Stefan Jürgens über Friedwälder, anonyme Bestattung und passende Musik

Beerdigen Sie auch Ausgetretene, Herr Pfarrer?

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Egal wie es im Leben war, bei der Beerdigung ist der Pastor wieder gewünscht. Doch nicht nur Kirchenferne haben Fragen: Ist eine anonyme Bestattung erlaubt? Welche Musik? Pfarrer Stefan Jürgens aus Münster antwortet.

Egal wie es im Leben war, bei der Beerdigung ist der Pastor wieder gewünscht. Doch nicht nur Kirchenferne haben Fragen: Ist eine anonyme Bestattung erlaubt? Welche Musik? Pfarrer Stefan Jürgens aus Münster antwortet.

„Kirche+Leben“: Wenn ein Mensch aus der Kirche ausgetreten ist – darf er dann katholisch beerdigt werden, Herr Pfarrer?

Pfarrer Stefan Jürgens: Hier gibt es zwei gegensätzliche Positionen. Die eine sagt: Man muss die Entscheidung zum Kirchenaustritt ernst nehmen und darf niemandem eine kirchliche Beerdigung aufzwingen, der diese offensichtlich nicht gewünscht hat. Hier könnte man einwenden, dass immerhin den Angehörigen die kirchliche Beerdigung wichtig ist.

Die andere Position sagt: Niemand kann die Höhen und Tiefen, die Irrungen und Wirrungen eines Menschen beurteilen. Außerdem bleibt der aus der Kirche Ausgetretene zeitlebens ein getaufter und gefirmter Christ. Vielleicht hat er ja nur aus der Kirchensteuerzahlergemeinschaft, nicht jedoch aus der Glaubensgemeinschaft austreten wollen.

Bischof Felix Genn hat die Beerdigung von aus der Kirche ausgetretenen Christen vor einiger Zeit aus pastoralen Gründen ausdrücklich gewünscht. Ich mache das allerdings schon seit 25 Jahren.

Können Sie sich denn überhaupt einen Grund vorstellen, einem Menschen eine kirchliche Beerdigung zu verweigern?

Wenn weder der Verstorbene noch dessen Angehörige irgendeinen Glauben haben, wäre ich ja nur Trauerredner ohne weltanschaulichen Hintergrund. Hier müsste ich dann passen, denn die kirchliche Beerdigung muss mehr sein als eine rein innerweltliche Serviceleistung.

Warum sollte zu einer katholischen Beerdigung auch eine Messe gehören?

Stefan Jürgens ist Pfarrer der Gemeinde Heilig Kreuz in Münster.Stefan Jürgens ist Pfarrer der Gemeinde Heilig Kreuz in Münster. | Foto: Markus Nolte

In der heiligen Eucharistie feiern wir den Tod und die Auferstehung Christi. Wir können das Leben und Sterben eines Verstorbenen mit diesem Geheimnis verbinden und daraus Hoffnung schöpfen. Die Auferstehung ist das Zentrum des christlichen Glaubens, die Eucharistiefeier dessen Quelle und Gipfel. Ein Begräbnis mit Requiem ist deshalb der höchste Ausdruck österlicher Zuversicht und die intensivste Form dessen, was man heute Trauerarbeit nennt. Es gibt viele Beisetzungen ohne Messfeier, das kann verschiedene Gründe haben. Bei meiner Beerdigung jedenfalls sollte ein Requiem gefeiert werden.

Drei Tipps für eine gute Beerdigungsansprache?

Sie muss das Leben des Verstorbenen würdigen, ohne ihn gleich heilig zu sprechen. Das bedeutet: Wir erzählen keine Biografie, haben aber das Leben des Verstorbenen unverwechselbar vor Augen und geben dadurch Platz für Trauer und Empathie, für Dankbarkeit und Hoffnung. Die Ansprache muss zweitens die Botschaft der biblischen Texte auslegen – das muss eine liturgische Ansprache immer –, und drittens die Auferstehungshoffnung deutlich machen: Leben durch den Tod hindurch.

Was ist ein Sechswochenamt und warum nach sechs Wochen?

Aus der Psychologie haben wir gelernt, dass es verschiedene Trauerphasen gibt. Eine dieser wichtigen Trauerphasen ist nach etwa sechs Wochen beendet. Man weiß und spürt, dass der Verstorbene nicht mehr zurückkommt, dass er nicht mehr sichtbar unter uns ist; man glaubt und hofft, dass er jetzt bei Gott lebt, in einer anderen Dimension des Seins. Bis zum Sechswochenamt bleibt traditionellerweise das Umfeld des Verstorbenen unangetastet; danach werden seine Habseligkeiten aufgeteilt und die Wohnung ausgeräumt. Diese Psychologie hat die Kirche offenbar immer intuitiv gespürt und die Trauerphasen liturgisch markiert.

Wie sollte die Kirche mit anonymen Bestattungen umgehen?

Bei Gott ist keine Bestattung anonym, denn unsere Namen sind, bildlich und biblisch gesprochen, in seine Hand geschrieben. Alles andere kann verschiedene Gründe haben: finanzielle und persönliche Gründe wie zum Beispiel die Grabpflege. Diese Gründe gehen die Kirche nichts an, von daher sind so genannte anonyme Bestattungen überhaupt kein Problem. Im Zweifelsfall rate ich jedoch den Angehörigen, das Grab namentlich zu kennzeichnen, damit sie einen Ort für ihre Trauer und Hoffnung behalten. Wir leben nun einmal in Raum und Zeit und brauchen Anhaltspunkte auch für Unendlichkeit und Ewigkeit.

Muss es ein Rosenkranzgebet am Vortag der Beerdigung geben?

Der RosenkranzDer Rosenkranz wird traditionell am Vortag einer Beisetzung gebetet. Mitunter mangels Alternativen, meint Pfarrer Stefan Jürgens. Doch es geht auch anders. | Foto: Michael Bönte

Das Rosenkranzgebet am Vortag der Beerdigung ist ein sehr traditionelles Gebet, das nur noch wenige Menschen anspricht. Wo es praktiziert wird, geschieht dies häufig mangels Alternativen. Man möchte zwar beten, weiß aber nicht (mehr), was man beten soll – und greift auf Althergebrachtes zurück. Das Rosenkranzgebet ist wunderschön, aber wenn es nicht gut vorgebetet wird, gerät es mitunter zur Karikatur. In meiner früheren Pfarrei St. Otger in Stadtlohn gab es stattdessen ein Nachbarschaftsgebet mit zeitgemäßen Gebeten und Liedern zur Auswahl. In meiner jetzigen Pfarrei hat dieses Gebet weder Tradition noch Praxis.

Welche Musik ist in der Kapelle oder am Grab erlaubt?

Geistliche Lieder sollen trösten und Hoffnung geben. Vertrauens- und Osterlieder sind deshalb, je nach Situation, am besten geeignet. Auch die Instrumentalmusik soll geistlichen Charakter haben. Die Angehörigen möchten jedoch auch in persönlicher Weise trauern und Abschied nehmen. Deshalb wünschen sie sich oft Musik, die sie mit dem Verstorbenen verbinden – aus Rock und Pop, Musical und Oper. Hier sollte man so großzügig wie möglich sein; die Menschen brauchen seelsorgliche Begleitung und keine liturgischen Richtigkeiten oder gar Vorschriften.

Darf es beim Beerdigungskaffee auch Alkohol geben?

Am Grab in einem FriedwaldBei anonymen Bestattungen oder Beisetzungen in Friedwäldern (Bild) bleibt die katholische Kirche kritisch. Pfarrer Jürgens empfiehlt Gelassenheit. | Foto: Michael Bönte

Warum nicht? Der Beerdigungskaffee macht deutlich: Wir leben noch, wir halten zusammen und gehen gemeinsam in die Zukunft. Auch die Eucharistie ist ein ritualisiertes Mahl unter Verwendung von Alkohol: Brot und Wein sind Kulturprodukte, die symbolisch für Alltag und Sonntag stehen, für Arbeit und Fest. Sie werden verwandelt in den Leib und das Blut Christi und geben uns Anteil an seinem Tod und seiner Auferstehung. Beim Alkohol gilt ansonsten wie immer: „Sola dosis facit venenum“ – „Allein die Dosis macht das Gift“, wie Paracelsus sagt.

Was denkt die Kirche über Friedwälder? Wo ist das Problem?

Bei Friedwäldern denken manche sofort an Esoterik und haben Bedenken. Sie sehen die Auferstehungshoffnung naturphilosophisch oder pantheistisch nivelliert, so als könne durch den Friedwald eine gewisse Waldromantik entstehen und der Kirche als Raum und Gemeinschaft etwas wegnehmen. Das ist alles völliger Unsinn. Gott ist Herr über Leben und Tod und der Schöpfer des ganzen Kosmos. Er ist das Geheimnis hinter allen Dingen und in jedem Menschen.

Wann ist ein Bestatter gut?
Woran erkennt man einen guten Bestatter? Welche Rolle spielt Geld? Was ist dran an Schwierigkeiten, einen Geistlichen für die Beerdigung zu finden? In der aktuellen Ausgabe von „Kirche+Leben“ beantwortet Gerrit Stokkelaar diese Fragen. Er ist Leiter eines Bestattungsinstituts in Münster. Bestellen Sie „Kirche+Leben“ hier als bequemes E-Paper oder lesen Sie die Bistumszeitung aus Münster kostenlos für drei Wochen zur Probe. | mn

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