BIBEL AM SONNTAG (5. SO/C)

Alt-Abt Laurentius Schlieker: Ein Leben aus der Tiefe heraus

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Jede und jeder ist von Gott geliebt, trotz aller Unzulänglichkeiten im Leben. Das erleben nicht nur die Apostel, zeigt Pater Laurentius Schlieker OSB auf.

Komm herein, wer und wie immer du bist! Du bist willkommen, du bist geliebt. Und du selber bringst bereits Gott mit – wie eine Erwartung in deinem Herzen und im Herzen der Welt. – Das ist die einladende Grundaussage über unser Leben. Die Lesungen weisen darauf hin, dass uns der lebendige Gott an seinem Leben und Wirken beteiligt und sich durch menschliche Entwicklungen zu erkennen gibt. 

Manche Ereignisse stellen die Weichen für den weiteren Weg. Drei Menschen erleben dies und werden erschüttert durch das Einbrechen des Göttlichen. Sie werden geblendet, reagieren mit Angst, werden aber ermutigt, dem zu vertrauen, der ungeahnte Möglichkeiten bereithält, indem er sie beauftragt. Jesaja entdeckt, dass er ein Mann mit unreinen Lippen ist, aber sobald er vom Feuer berührt wird, kennt er seiner Bestimmung: „Hier bin ich, sende mich!“

Jesus im Mittelpunkt

Paulus, der sich wegen seines Vorlebens als ungeeignet betrachtet, verlässt sich auf Gottes gnädiges Handeln und wirkt eifriger als alle anderen als Apostel. Petrus erkennt sich selbst als Sünder, als unwürdig; er bittet Jesus, wegzugehen, nimmt dann aber seinen Ruf an, lässt sein bisheriges Leben zurück und folgt Jesus nach. Jesaja, Petrus und Paulus werden beauftragt, von Gott her zu sprechen. Das zu sagen, was in sich schon Kraft hat, ungeachtet der Fehler und Schwächen derer, die es verkünden.

Im Mittelpunkt steht Jesus. Wir betrachten, wie er auf Abstand zu den Leuten geht und sich von Simon vom Ufer weg rudern lässt. Was Jesus zu sagen hat, ist nichts Fertiges. Bevor er es ausspricht, muss er in die Tiefe hinein lauschen. Das spüren die Menschen, und deswegen hören sie ihm auch gebannt zu. Jesus braucht den Abstand, um im Boot über dem tiefen See ungehindert nach innen zu hören. Was er dort hört, das sagt er. Die Ersten, die Jesus beruft, leben vom Fischfang, von dem, was die Tiefe freigibt, was von unten aus dem Dunkel nach oben kommt. Sie werden im Verlauf der Ereignisse das Geheimnis des Lebens berühren und kennenlernen, das Jesus verkörpert.

Eine Überraschung

Die Lesungen vom 5. Sonntag im Jahreskreis / Lesejahr C zum Hören finden Sie hier.

Wer möchte nicht aus der Tiefe leben, statt von der Oberfläche!? Aber die Tiefe ist nicht einfach zugänglich. Die Fischer am See kennen sich aus: Nachts wird gefischt, nur so kommen wir ans Ziel, auch wenn es nicht immer klappt. Da geschieht etwas, worauf Simon und die anderen Fischer nicht vorbereitet sind: Sie gehen auf die Empfehlung Jesu ein – „auf dein Wort hin, weil du es sagst“ –, und erhalten dann als Überraschung nicht nur das, was zum Überleben reicht, sondern eine überreiche Fülle. An ihrem professionellen Wissen vorbei werden sie beschenkt: aus der sich freigebenden Tiefe. Sie bekommen nicht das, was sie verdienen, sondern das, wofür sie bereit sind.

Simon Petrus sackt zusammen: „Geh weg von mir, ich bin ein Sünder.“ Das ist Sünde: dass wir die Tiefe, aus der wir leben sollten, versperren; dass wir lieber einen Boden einziehen, statt aus dieser Tiefe zu leben. Denn die Tiefe des Menschen mündet in den Abgrund Gottes. Schaffen wir uns Umstände, um dieser Tiefe zu entgehen? Wären wir wahrhaftiger und barmherziger, wenn wir aus der unverstellten Tiefe lebten? Aus dieser Tiefe kommt das Wort Gottes, kommt Jesus, und die Begegnung mit ihm bringt die Wahrheit ans Licht: Ich bin ein Sünder. Das heißt in diesem Fall: Ich bin nicht der oder die, die ich sein könnte oder sollte. Ich bin nicht bei mir, ich halte mir die Fassade aufrecht. Die brauche ich auch, solange ich nicht aus dem Abgrund lebe, aus dem Abgrund einer Liebe die sich schenkt, ohne Bedingungen und ohne Vorwürfe.

„Fürchte dich nicht!“

Jesus führt uns an jenen Ursprungsort des Glaubens, an dem wir überwältigt werden! Um dann die Sehnsucht zu wecken, wahrhaftig das leben zu wollen, was wir im Tiefsten sind. Dann verwandelt sich die Angst in Vertrauen. „Fürchte dich nicht“, sagt Jesus. Mach dir keine Sorgen, lebe, was du bist – mit mir. Er bietet jenes Einssein an, in dem sich alle Fremdheit auflöst, und die Ahnung einer Fülle, die wir erleben, wenn wir für sie bereit sind.

„Fürchte dich nicht!“, lesen wir oft in der Bibel. Mit dieser liebevollen Aufforderung, die aus einer unvorstellbaren Ruhe kommt, erkennt Gott an, dass die Furcht eins unserer Kennzeichen ist, vor allem die Angst vor dem Neuen und vor allem Überbordenden. Freuen wir uns über das, was – allen Löchern zum Trotz – in den Netzen hängenbleiben kann.

Sämtliche Texte der Lesungen vom 5. Sonntag im Jahreskreis / Lesejahr C finden Sie hier.

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