Ländliche Familienberatung im Bistum Münster

Beraterin für Landwirte: Dürre ist nicht das Hauptproblem

Die derzeitige Dürre stellt Landwirte in Deutschland vor Probleme. Doch um finanzielle Entschädigung allein geht es nicht, sagt die Geschäftsführerin der Ländlichen Familienberatung im Bistum Münster, Irmgard Hüppe.

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Die derzeitige Dürre stellt Landwirte in Deutschland vor Probleme. Doch um finanzielle Entschädigung allein geht es nicht, sagt die Geschäftsführerin der Ländlichen Familienberatung im Bistum Münster, Irmgard Hüppe.

Frau Hüppe, die Krisenmeldungen aus der Landwirtschaft häufen sich angesichts der Dürre. Was bedeutet das für Ihre Arbeit in der Ländlichen Familienberatung im Bistum Münster?

Wir sind kein Sorgentelefon, bei dem Landwirte aktuell ihre Probleme und Sorgen loswerden. Unsere Aufgabe ist eine systemische Familienberatung, die viel langfristiger denkt: Es geht um Generationen-, Ehe- und Familienkonflikte, Fragen der Hofübergabe aber auch um Handlungsmöglichkeiten der Höfe im Strukturwandel und wirtschaftliche Nöte.

Der Deutsche Bauernverband fordert Finanzhilfen wegen der Ernteausfälle, um Betriebe vor dem Konkurs zu retten. Wie sehen Sie das?

Natürlich beschäftigt das viele Bauern; aber das Wort Ausgleichszahlungen habe ich in den vergangenen Wochen selten gehört. Es geht um viel mehr. Ich habe gerade mit einem Landwirt gesprochen, der ganz verzweifelt war. Aber er hat gar nicht von Finanzhilfen geredet. Sondern davon, dass hohe gesellschaftliche Erwartungen auf der Landwirtschaft lasten. Die Bauern werden gesellschaftlich für den Klimawandel mit verantwortlich gemacht. Und es wird von außen erwartet, dass sie angemessen reagieren und sich darauf mit ihrer Produktion einstellen. Der permanente Rechtfertigungsdruck - in der Gesellschaft allgemein, aber auch in den Dörfern vor Ort - macht vielen Bauern sehr zu schaffen.

Das heißt, die aktuelle Dürrephase führt bei Ihnen nicht zu mehr Anrufen?

Die Erfahrungen aus vorangegangenen Krisen wie der Milchkrise im vergangenen Jahr zeigen, dass der Gesprächsbedarf später entsteht. Die aktuellen Probleme fordern so viel Kraft und Aufmerksamkeit, dass die bäuerlichen Familien tiefer gehende Fragen wie familiäre Krisen und die langfristige Ausrichtung ihres Betriebs zurückstellen. Sie haben einfach keine Energie dafür.

Nach Zahlen des Statistischen Bundesamts hat sich das Höfesterben in Deutschland verlangsamt, es hält aber an. Wie erleben Ihre Berater das?

Hilfe gibt es unter Telefon 0251/5346349 und unter www.familienberatung-auf-dem-land.de.

Es gibt bei den Landwirten eine große Unsicherheit, wie es weitergeht. Immer wieder gibt es neue Auflagen, die mit teilweise hohen Kosten verbunden sind. Kaum hat man sie erfüllt, geht es in eine andere Richtung. Das macht viele bäuerliche Familien unsicher und müde. Dazu kommen dann etwa die Debatten um das Tierwohl, die gerade sehr viele Bauernfamilien beschäftigen. Die Einbrüche militanter Tierschützer in Ställe haben bei vielen Angst und Bedrohungsgefühle ausgelöst. Der Generalverdacht, dass Bauern Tiere quälen, ist sehr belastend, führt zu Isolation und macht mürbe.

Sie sehen Ihre Aufgabe darin, die landwirtschaftlichen Familien zu stärken und mit ihnen Auswege zu suchen. Welche Konzepte gibt es?

Die wirtschaftliche Situation vieler landwirtschaftlicher Betriebe hat sich dramatisch zugespitzt. Viele Bauern leben von der Substanz oder sind hoch verschuldet. Ein Ende des Strukturwandels ist nicht in Sicht. Für die nächsten zehn Jahre wird ein weiterer Rückgang der Zahl der Haupterwerbsbetriebe prognostiziert. In der Vergangenheit haben viele Landwirte auf Krisen reagiert, indem sie nochmals eine Schippe draufgelegt haben. Doch da stoßen viele Betriebe an ihre Grenzen. Derzeit ist Diversität ein großes Thema: Wie kann ich als Landwirt eine Nische finden, um meine Produkte besser zu vermarkten? Wie das gelingen kann und ob man sich das als Landwirt und als bäuerliche Familie zumuten will, das versuchen wir im Einzelfall zu klären.

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