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Immer wieder wird die Einheit der Kirche beschworen. Doch Pfingsten will diese mögliche Einengung aufbrechen.
Unsichtbar ist er – der Wind, der Sturm an Pfingsten. Aber zu sehen ist, was er bewirkt. Der Wind von Pfingsten bringt Bewegung, heftig! „Pnoae“ heißt das Wort im griechischen Urtext (Apg 2,2). Es meint Atem, Wind, Luft, Geist. Der Wind von Pfingsten pustet dich durch. Dein Leben, deinen Glauben. Dieses Pneuma sorgt für eine neue Sicht der Dinge, mischt Verstaubtes, Unerledigtes auf – und sorgt für neue, vielleicht gefährliche Erinnerung an Ihn, den Christus. Jetzt.
Um den Turmbau zu Babel (Gen 11,1-9) weht heftiger Wind, um diese Gegengeschichte zu Pfingsten, wie eine kirchliche Tradition sie bezeichnete. Die Einheit der Sprache sei dort zerbrochen. Der pfingstliche Wind – Heiliger Geist – heile diese Einheit wieder. Das Christentum überbiete damit das Judentum. Christlicher Antijudaismus? Eher so: die Geschichte vom Turmbau ist Kritik an despotischem Herrschaftsanspruch. Dieser wird oft in großen Bauten repräsentiert. Er schlägt sich in einer Sprache für alle – als verordnete Einheit – nieder.
Seine Schöpfung will Vielfalt
Die Lesungen vom Hochfest Pfingsten / Lesejahr C zum Hören finden Sie hier.
Despoten können leichter herrschen, wenn alle eine Sprache sprechen und andere Sprachen verboten werden. Denn in jeder Sprache lebt ja eine bestimmte, andere Geistigkeit, Begegnung mit der Wirklichkeit – auch mit dem Göttlichen. Die „Aktion Babel“ ist der ständige Versuch – auch heute –, die schöpfungsgemäße Vielfalt gerade auch in der Sprache zu zerstören.
Nicht zu übersehen: Es ist der Schöpfergott selbst, der solche Einheit vernichtet, weil seine Schöpfung Vielfalt will. Göttlicher Gegenwind! Gerade an Pfingsten wird die Vielfalt der Sprachen nicht aufgehoben. Sie erfährt eine besondere Wertschätzung. Das eine Wort Gottes kann in den unterschiedlichen Muttersprachen gehört, verstanden und verkündet werden.
Einheit kann verführerisch sein
Der pfingstliche Sturm wirbelt eine bestimmte Art von Einheit durcheinander. Die Ideologie erzwungener Einheit lebt in totalitären Systemen. „Mit einer Zunge sprechen“ kann auch verführerisch sein. Solche Einheitsvorstellung war auch in unserer Kirche im 19./20. Jahrhundert lebendig aus einem bestimmten damaligen, historisch erklärbaren Zeitgeist heraus wie bei Papst Pius IX.: „Die Kirche bin ich“.
Einheit ist ein hoher kirchlicher Wert, kann aber auch leicht fundamentalistische, ja häretische Formen annehmen. „Ihr alle seid einer in Christus“, schreibt Paulus (Gal 3,28). Die Vielfalt wird in dem einen Leib Christi nicht aufgehoben, wohl aber die Herrschaft der einen über die anderen, in dieser „Gemeinschaft der Unterscheidbaren“.
Die Einengung überwinden