Besuch in der orthodoxen Gemeinde

Bei Kopten in Münster geht die Angst vor Abschiebung um

Die koptisch-orthodoxe Gemeinde in Münster feiert zwei Mal im Monat in der Clemenskirche Gottesdienst. Viele Gemeindemitglieder haben nur eine Aufenthaltsgenehmigung von wenigen Monaten.

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In der barocken St.-Clemens-Kirche im Zentrum von Münster steht Pater Sorial Elmoharaky ad Atef am Altar, neben ihm die beiden Diakone und ein kleiner Junge, den sie „der kleine Diakon“ nennen. Der Mönch mit der weißen Kapuze und dem langen Priestergewand feiert mit seiner 30-köpfigen Gemeinde einen koptisch-orthodoxen Gottesdienst. Nahezu alle sind gekommen. Die Frauen haben sich mit den kleinen Kindern in der rechten Bankreihe verteilt. Die Älteren tragen Kopftücher, die Jüngeren legen sie nur bei bestimmten Gebeten an.

Die Männer stehen in der linken Bankreihe, antworten auf die Sprechgesänge des Priesters oder beugen bei bestimmten Worten andächtig ihr Haupt. Zwei Mal im Monat feiert die Gemeinde hier in koptischer Sprache. Kinder flüstern oder spielen leise miteinander. Einige holen sich mal bei Papa, mal bei Mama eine kurze Umarmung. Nach der Kommunion und dem Segen kommen die Menschen im Mittelgang zusammen. Sie lächeln. Der Gottesdienst hat ihnen offensichtlich gutgetan. Doch jetzt geht es gemeinsam ins Schnellrestaurant. Die Gemeinde will über ihre verzweifelte Lage berichten.

 

„Deutscher Staat nimmt Kopten nicht ernst“

 

„Die meisten haben Probleme mit ihrem Asylantrag. Er wurde fast bei allen abgelehnt. Einige stehen vor der Abschiebung“, sagt Pater Sorial traurig. „Der deutsche Staat nimmt nicht ernst, was die Christen in Ägypten erleben. Der Mönchspriester hat noch eine weitere Gemeinde in Duisburg. Die Geflüchteten hätten alles verlassen müssen.

Die Anspannung und die Ungewissheit ist den Gesichtern der Männer anzusehen, die sich um die Tische des Schnellrestaurants gescharrt haben. „Viele bekommen nur eine Aufenthaltserlaubnis von wenigen Monaten, danach hoffen sie auf eine Verlängerung. Wenn sie in ihr Heimatland zurückgeschickt werden, kommen sie ins Gefängnis, oder sie werden getötet“, fürchtet Girgis. Ibram erlebt seine momentane Lebenslage „als Katastrophe“.

 

Angst um Angehörige in Ägypten

 

„Die Frau meines Bruders war in der Kathedrale in Tanta“, erzählt Peter von dem islamistischen Brandanschlag am Palmsonntag, bei dem viele Gläubige getötet und verletzt wurden. Gott sei Dank sei ihr nichts geschehen, „aber wir fürchten um das Leben unserer Angehörigen“. In einem telefonischen Vorgespräch mir Kirche+Leben hatten Pater Sorial und Bischof Anba Damian aus Höxter-Brenkhausen auf die desolate Lage der orthodoxen Kopten in Münster und anderswo aufmerksam gemacht.

„Fluchtursachen sind die Entführung eines Familienmitglieds, Brandstiftungen gegen koptische Geschäfte, Drohbriefe im Briefkasten oder blutige Zeichen an den Häuserwänden, um die Menschen zu vertreiben“, erklärt Bischof Anba Damian. Zwar behaupte Staatspräsident Abd al-Fattah as-Sisi, dass die Kopten in Ägypten sicher seien. „In Wirklichkeit haben die Christen im Land aber keinen Schutz, keine Würde und keine Rechte“, spielt der Bischof auf die islamische Verfassung an, die Christen benachteiligt. Der Terror habe unter dem Militärregime „ein unverschämtes Maß angenommen“.

 

Wunsch nach mehr Solidarität deutscher Christen

 

„Die Menschen in Münster sind erschöpft“, sagt Pater Sorial. „Sie rufen nach Hilfe, sie leiden unter Unruhe, Depressionen, Verzweiflung.“ Die Kirche versuche, die Sorgen und Nöte zu lindern. Pater Sorial macht keinen Hehl daraus, dass er sich in Anbetracht der vielen Probleme auch hilflos fühlt.

„Wir brauchen das Mitleiden und die Solidarität der anderen Christen“, sagt Girgis, der als Sozialarbeiter die persönliche Situation vieler seiner Glaubensgeschwister kennt. „Wir wollen keine finanziellen Almosen. Die Menschen möchten arbeiten und genauso wie die Syrer als Flüchtlinge anerkannt werden.“ Nur so hätten Arbeitgeber die Chance, Kopten einzustellen, zeigt er auf einen geduldeten Ingenieur, dessen Arbeitserlaubnis nach zwei Monaten ausläuft.

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