Emeritierter Papst warnt vor „selbst gemachter“ Kirche als Lösung

Benedikt XVI.: Missbrauchskrise durch Zusammenbruch der Moral

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Papst emeritus Benedikt XVI. hat sich in einem Artikel zu den Gründen für die Missbrauchskrise und die Krise der Kirche allgemein geäußert. Was verheiratete Pastoralreferenten und die Sonntagsmesse damit zu tun haben.

Papst emeritus Benedikt XVI. hat sich in einem Artikel zu den Gründen für die Missbrauchskrise und die Krise der Kirche allgemein geäußert. Mit dem Beitrag, den er im „Klerusblatt“ veröffentlichte, wolle er „aus der Rückschau heraus zu einem neuen Aufbruch beitragen“. Das „Klerusblatt“ ist eine Publikation des vor allem in Bayern tätigen „Klerusverbands e.V.“. Der Artikel ist im Internet von „CNA Deutsch“ publiziert.

„Die Sache“, schreibt Benedikt XVI., beginne mit der sexuellen Revolution der 1968er Jahre. Dazu gehöre eine „völlige sexuelle Freiheit, die keine Normen mehr zuließ“. Der emeritierte Papst nennt Aufklärungsfilme der Bundesregierung und „Sexkoffer“ in Österreich. In Flugzeugen, so Benedikt XVI., sei damals „kein Sexfilm mehr zugelassen“ worden, weil unter den Passagieren Gewalttätigkeit ausgebrochen sei. „Auswüchse im Bereich der Kleidung“ hätten Aggressionen in Schulen hervorgerufen.

 

„Die Kirche wurde wehrlos“

 

Zur selben Zeit sei ein „Zusammenbruch der katholischen Moraltheologie“ zu beklagen, „der die Kirche wehrlos gegenüber den Vorgängen in der Gesellschaft machte“. Es habe sich die These durchgesetzt, dass Moral allein von den Zwecken des menschlichen Handelns her zu bestimmen sei. Der Gedanke vom Zweck, der die Mittel heiligt, und ein Relativismus der Werte seien bestimmend geworden.

Benedikt XVI. erinnert zudem an die „Kölner Erklärung“ 1989, die er als „dramatische Form“ dieser Entwicklung bezeichnet. Darin hätten 15 Bonner Professoren „die verschiedenen Krisenpunkte“ im Verhältnis zwischen kirchlichem Lehramt und wissenschaftlicher Theologie benannt.

 

Schwulen-Clubs im Priesterseminar

 

In der Moraltheologie habe sich weithin die These durchgesetzt, das kirchliche Lehramt könne nur in Glaubensfragen unfehlbar entscheiden, nicht aber in Fragen der Moral. Darin werde sichtbar, „wie grundsätzlich die Autorität der Kirche in Sachen Moral zur Frage steht“, klagt Benedikt XVI. „Wer der Kirche in diesem Bereich eine letzte Lehrkompetenz abspricht, zwingt sie zu einem Schweigen gerade da, wo es sich um die Grenze zwischen Wahrheit und Lüge handelt.“

Diese Entwicklung sieht der emeritierte Papst als „lang vorbereitet und im Gang befindlich“. Auch in den Priesterseminaren habe sie sich niedergeschlagen. Benedikt XVI. nennt die Bildung „homosexueller Clubs“ und die Tatsache, dass bei den Mahlzeiten im Priesterseminar auch „verheiratete Pastoralreferenten zum Teil mit Frau und Kind und vereinzelt Pastoralreferenten mit ihren Freundinnen“ gewesen seien. Dieses Klima im Seminar habe die Vorbereitung auf den Priesterberuf „nicht unterstützen“ können.

 

Warum sich Rom schwer tat

 

Als das Problem der Pädophilie unter Priestern, „soweit ich mich erinnere“, in der zweiten Hälfte der 1980er Jahren „brennend“ geworden sei, sei es zunächst schwierig gewesen, betroffenen Geistlichen mit kirchenrechtlich greifenden Strafen beizukommen; auch hätten sich „Rom und die römischen Kanonisten zunächst schwer getan“. Ihre Meinung, eine zeitweilige Suspendierung müsse genügen, hätten etwa die amerikanischen Bischöfe nicht teilen können. Erst die Zuordnung dieser Fälle von der Kleruskongregation an die von ihm selber als Präfekt geleitete Glaubenskongregation habe die Möglichkeit der Höchststrafe, den Ausschluss aus dem Klerus, ermöglicht.

Der Grund dafür, dass Pädophilie ein solches Ausmaß erreichen konnte, liege „im Letzten in der Abwesenheit Gottes“. Kein Ausweg aus der Krise sei es, eine andere Kirche zu schaffen. „Dieses Experiment ist bereits gemacht worden und bereits gescheitert.“ Notwendig sei vielmehr, sich gegen das Böse auf die Liebe Gottes einzulassen.

Zudem fordert Benedikt XVI. mehr Ehrfurcht vor der Eucharistie. Deren Feier könne „nur Sorge erwecken“, weil der derzeitige Umgang „die Größe des Geheimnisses zerstört“. Die mangelnde Teilnahme an der Sonntagsmesse zeige, „wie wenig wir Christen von heute noch die Größe der Gabe einzuschätzen vermögen“.

 

Mangelnde Ehrfurcht vor der Eucharistie

 

Benedikt XVI. erinnert sich an ein Gespräch mit einer Frau, die als Ministrantin von einem Priester missbraucht worden sei. Dieser habe die Gewalttat stets eingeleitet mit den Worten, die während der Wandlung in der Messe gesprochen werden: „Das ist mein Leib, der für dich hingegeben wird.“ Es sei offenkundig, dass diese Frau die Wandlungsworte fortan nicht mehr hören könne, ohne die Qual des Missbrauchs zu spüren. Es sei notwendig, „den Herrn dringend um Vergebung anzuflehen“. Zudem müsse alles getan werden, „um das Geschenk der heiligen Eucharistie vor Missbrauch zu schützen“.

Darüber hinaus beklagt der emeritierte Papst, die Kirche werde „nur noch als eine Art von politischem Apparat“ betrachtet – auch von Bischöfen. „Die Krise, die durch die vielen Fälle von Missbrauch durch Priester verursacht wurde, drängt dazu, die Kirche geradezu als etwas Missratenes anzusehen, das wir nun gründlich selbst neu in die Hand nehmen und neu gestalten müssen“. Dies sei jedoch „ein Vorschlag des Teufels“. Eine selbst gemachte Kirche könne „keine Hoffnung sein“. Zwar gebe es Sünde in der Kirche, „aber es gibt auch heute die heilige Kirche, die unzerstörbar ist“.

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