Reaktionen aus Kirche, Politik und Wissenschaft

Stimmen aus Münster, Deutschland und der Welt zum Tod Benedikts XVI.

  • Als einen "beeindruckenden Theologen und erfahrenen Hirten" hat Bischof Georg Bätzing den verstorbenen Benedikt XVI. gewürdigt.
  • Der frühere Papst starb am Silvestertag in Rom.
  • Weitere Bischöfe und Politiker bekundeten ihre Anteilnahme am Tod Benedikts.

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"Ein beeindruckender Theologe und erfahrener Hirte" - so hat der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, den verstorbenen ehemaligen Papst Benedikt XVI. gewürdigt: "Wir trauern um eine Persönlichkeit, die der Kirche auch in schwierigen Zeiten Hoffnung und Richtung vermittelt hat." Benedikt XVI. habe "die Stimme des Evangeliums - gelegen oder ungelegen - hörbar gemacht".

Sein theologisches Denkvermögen, seine politische Urteilskraft und sein persönlicher Umgang mit vielen Menschen hätten den aus Deutschland stammenden früheren Papst ausgezeichnet, fügte der Limburger Bischof hinzu: "Mit hohem Respekt denke ich an seine mutige Entscheidung, 2013 vom Amt des Papstes zurückzutreten."

Bätzing: Benedikt bat um Vergebung, Fragen bleiben offen

Bätzing erinnerte in seiner ersten Reaktion auch an den Brief Benedikts vom 8. Februar 2022 anlässlich der Veröffentlichung des Münchener Gutachtens zu sexualisierter Gewalt: "Die Betroffenen hat er um Vergebung gebeten und doch blieben Fragen offen."

Der Bischof ergänzte: "Gerade als Kirche in Deutschland denken wir dankbar an Papst Benedikt XVI.: In unserem Land wurde er geboren, hier war seine Heimat, hier hat er als theologischer Lehrer und Bischof das kirchliche Leben mitgeprägt".

Der Priester, Bischof und emeritierte Papst Benedikt - "und der Mensch Joseph Ratzinger" - sei "von uns gegangen", so Bätzing weiter: "In dieser Stunde des Abschieds bete ich für ihn und empfehle ihn der Barmherzigkeit Gottes."

Bundespräsident: Benedikt wusste von Missbrauch

Auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier würdigte Benedikt XVI.. "Sein Glaube, sein Intellekt, seine Weisheit und seine menschliche Bescheidenheit haben mich immer tief beeindruckt", erklärte Steinmeier am Samstag in Berlin. Über seine weltkirchliche Sendung hinaus habe dieser Papst als Landsmann für uns Deutsche eine ganz besondere Bedeutung gehabt.

Steinmeier ging mit Blick auf das Wirken des Verstorbenen auch auf das Thema Missbrauch ein. Spätestens als Präfekt der Glaubenskongregation sei dieser "mit dem bedrückenden Problem des weltweiten sexuellen Missbrauchs und dessen systematischer Vertuschung konfrontiert" gewesen. Hier sei er besonders in der Verantwortung gewesen. Benedikt habe um das große Leid der Opfer und den immensen Schaden für die Glaubwürdigkeit der Kirche gewusst.

Genn: Sein theologisches Werk wird Inspiration bleiben

Münsters Bischof Felix Genn erklärte, er habe Benedikt XVI. persönlich viel zu verdanken. Seit seinem Studium in Regensburg habe es einen persönlichen Kontakt gegeben. "Für meine theologische Entwicklung ist er von entscheidender Bedeutung".

Genn erinnerte daran, dass Münster zu Ratzingers Professoren-Stationen gehörte. Wenngleich in diesen Tagen "auch die eine und andere Seite seines Wirkens kritisch in den Blick genommen" werde, Bleiben Benedikt XVI. durch sein umfassendes theologisches Werk "noch lange eine Inspiration" für die Kirche.

"Herausragender Theologe" an der Uni Münster

Die Westfälische Wilhelms-Universität (WWU) Münster würdigt das wissenschaftliche Engagement ihres einstigen Professors Ratzinger. "Für ihn waren die Universität und die Hörsäle wichtige Orte der Debatten, sagte Rektor Johannes Wessels am Samstag in Münster. Seine Bereitschaft zum Dialog mit den Studierenden sei "eindrücklich dokumentiert". Benedikt XVI. hatte von 1963 bis 1966 Dogmatik an der Katholisch-Theologischen Fakultät der WWU gelehrt.

Als Theologe sei Ratzinger "herausragend" gewesen, "auch wenn man nicht alle Meinungen teilte", erklärte Norbert Köster, Dekan der Katholisch-Theologischen Fakultät der WWU. Mit Geisteswissenschaftlern wie dem Philosophen Jürgen Habermas habe er auf Augenhöhe reden können. In seiner Zeit an der Universität Münster sei Ratzinger im liberalen Spektrum der Kirchenpolitik angesiedelt gewesen, sagte der Kirchenhistoriker. Seine Ausrichtung habe sich im Laufe der Zeit geändert und er habe beispielsweise versucht, auf den rechten Rand der Kirche zuzugehen. Auch seine Regensburger Rede, in der er sich kritisch zum Islam äußerte, sei umstritten gewesen, betonte Köster.

Laien: Für die einen Hoffnungsträger, für andere irritierend

Auch das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) hat den verstorbenen ehemaligen Papst gewürdigt. "Benedikt XVI. prägte die Welt und die Kirche", erklärte die Präsidentin des obersten Laiengremiums der katholischen Kirche in Deutschland, Irme Stetter-Karp, am Samstag in Berlin. Der deutsche Papst habe viele mit Stolz, vor allem aber mit Hoffnung erfüllt. Zugleich betonte Stetter-Karp, für manche habe sich diese Hoffnung in reichem Maße erfüllt, für andere sei die unerfüllte Sehnsucht geblieben, wie ihr Christsein im 21. Jahrhundert gelingen könne.

Zugleich erklärte das ZdK, Ratzinger habe sich im Laufe der Zeit verändert und sei zu einem Kritiker der Veränderungen geworden. Mit seiner Regensburger Rede über Glaube, Vernunft und Gewalt von 2006 habe er eine temporäre Verstörung in den Beziehungen zur islamisch geprägten Welt ausgelöst. 2011 hatte er der Kirche bei seinem Deutschland-Besuch eine "Entweltlichung" angeraten. "Für viele war das irritierend", so Stetter-Karp.

Ebenso irritierend habe sich der emeritierte Papst noch einmal in Erinnerung gebracht, als er im Dezember 2021 Erinnerungslücken dafür verantwortlich gemacht habe, zu Missbrauchsfällen aus seiner Zeit als Erzbischof und dann Kardinal in München nichts sagen zu können. Klar sei ein durch ein im Januar 2022 veröffentlichtes Gutachten gewesen, dass er teils Täter im Amt belassen und lediglich versetzt habe.

Trauer in der bayerischen Heimat

Der Münchner Kardinal Reinhard Marx nannte Benedikt XVI. einen bedeutenden Lehrer der Kirche, "dessen Verkündigung bereits zu seiner Zeit als Münchner Erzbischof weit über die Grenzen des Erzbistums hinaus strahlte". Sein Wort habe weltweit Aufmerksamkeit gefunden, auch bei Angehörigen anderer Religionen, in Politik und Gesellschaft.

Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sagte: "Wir trauern um unseren bayerischen Papst. Der Tod von Benedikt XVI. berührt mich genau wie viele Menschen in Bayern und aller Welt sehr." Joseph Ratzinger wurde am 16. April 1927 in Marktl am Inn geboren; von 1977 bis 1982 war er Erzbischof von München. Zu Ehren des Verstorbenen ordnete der Ministerpräsident Trauerbeflaggung an allen staatlichen Dienstgebäuden im Freistaat für den Samstag sowie den Tag der Beisetzung an.

Scholz: Prägende Figur, streitbare Persönlichkeit

In einer ersten Reaktion hat sich auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) über Twitter zum Tod Benedikts XVI. geäußert. Er sei für viele nicht nur hierzulande ein besonderer Kirchenführer gewesen, so Scholz am Samstag. Die Welt verliere "eine prägende Figur der katholischen Kirche, eine streitbare Persönlichkeit und einen klugen Theologen". Seine Gedanken seien nun bei Papst Franziskus.

Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) drückte auf Twitter ihre Anteilnahme aus: "Vieles aus seiner reichen theologischen, wissenschaftlichen und seelsorgerischen Lebensleistung wird lange nachwirken", schrieb sie.

Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) bezeichnete Benedikt XVI. als wichtigen Theologen der vergangenen Jahrhunderte. "Als Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche und herausragender Theologe wird Joseph Aloisius Ratzinger in das kollektive Gedächtnis der deutschen Geschichte eingehen", sagte er am Samstag in Düsseldorf. Er habe sich stets für die Ökumene auch mit den orthodoxen Kirchen und ein friedliches Nebeneinander der Religionen eingesetzt.

Lindner: Geschichtsträchtige Persönlichkeit

Der Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Friedrich Merz (CDU), erklärte, der Papst habe vor allem in seinem Heimatland Deutschland "eine neue Hinwendung zur katholischen Kirche über alle Generationen hinweg auslösen können".

Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) nannte Benedikt XVI. auf Twitter "eine geschichtsträchtige Persönlichkeit". Er sei ein nicht unumstrittener Intellektueller gewesen. "Heute aber gedenken wir seiner als Menschen."

Reaktionen aus Ökumene und Ausland

Die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Annette Kurschus, erklärte, als Kardinal und später als Papst habe Benedikt XVI. in Fragen der Ökumene das Gemeinsame unterstrichen. Als Beispiel nannte Kurschus, die auch Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen ist, den Besuch des damaligen Papstes in Deutschland 2011. Im Augustinerkloster in Erfurt habe Papst Benedikt betont, dass es für die Ökumene das Notwendigste sei, nicht die großen Gemeinsamkeiten aus dem Blick zu verlieren, "die uns überhaupt zu Christen machen". Dieses Anliegen teile die EKD und sei bis heute für diesen Akzent dankbar.

Der russisch-orthodoxe Patriarch Kyrill I. schrieb, er habe bei Treffen mit Benedikt XVI. in Rom dessen "tiefe Liebe zum östlichen Christentum und und insbesondere seine aufrichtige Achtung der Tradition der russischen Orthodoxie" erlebt. Während des Pontifikats von Benedikt XVI. hätten sich die Beziehungen zwischen der russisch-orthodoxen und der römisch-katholischen Kirche verbessert. Man sei "auf dem Weg zur Überwindung des manchmal schmerzhaften Erbes der Vergangenheit" vorangekommen.

Führende Vertreter des Judentums würdigten den Beitrag Benedikts XVI. zum christlich-jüdischen Dialog. "Er war eine historische Persönlichkeit und ein großer Theologe, der sich und seinem Amt stets treu geblieben ist und auch mit umstrittenen Positionen, etwa zum jüdisch-christlichen Dialog die religiöse und interreligiöse Debatte fruchtbar angeregt hat", hieß es am Samstag in einer Erklärung der Orthodoxen Rabbinerkonferenz Deutschland. Benedikt XVI. habe stets die Nähe zur jüdischen Gemeinschaft gesucht.

Unvergessen bleibe sein Besuch in der Synagoge in Köln anlässlich des Weltjugendtages 2005, wo er aktiv in der Tradition seines Vorgängers für die Verbesserung der Beziehungen und der Freundschaft mit dem jüdischen Volk eingetreten sei, so die Rabbinerkonferenz. "Ruhe in Frieden, Papst Benedikt."

Rabbiner Walter Homolka hat zum Tod Benedikts XVI. an dessen teils konfliktbelasteten Dialog mit dem Judentum erinnert. "Er hat es uns Juden mit seinem klaren Wahrheitsanspruch nicht leicht gemacht. Er vermittelte stets ein triumphales Bild der Kirche. Ihr Glanz gründet im auferstandenen Christus als dem Neuen, das das jüdische Umfeld Jesu hinter sich lässt", sagte Homolka der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) am Samstag in Berlin. 2008 hatte Benedikt XVI. die Karfreitagsfürbitte für den alten lateinischsprachigen Ritus erneuert. Darin wird darum gebetet, dass die Juden "Jesus Christus als den Retter aller Menschen erkennen". Dies war von jüdischer Seite heftig kritisiert worden. Zuletzt hatte 2018 ein Text des damals schon emeritierten Papstes mit Anmerkungen zum Judentum für Irritationen gesorgt.

Der anglikanische Erzbischof Justin Welby würdigte Benedikt XVI. als "einen der größten Theologen seiner Zeit". Der frühere Papst sei "dem Glauben der Kirche verpflichtet und standhaft in ihrer Verteidigung" gewesen, erklärte das Oberhaupt der Anglikanischen Weltgemeinschaft am Samstag. "Es war überdeutlich, dass Christus die Wurzel seines Denkens und die Grundlage seines Gebets war."

Dieser Artikel wird ständig aktualisiert.

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