KUNST IN DER FASTENZEIT

Schau in Münster: Die sieben Todsünden in spannungsreichen Gesichtern

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Hochmut, Neid, Habgier, Wollust, Völlerei, Zorn und Trägheit – die sieben Todsünden begleiten unser Leben. Heidi Seemann hat sie interpretiert.

Was, wenn die sieben Todsünden nicht nur Relikte aus einer vergangenen Zeit sind, sondern heute stärker denn je unser Handeln bestimmen? Die Künstlerin Heidi Seemann ist dieser Frage nachgegangen und zeigt in Bildern die Grundgefährdungen des Menschen. Gezeigt werden die Kunstwerke bis zum 18. April 2025 in der Überwasserkirche in Münster.

In einer Zeit der Krisen, der Gier, des Hasses und der Maßlosigkeit konfrontieren die großformatigen Gesichter den Betrachter direkt und wollen ihn zur Reflexion anregen, so die Intention der Pfarrei Liebfrauen-Überwasser als Gastgeber der Präsentation. Die Ausstellung zeigt keine biblische Moralpredigt, sondern ein psychologisches und gesellschaftliches Spiegelbild unserer Zeit.

Hochmut kommt vor dem Fall

Die sieben Bilder sind im Kirchenraum verteilt. Im leicht erhöhten Chorraum blickt die „Hochmut“ auf den Betrachtenden. „Der Blick von oben ist trügerisch“, sagt Heidi Seemann über ihr Bild und den Standort.

Sie interpretiert diese Todsünde so: „Wer sich über andere erhebt, sieht nicht mehr, wer er selbst ist. Wer glaubt, allein das Licht zu sein, übersieht den eigenen Schatten. Doch Hochmut kommt vor dem Fall – und der Boden ist härter als man denkt.“ Wer sich selbst zum Maßstab mache, entmenschliche die Welt. „Und wenn man endlich ganz oben steht, ist man nur noch allein.“

Die Jagd nach Lust

Heide Seemann, eine in Münster lebende freischaffende Künstlerin, interpretiert die sechs weiteren Todsünden Neid, Habgier, Wollust, Völlerei, Zorn und Trägheit mit unterschiedlichen Farben und mit Gesichtern, die mit ihren Blicken direkt den Betrachter in den Bann ziehen. So etwa im Werk „Wollust“, wenn die Jagd nach Lust keine Grenzen kennt.

Das Gesicht in diesem Bild ist nur schemenhaft zu erkennen. Was bleibt, ist nur ein Schatten, der schweigt. Ein Gesicht, das sich zurückzieht und unsichtbar wird.

Täter und Opfer des Missbrauchs

„Wenn Wollust zur Todsünde wird, ist es nicht nur die Lust, es ist der Anspruch“, sagt Heidi Seemann. Es geht um den Moment, in dem das eigene Begehren wichtiger werde als der Wille des anderen. „Es geht um die Missachtung der Grenze, die nicht überschritten werden darf.“

Täter und Opfer des Missbrauchs verschwinden beide aus dem Licht: Der Täter hat Angst, erkannt zu werden. Ebenso das Opfer, dessen Scham es nicht zulässt, das Gesicht zu zeigen. „Beide aneinander gekettet, vereint in einer Dunkelheit, aus der es kein Entrinnen gibt“, sagt die Künstlerin.

Grundgefährdungen des Menschen

Wie bei allen Todsünden gilt auch hier: Es gibt keine Unschuld durch Wegsehen. Die Todsünden sind und bleiben die Grundgefährdungen des Menschen und damit Alltagsbegleiter.

Für die täglich von 9 bis 18 Uhr geöffnete Überwasserkirche hat Heidi Seemann auch das diesjährige Hungertuch gestaltet, das den Todsünden die Tugenden entgegenstellt. Das Hungertuch besteht aus zwei handgewebten Leinentüchern und Bändern, die gelöst werden wollen: Die Bänder an den Händen stehen für die Entscheidungen zugunsten der Tugenden: Aus Hochmut wird Demut, aus Zorn wird Geduld, aus Gier wird Großzügigkeit.

Symbolhaftes Hungertuch

Das Hungertuch verdeckt den Gekreuzigten so, dass die Hände des Hungertuchs die von Christus sein können. Wer nah genug an das Hungertuch herantritt, wird es erkennen. „Es ist ein Sinnbild dafür, dass hinter unserem Leben etwas Großes und Mächtiges dahintersteht“, sagt Heidi Seemann.

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