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Wissen ist das beste Mittel gegen Vorurteile und Antisemitismus. Zum Jubiläum „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ erläutert diese Serie Begriffe jüdischen Glaubens – diesmal von Lutz Doering, Professor für Neues Testament und antikes Judentum und Dekan der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Münster.
Mit dem Sabbat (hebräisch schabbat), dem jüdischen Ruhetag, hat das Judentum einen doppelten Beitrag auch zur allgemeinen Einteilung und Erfahrung von Zeit geleistet. Zum einen bildet er eine der Grundlagen der Sieben-Tage-Woche, zum andern ist er der älteste wöchentliche Ruhetag.
Im alten Israel wurde schon vor dem Babylonischen Exil der „siebte Tag“ mit der Unterbrechung von Feldarbeit begangen (Ex 23,12; 34,21). Damals wurde dafür noch nicht der Name „Sabbat“ verwendet, der anfangs wohl den Vollmondtag bezeichnete und eher ein Freuden- als ein Ruhetag war (2 Kön 4,23; Jes 1,13; Hos 2,13).
Ein Ruhetag
Im Exil stieg die Bedeutung des siebten Tags als Ruhetag, den man auch fernab vom Tempel feiern konnte; für diesen bürgerte sich nun der Name „Sabbat“ ein. Im Sabbatgebot des Dekalogs werden beide ausdrücklich gleichgesetzt: „Gedenke des Sabbattags, ihn zu heiligen. Sechs Tage sollst du arbeiten und all deine Werksarbeit tun. Aber der siebte Tag ist Sabbat für den HERRN, deinen Gott. Da sollst du keine Werksarbeit tun …“ (Ex 20,8–10a).
Sabbatheiligung besteht also zunächst in der Ruhe von „Werksarbeit“. Was aber ist „Werksarbeit“ (hebräisch mela’cha)? Die Bibel gibt nur wenige Hinweise. Außer auf dem Feld zu arbeiten (siehe oben), ist es verboten, Feuer zu machen (Ex 35,3), Gegenstände zu tragen (Jer 17,19–27) und Handel zu treiben (Jes 58,13; Neh 10,32); Essen soll man nicht vorbereiten (Ex 16,5) und seinen Ort nicht verlassen (Ex 16,29).
Telefonieren und Feuermachen verboten
Die Rabbiner haben 39 „Haupt-Werksarbeiten“ aufgelistet (Mischna Schabbat 7,2). Sie reichen von Tätigkeiten zur Herstellung von Brot über Kleider- und Ledermachen bis zu Schreiben, Bauen, Feuerlöschen und -machen, Hämmern und Tragen. Von ihnen wurden die einzelnen verbotenen Werksarbeiten abgeleitet.
Mit der modernen Lebenswelt traten neue Herausforderungen auf den Plan. So wurde entschieden, dass Strom und Telefon unter das Verbot des Feuermachens fallen (doch darf Licht vorher programmiert werden). Auch Autofahren ist für orthodoxe Jüdinnen und Juden am Sabbat verboten. Wichtig ist, dass Lebensrettung das Sabbatgebot verdrängt: Wenn ein Menschenleben in Gefahr ist, darf alles getan werden, es zu retten.
Essen, Trinken, Beten und Singen in der Familie
Der Sabbat ist nicht nur ein Tag der Ruhe, sondern auch der Freude (Jes 58,13f.), an dem Familien und Freunde zum gemeinsamen Essen, Trinken, Beten und Singen zusammenkommen und so den Sabbat heiligen. Am Freitagabend wird der Sabbat (hebräisch feminin) als „Braut“ begrüßt, und am Sabbat-Morgen wird in der Synagoge der jeweilige Wochenabschnitt der Tora auf Hebräisch verlesen.
Schon in der Bibel ist der Sabbat ein Zeichen des Bundes Gottes mit Israel (Ex 31,13). Auch wenn im heutigen pluralistischen Judentum große Unterschiede in seiner Begehung bestehen, bleibt er ein wichtiges Zeichen jüdischer Identität. Der Essayist Ahad Ha’am schrieb einmal: „Mehr als Israel den Sabbat bewahrt hat, hat der Sabbat Israel bewahrt.“
Der Autor
Lutz Doering lehrt seit 2014 Neues Testament und antikes Judentum an der Westfälischen Wilhelms Universität Münster und ist Direktor des dortigen Institutum Judaicum Delitzschianum. Er ist gegenwärtig Dekan der Evangelisch-Theologischen Fakultät. | Foto: privat