Kirchenaustritte beschleunigen Sparkurs des Bistums Münster

Bauprojekt in der Pfarrei St. Marien in Lünen endet gleich zu Beginn

  • Die Pfarrei St. Marien in Lünen beendet ihre Pläne für den Bau eines neuen Verwaltungszentrums mit Dienstwohnung für den Pfarrer.
  • Stattdessen soll das alte Pfarrhaus mit Pfarrbüro modernisiert und räumlich erweitert werden.
  • Steigende Baukosten und zu erwartende sinkende Kirchensteuer-Einnahmen zwingen zum Umdenken bisheriger Immobilienkonzepte.

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Nicht mehr kalkulierbare Baukosten und der Druck des Bistums Münster, bald mit weniger Kirchensteuer-Einnahmen haushalten zu müssen, haben den geplanten Neubau eines Verwaltungszentrums mit Wohnraum für den leitenden Pfarrer an der St.-Marien-Kirche in Lünen gestoppt. In diesen Tagen hatte schon der Abriss der ehemaligen Begegnungsstätte, auf dessen Gelände der Neubau entstehen sollte, begonnen.

„Meine Enttäuschung hält sich Grenzen. Die Kirchenentwicklung lässt uns kaum noch eine andere Wahl“, sagt der leitende Pfarrer von St. Marien Lünen, Michael Mombauer, im Gespräch mit „Kirche-und-Leben.de“. Die Pläne für den Neubau würden ad acta gelegt. Was nach dem Abriss des alten Gebäudes mit dem freiwerdenden Gelände geschehe, sei noch unbestimmt.

Ein geeignetes Grundstück für den Neubau

Das bisherige Pfarrhaus mit Pfarrbüro soll umfassend modernisiert und räumlich erweitert werden. | Foto: Johannes Bernard
Das bisherige Pfarrhaus mit Pfarrbüro soll umfassend modernisiert und räumlich erweitert werden. | Foto: Johannes Bernard

Das Vorhaben für den Bau eines modernen Verwaltungszentrums der Pfarrei mit Büros, Arbeitsräumen für die pastoralen Mitarbeitenden, Konferenzräumen und der Dienstwohnung war längst fortgeschritten. Das Gelände schien wie geeignet: die alte und Begegnungsstätte der Pfarrei, ein baufälliges Fachwerkhaus nahe der Kirche, das es abzureißen galt.

Die Baukosten waren zu Beginn der Planungen mit etwa 1,5 Millionen Euro veranschlagt. „Im Raum stehen nun Kosten von rund zwei Millionen Euro. Irgendwann muss man die Reißlinie ziehen“, sagt Mombauer.

Altes Pfarrhaus wird nun renoviert

Pastoralreferentin Christina Eikens und Pfarrsekretärin Christa Korthoff zeigen das Pfarrbüro im Pfarrhaus, das künftig am gleichen Ort erweitert wird. | Foto: Johannes Bernard
Pastoralreferentin Christina Eikens und Pfarrsekretärin Christa Korthoff zeigen das Pfarrbüro im Pfarrhaus, das künftig am gleichen Ort erweitert wird. | Foto: Johannes Bernard

Eine Alternative tut sich bereits auf: Das alte Pfarrhaus mit einigen Büroräumen und einer kleineren Dienstwohnung, in der Mombauer seit Beginn seiner Tätigkeit in Lünen 2018 wohnt, soll modernisiert und erweitert werden. „Nach ersten vorsichtigen Schätzungen von Bau-Experten kann der Umbau rund 500.000 Euro kosten“, sagt der Pfarrer. Er selbst werde sich dann eine Wohnung in der Stadtmitte suchen.

Für die Kehrtwende wirbt Mombauer bei allen Beteiligten um Verständnis: Durch die anhaltend hohen Kirchenaustritte müsse das Bistum Münster in absehbarer Zeit mit weniger Geld haushalten. Der Neubau in dieser Größenordnung in Lünen sei nicht mehr zeitgemäß, zumal anderswo aus Kostengründen Gotteshäuser geschlossen werden müssten und der Sparkurs des Bistums alle Pfarreien erreiche.

Höchststand bei Kirchenaustritten

Die Kirchenaustritts-Zahlen seien in Lünen hoch, sagt Mombauer. Durchschnittlich habe es in den letzten Jahren etwa 80 Kirchenaustritte gegeben, in 2022 bis jetzt allein 125. „In diesem Jahr wird es einen neuen Höchststand an Austritten geben. Das steht fest.“

Die Pfarrei zähle in Kürze weniger als 10.000 Katholiken. „Die Zahl ist deshalb für uns so bedeutend, weil dann das Haushaltsbudget aufgrund sinkender Zuweisungen deutlich sinken wird, möglicherweise um rund 20 Prozent.“ Hinzu kämen Preissteigerungen bei den Energiekosten für alle Gebäude der Pfarrei einschließlich der vier Kirchen. „Diese Kosten sind für uns alle unkalkulierbar.“

Richtlinie der Bistumsverwaltung

Pfarrer Michael Mombauer zeigt Verständnis für das Ende des Bauprojekts. | Foto: Johannes Bernard
Pfarrer Michael Mombauer zeigt Verständnis für das Ende des Bauprojekts. | Foto: Johannes Bernard

Die Notbremse für das Bauprojekt ist nicht zuletzt durch eine Richtlinie der Bistumsverwaltung gezogen worden. Diese teilte mit einem Schreiben Anfang Juni 2022 allen Kirchengemeinden im nordrhein-westfälischen Teil des Bistums Münster mit, auf nicht zwingend notwendige Baumaßnahmen zu verzichten.

Die Vorgaben der Bistumsverwaltung sind dabei eindeutig: „Noch nicht gestartete Baumaßnahmen sollten nach Möglichkeit aufgrund der aktuellen Marktsituation ‚ausgesetzt‘ werden. Neubaumaßnahmen sind bis auf Weiteres nicht genehmigungsfähig.“

Bistum setzt Sparkurs fort

Nach Ansicht der Bistumsverwaltung, so das Schreiben, änderten sich die Rahmenbedingungen für die Kirche „in ungeahnter Geschwindigkeit“. Der demografische Wandel und die hohe Zahl der Kirchenaustritte reduzierten die Zahl der Kirchenmitglieder deutlich. „Das wirkt sich auf den Bistumshaushalt spürbar aus. Die finanziellen Spielräume werden enger.“

Das mehrseitige Schreiben hat Mombauer überzeugt, jetzt vom Bauvorhaben in Lünen Abstand zu nehmen, „obwohl die Teilgenehmigungen bereits vorlagen und die Entscheidungen für das Projekt schon 2018 getroffen wurden“. Wenn man die Richtlinie des Bistums hinsichtlich des Genehmigungsverfahrens anwenden würde, „wäre unser Neubau noch gerade so durchgekommen“, meint Mombauer.

Unkalkulierbare Nachfinanzierungen

Die gestiegenen Baukosten hätten aber zu immer weiteren Nachfinanzierungen und zu einer Erhöhung der Eigenmittel geführt. „Das wäre für ein vernünftiges Immobilienkonzept einer Pfarrei verantwortungslos“, sagt Mombauer. Er halte es mit der Aussage der Bistumsverwaltung an die Kirchengemeinden: „Die anstehenden Herausforderungen werden wir nur gemeinsam bewältigen und gestalten.“

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