Warum dieser Bestattungsort nicht „Kolumbarium“ heißen darf

Bestatter in Gehrde vermietet private Urnenfächer

In Gehrde im Landkreis Osnabrück hat ein Bestatter eine private „Urnenaufbewahrungsstätte“ errichtet, nach seinen Angaben die erste und einzige in Niedersachsen. „Kolumbarium“ darf er sie allerdings nicht nennen.

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Annette Lemke öffnet das schwere Eichentor und weist auf den Hof. „Da hinten entsteht die Trauerhalle, daneben bauen wir noch ein Café.“ Seit 1985 betreibt sie mit ihrem Mann die Firma „Bestattungen Lemke“ mit Zentrale im ländlichen Gehrde im Bistum Osnabrück, an der Grenze zum Offizialatsbezirk Oldenburg. Weitere Standorte gibt es unter anderem in Holdorf, Steinfeld, Dinklage, Damme oder Neuenkirchen.

Beerdigungen sind Alltag für Annette und Reinhard Lemke. Seit kurzem gehört dazu auch das Angebot, dessen Flügeltür sie als nächstes öffnet: ein Aufbewahrungshaus für Urnen mit 140 Fächern aus Eichenholz an den Wänden. Einige sind bereits vermietet, weitere in Bau.

Urnen in Eichenfächern mit Glastür

„Gediegen“ beschreibt den Möbelstil ganz gut. In der Mitte des Raums stehen gepolsterte Eichenstühle. Durch ein Sprossenfenster fällt Licht auf eine Blumenschale. Alles erinnert ein wenig an ein Kolumbarium. Die sind im Bistum Münster zum Beispiel in einigen Kirchen entstanden, als kirchliche Aufbewahrungsorte für Urnen, etwa in Rheine oder Datteln.

Das Gebäude, in dem die Urnen aufbewahrt werden.
Das Gebäude, in dem die Urnen aufbewahrt werden. | Foto: Michael Rottmann

„Aber wir hier haben ausdrücklich kein Kolumbarium“, betont Reinhard Lemke. Auch wenn dieser Begriff zunächst hinter der Geschäftsidee des Bestatters stand. So hatte er für das Projekt 2016 zunächst die „Kolumbarium Lemke GmbH“ ins Handelsregister eintragen lassen, im Mai 2018 jedoch umbenannt in „Grüne Oase der Erinnerungen GmbH“. Denn, so erklärt Reinhard Lemke: „Um uns Kolumbarium nennen zu dürfen, bräuchten wir einen Friedhof.“

„Es ist kein Kolumbarium“, betont Reinhard Lemke

Friedhöfe dürfen in Niedersachsen aber ausschließlich in kommunaler oder kirchlicher Trägerschaft betrieben werden. Reinhard Lemke erklärt, warum er dennoch Urnen bei sich lagern kann: „Wir führen sie zunächst in die Schweiz aus. Damit gelten sie nach deutschem Recht als bestattet. Anschließend holen wir sie zurück nach Gehrde und können sie beliebig lange aufbewahren.“

Der Bestatter betont: „Die Urnen bekommen bei uns einen vorübergehenden Platz.“ Zunächst für 12,5 Jahre, so lange beträgt die Mindest-Mietdauer für eines der Urnenfächer mit Glastür und Beleuchtung.

Mindestmietzeit für Urnen beträgt 12,5 Jahre

Die Mietzeit kann beliebig oft verlängert werden. Reinhard Lemke ist 68. Er weiß: Er selbst wird das nicht garantieren können. Deshalb ist er froh, dass seine Tochter mittlerweile in die Firma eingestiegen ist. Zu den Preisen für sein Angebot äußert sich der Bestatter nicht. Nur so viel: „Rechnet man die Kosten für Grab und 30 Jahre Grabpflege dagegen, dann ist es deutlich günstiger.“ In zwei Jahren soll die Anlage fertig sein. Der Name „Grüne Oase der Erinnerungen“ soll sich auch in dem Gelände rund um Urnenhaus, Café und Trauerhalle widerspiegeln. Mit viel Grün, einer parkähnlichen Landschaft, einem Ententeich.

Im Moment müssen sich Angehörige einen Schlüssel abholen, wenn sie zu den Urnen wollen. Auf Dauer sollen sie das Urnenhaus per Chipkarte jederzeit betreten können. „Sicherheit ist wichtig!“, sagt Annette Lemke. „Alles ist videoüberwacht.“

Urnen machen Umweg über die Schweiz

Nach Ablauf der Belegung wird die Asche auf einem Friedhof in der Schweiz bestattet. Bis dahin können Trauernde jederzeit die Urnen ihrer Verstorbenen besuchen. „Sie können die Fächer gestalten, wie sie möchten“, sagt Reinhard Lemke. Mit oder ohne Namen, ganz nach Wunsch.

Beim Steinfelder Pfarrer Christian Wölke stößt gerade diese Möglichkeit zur Anonymität allerdings auf Kritik. „Der Name eines Verstorbenen ist wichtig, zumindest für die Zeit, in der es noch Trauernde gibt, die sich erinnern wollen und können“, sagt er.

Auch Verstorbene aus Oldenburg haben dort einen Platz

Fächer für die Urnen
Die Fächer für die Urnen haben die Möglichkeit, davor Erinnerungsstücke abzustellen. | Foto: Michael Rottmann

Dennoch hat Wölke schon einmal für eine Familie aus seiner Pfarrei eine Aussegnungsfeier auf dem Gelände in Gehrde gestaltet. Auch wenn er sich von dem neuen Angebot nicht unbedingt begeistert zeigt, sagt er: „Wenn jemand diesen Ort für sich wählt, bin ich nicht derjenige, der sagt: Das ist richtig oder falsch“, sagt er.

Neben den kirchlichen Friedhöfen hätten sich mittlerweile eben auch andere, neue Bestattungsorte etabliert, zum Beispiel Friedwälder wie der in Bramsche. „Und wenn Familienangehörige aus meiner Gemeinde mich ausdrücklich um eine Beisetzung an solchen Orten bitten, dann suche ich gemeinsam mit ihnen nach einer Möglichkeit, die mit einer kirchlichen Bestattung vereinbar ist“, sagt der Pfarrer.

Was sagt die katholische Kirche dazu?
Auch Urnen von Verstorbenen aus dem Oldenburger Land haben bereits einen Platz in Gehrde gefunden. Für Domkapitular Rudolf Büscher, Pfarrer von Lohne und Dechant für das Gehrde benachbarte Dekanat Damme, ist so ein privates Angebot ein Zeichen dafür, „dass auch von Katholiken nach einer zukunftsweisenden Alternative gesucht wird, auch ein Kolumbarium für eine vorläufige Bestattung zu haben.“ Er kenne Kirchen, in denen das sehr gut gelöst sei und sehe es auch als Möglichkeit, gegebenenfalls Gotteshäuser zu erhalten. Bedarf für ein Kolumbarium gebe es anscheinend. „Warum sollten im Oldenburger Land die Wünsche der Menschen anders sein als nebenan im Bistum Osnabrück?“
Mit Blick auf das Angebot in Gehrde sagte er: „Falls ein Katholik dort eine Beisetzung oder Urneneinstellung wünscht, sollte ein Priester oder Diakon auf jeden Fall für eine kirchliche Feier zur Verfügung stehen.“
Die dort vorgesehene Mindest-Aufbewahrungsdauer von 12,5 Jahren vor einer endgültigen Beisetzung in der Schweiz sieht Büscher indes mit großer Skepsis. „Sie ist nach meiner Ansicht deutlich zu kurz und entspricht nicht unserer Ordnung für Ruhezeiten. Man nimmt zudem damit den Trauernden die Möglichkeit, noch einmal an ein Grab zu gehen.“

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