Hochzeit in beschädigter Laurentiuskirche in Ahrweiler

Beim Helfen nach der Ahr-Flut kam die Liebe – jetzt die Heirat

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Nach der Grundschule trennen sich die Wege von Irena und Michael. Als die Flutkatastrophe 2021 das Ahrtal verwüstet, treffen sich beide wieder und verlieben sich. Nun haben sie geheiratet – unter besonderen kirchlichen Bedingungen.

Ohne die Flutkatastrophe im Ahrtal gäbe es diese Liebe nicht: Irena und Michael gehen in die gleiche Grundschule, aber beim Wechsel auf die weiterführende Schule trennen sich ihre Lebenswege. „Wir wussten, wer wir sind, aber hatten in all den Jahren nie etwas miteinander zu tun“, sagt Irena Klees. Das ändert sich, als das Ahrtal 2021 in einer Jahrhundertflut versinkt, die – an der Ahr und darüber hinaus – insgesamt mehr als 180 Menschen das Leben kostet. Die Katastrophe ändert auch das Leben von Irena und Michael: Heute sind sie verheiratet.

Während Michael nach dem Abitur nach München geht, um Biologie zu studieren, bleibt Irena zu Hause verwurzelt: Sie macht eine Ausbildung zur pharmazeutisch-technischen Assistentin, arbeitet mehrere Jahre in einer Apotheke in Ahrweiler, später in Bonn. Als im Juli 2021 das Hochwasser kommt, trifft es mit voller Wucht auch die Bäckerei ihrer Eltern im Herzen von Ahrweiler. Das Wasser steigt zwei, drei Meter hoch, während die Familie in der elterlichen Wohnung über der Bäckerei eine Nacht lang bangt.

Zurück ins Ahrtal?

Bei Aufräumarbeiten und Wiederaufbau helfen Unzählige. Auch Michael Klees kommt jedes Wochenende – inzwischen aus dem nordrhein-westfälischen Düren. Das Erdgeschoss im Haus seines Bruders ist „komplett abgesoffen“, berichtet Irena Klees. Als ihre Familie im Oktober in der inzwischen entkernten Bäckerei eine Dankeschön-Party für alle Helferinnen und Helfer ausrichtet, kommt Michael vorbei.

„Er schrieb mir am nächsten Tag bei Facebook, ob wir uns nicht mal treffen wollen.“ Das tun sie, Liebe entwickelt sich, irgendwann fahren sie gemeinsam in den Urlaub. Allerdings: Ganz so einfach ist es nicht, die Lebensentwürfe überein zu bringen. Während Irena eine Familie gründen will, hat Michael den Fokus auf seiner beruflichen Entwicklung. Und soll er wirklich zurückziehen ins Ahrtal?

Hochzeitskirche als Baustelle

Irena kauft zunächst allein ein sogenanntes Fluthaus in Ahrweiler, das ein älteres Ehepaar nicht mehr sanieren will. Michael entscheidet sich, mit einzusteigen. 2022 kündigt sich der erste Nachwuchs für das heute 31-jährige Paar an. „Das war so nicht geplant, wir wollten eigentlich erst das Haus sanieren“, sagt Irena Klees. „Aber ich habe das Gefühl, der liebe Gott hat eigene Pläne.“ Die beiden entschließen sich, zu heiraten: Am 20. April 2023 lassen sie sich standesamtlich trauen, ein Jahr später kirchlich.

In der vom Hochwasser beschädigten Laurentiuskirche in Ahrweiler ist längst nicht alles perfekt: Staubiger Lehmboden blieb nach dem Herausreißen des überfluteten Bodens zurück. Die Heiligenfiguren sind bis heute aus konservatorischen Gründen in Kunststofffolie gehüllt, in den Seitenschiffen stehen Bautrockner, liegen Schubkarren und Werkzeug. Der Putz ist gut einen Meter hoch von den Wänden geschlagen. Die Stühle sind aus Restbeständen nach der Flut in der Gemeinde zusammengesucht. Zwischen den immer noch feuchten Säulen hängt zum Schutz Absperrband. Der Organist spielt auf einer tragbaren Heimorgel, die an einer Kabeltrommel hängt.

Die einzige Hochzeit während der Sanierung?

Aber dem Brautpaar geht es nicht um äußeren Schein. „Die Kirche und Ahrweiler bedeuten mir fast alles“, sagt Irena Klees. Sie sei dort getauft worden, habe ihre Erstkommunion und Firmung gefeiert. „Es war mir immer klar, dass ich hier heiraten muss“, sagt die 31-Jährige. Sie war als Jugendliche Messdienerin und ist heute im lokalen Team der Pfarrei aktiv.

120 Gäste kommen zur Trauung in die Laurentiuskirche, die noch immer Baustelle ist. Rot-weißes Flatterband trennt Bereiche ab, statt über Fliesen laufen die Gäste teils über sandigen Boden. Irena und Michael haben mit ihrer Hochzeit einen Handwerkerwechsel abgepasst, sonst wäre die Trauung gar nicht möglich gewesen.

Bis Januar fanden noch regelmäßig Gottesdienste statt, seitdem wird renoviert. Wie Pfarrer Jörg Meyrer berichtet, war es die erste Trauung seit der Flut. Vermutlich wird es die einzige bleiben, die im beschädigten Gotteshaus stattfindet.

Malervlies als Teppich

„Es ist schon etwas Besonderes, dass das Brautpaar sagt: Wir nehmen das als Erinnerung mit auf unseren Weg“, so Meyrer. Gleichzeitig eröffne die Trauung in Baustellen-Atmosphäre auch einen Blick auf das, was man feiere: „Die Ehe kann auch Baustelle sein, sie kostet Mühe und ist nicht immer nur Hochzeit.“

Michael und Irena haben das Unperfekte der Kirche am Tag der Trauung allerdings ziemlich ausgeblendet: „Dabei geholfen haben eine wunderschöne Blumendekoration und ein Teppich“, sagt Irena Klees. Der Teppich war ein Malervlies.

Pfarrer Meyrer mag keine Prognose abgeben, wann die Kirche fertig saniert sein wird. „Ich denke, Weihnachten oder Ostern, das Jahr kann ich Ihnen aber nicht sagen.“ Bei den Klees' hat sich derweil weiterer Nachwuchs angekündigt: Im September erwartet das Paar ein Geschwisterchen für den Sohn. „Es ging alles schnell und hopplahopp, aber wir sind glücklich und zufrieden“, sagt Irena Klees.

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