugendlicher nachmittags zum Üben an der Orgel und höre unten regelmäßig die Kirchentüre auf- und zugehen, an einem normalen Werktag in unserem Dorf eher ungewöhnlich.
Also schaue ich neugierig über die Brüstung der Orgelbühne nach unten und sehe mehrere alte Frauen in den Bänken knien. Sie beten offensichtlich sehr intensiv, stehen dann aber auf, verlassen die Kirche – und sind nach ein paar Minuten zurück, knien wieder hin …
Allerseelen im Wandel der Zeit
Die Lesungen von Allerseelen / Lesejahr C zum Hören finden Sie hier.
Ich habe keine Ahnung, was da vor sich geht, also gehe ich nach dem Orgelüben ins Pfarrhaus und frage nach. Der Pastor klärte mich auf: „Heute ist Allerseelen, da erbeten die Frauen Ablässe für die Verstorbenen ihrer Familie. Zum Ablass gehören bestimmte Gebete und der Besuch einer Kirche – für jeden einzelnen Ablass ein Kirchenbesuch. Deshalb geht man nach gewonnenem Ablass einmal heraus und für den nächsten wieder hinein.“ Das seltsame Bild des Herein und Heraus für das Seelenheil jedes einzelnen Verstorbenen hat sich mir deutlich eingeprägt.
Allerseelen 2025 – in den letzten 55 Jahren hat sich in unserem Land und unseren Gemeinden der Umgang mit Ablässen und insgesamt mit Sterben und Verstorbenen dramatisch verändert: Einerseits hat sich durch Palliativmedizin und Hospizarbeit, Sterbebegleitung und beispielsweise die Bestattung von Sternenkindern die ganzheitliche Sorge um Sterbende und Angehörige sehr positiv entwickelt, andererseits wuchsen diverse Phänomene wie anonyme Bestattung, Friedwald, freie Bestattungsredner, See- oder Flussbestattung, Verstreuen der Asche, Beerdigung im Kompostierungsbehälter oder professionelle Entsorgung des Leichnams ohne jede Beteiligung von Angehörigen.
Veränderte Trauerkultur
Von diesen weitreichenden Veränderungen der Trauerkultur bleibt der Allerseelentag nicht unbeeinflusst: Viele Gemeinden laden an Allerheiligen Hinterbliebene persönlich zu Gedenkfeiern und Gräbersegnungen ein. Dieses Angebot wird vielerorts überraschend gut angenommen, wohl auch, da persönliche und familiäre Rituale des Totengedenkens erloschen sind und oft Hilflosigkeit an den Gräbern herrscht.
Damit ist dann für viele Katholiken das jährliche Totengedächtnis vorbei: Die Mitfeier von einer oder gar drei heiligen Messen am Allerseelentag und die Gewinnung von Ablässen dürfte eher die Ausnahme sein. So ist es wohl für manche Gläubige eine Überraschung, dass die Kirche dem Allerseelentag eine so hohe Bedeutung einräumt, dass er wie in diesem Jahr sogar die Sonntagsfeier „verdrängt“.