Festnahme im Kapuzinerkloster – Betroffener seit dem Abend frei

Behörden beenden Kirchenasyl – Bischof Genn erschüttert

Ein 31-jähriger Flüchtling, den die Polizei am Dienstag (23.08.2016) in einem Kirchenasyl in Münster festgenommen hatte, ist wieder frei.

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Ein 31-jähriger Flüchtling, den die Polizei am Dienstag (23.08.2016) in einem Kirchenasyl in Münster festgenommen hatte, ist wieder frei. Das Verwaltungsgericht Münster gab am frühen Abend einem Eilantrag statt, die Abschiebehaft vorerst auszusetzen. Das "Netzwerk Kirchenasyl in Münster" äußerte sich sehr erfreut. Die Polizei hatte den Ghanaer am Morgen im Kapuzinerkloster festgenommen.

Das Netzwerk hatte auf eine schwere Herzerkrankung des Mannes als Abschiebehindernis verwiesen. Diese Informationen liegen dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) in Nürnberg jedoch noch nicht vor. Das räumten sowohl das Unterstützer-Netzwerk wie das Bundesamt auf Nachfrage von kirchensite.de ein. Das Bistum Münster erklärte am Dienstagabend, das Dossier mit dem Arzt-Gutachten habe "unmittelbar vor der Übermittlung an das zuständige Bundesamt" gestanden.

Kirchenvertreter erschüttert über hartes Vorgehen

Bischof Felix Genn zeigte sich am Dienstagabend (23.08.2016) erschüttert von dem Vorgang. Es mache ihn "betroffen, dass während eines laufenden Verfahrens ohne Vorankündigung zugegriffen wird", sagte Genn. Es habe seiner Ansicht nach keine Fluchtgefahr bestanden: "Der Mann hätte sich gut weiter im Schutz der klösterlichen Mauern aufhalten können." Münsters Stadtdechant Jörg Hagemann und die evangelische Superintendentin Meike Friedrich nannten die Umstände der Festnahme in einer gemeinsamen Erklärung "unfassbar".

Der Flüchtling Issa A. unterliegt dem so genannten Dublin-Abkommen. Demnach dürfen Flüchtlinge in der Europäischen Union nur in höchstens einem Mitgliedsstaat Asyl beantragen. A. wurde bei der Einreise in Ungarn registriert. Deshalb ist er dorthin ausreisepflichtig. Diesen Bescheid erhielt A. Mitte Juni. Vor dem Kirchenasyl lebte er in einer Unterkunft in Nordkirchen im Kreis Coesfeld.

Weiterbehandlung in Ungarn nicht sicher

Zwei Tage vor der angesetzten Abschiebung ließ der Ghanaer sich von einem Arzt untersuchen, der ihn an ein Herz-Spezialzentrum überwies. Erst dort, so der Arzt Dr. Paul Krause am Dienstag vor Journalisten, sei die Herzmuskelentzündung festgestellt worden. Krause befürchtet, die nötige Weiterbehandlung von A. sei in Ungarn nicht gewährleistet.

Um Zeit zu gewinnen für das Einreichen ärztlicher Gutachten, entschlossen sich die Helfer, ein Kirchenasyl für A. zu suchen. Nach einer ersten Zeit in einem Kloster, das ungenannt bleiben möchte, lebte er seit Juli im Kapuzinerkloster Münster.

Gutachten ist unterwegs

Zwischenzeitlich habe ein Amtsarzt ihn jedoch für ausreisefähig erklärt, sagte Julia Lis vom "Netzwerk Kirchenasyl in Münster" zu kirchensite.de. Das Netzwerk wolle diesen Befund mit einem kardiologischen Gutachten widerlegen. "Das Gutachten befindet sich auf dem vorgeschriebenen Weg durch die kirchlichen Instanzen zum Bundesamt", sagte Lis. Alle kirchlichen Stellen hätten rasch gearbeitet, betonte sie. Auch die zuständige Ausländerbehörde des Kreises Coesfeld wisse, dass ein Gutachten ausstehe.

Lis nannte es ein "massives und brutales Vorgehen", das Kirchenasyl zu beenden, ohne das Gutachten abzuwarten. Warum dies passiert sei, wisse sie nicht. Auch nicht, ob es ein Abspracheproblem zwischen Coesfeld und dem BAMF gebe. Das Bundesamt hatte die Coesfelder Behörde, die für Issa A. seit seiner Nordkirchener Zeit zuständig ist, gebeten, das Kirchenasyl durch die Polizei beenden zu lassen.

Kirchenasyl wird eigentlich meist geduldet

Issa A. war am Morgen in Handschellen abgeführt worden. Ein Sprecher der Polizei Münster sagte zu kirchensite.de, nach dem Anlegen der Handschellen habe der Mann sich weiter gewehrt und einen Polizisten gebissen. Beim Handgemenge rund um die Festnahme sei auch ein Arzt leicht verletzt worden.

Beim Kirchenasyl werden Flüchtlinge ohne legalen Aufenthaltsstatus befristet in kirchlichen Räumen beherbergt. Ziel ist, in Härtefällen eine unmittelbar drohende Abschiebung in eine gefährliche oder sozial unzumutbare Situation zu verhindern und eine erneute Prüfung des Falles zu erreichen. Der Aufenthaltsort der Flüchtlinge wird den Behörden gemeldet. Die Praxis des Kirchenasyls wird als seltene Ausnahme weitgehend geduldet.

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