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Das im Erzbistum Köln veröffentlichte Missbrauchsgutachten stößt auf Kritik des Betroffenenbeirates bei der Deutschen Bischofskonferenz. Es lasse den Blick der Betroffenen sowie die systemischen Ursachen für mangelhafte Aufarbeitung unberücksichtigt. Dies nähre Zweifel am Willen zur echten Aufarbeitung.
Das im Erzbistum Köln veröffentlichte Missbrauchsgutachten stößt auf Kritik des Betroffenenbeirates bei der Deutschen Bischofskonferenz. Es lasse den Blick der Betroffenen sowie die systemischen Ursachen für mangelhafte Aufarbeitung unberücksichtigt, heißt es in einer Stellungnahme.
„Es fehlt der interdisziplinäre Ansatz, weshalb das Gutachten nur ein Teil der Aufarbeitung sein kann, ja darf.“ Inhaltliche wie personelle Konsequenzen, die allein auf der Grundlage dieses Gutachtens getroffen werden, griffen zu kurz, so der Beirat.
Kein Mut „zum wirklichen tabulosen Dialog“ mit Opfern
Das von Kardinal Rainer Maria Woelki beauftragte Gutachten der Kanzlei Gercke-Wollschläger war am 18. März der Öffentlichkeit vorgestellt worden. Es weist acht hohen Amtsträgern des Erzbistums 75 Pflichtverletzungen im Umgang mit Missbrauchsfällen nach. Ein zuvor in Auftrag gegebenes Gutachten der Kanzlei Westpfahl-Spilker-Wastl (WSW) hatte Woelki wegen methodischer Mängel nicht veröffentlicht. Es kann beim Erzbistum Köln unter Auflagen eingesehen werden.
Der Ausschluss von Betroffenen zeige, dass der Kirche oft noch der Mut „zum wirklichen tabulosen Dialog“ fehle, schreibt der Beirat weiter. Leider wirke auch das zukünftige „Mitnehmen“ der Betroffenen in Köln mehr kosmetisch als systematisch fundiert.
Zweifel am echten Aufarbeitungs-Willen
Die Beschränkung des Gercke-Gutachtens auf eine rein strafrechtliche Betrachtung lasse Zweifel am kirchlichen Willen zu einer umfassenden und grundlegenden Aufarbeitung aufkommen. Die Ausblendung systemischer Ursachen wie Sexualmoral, Zölibat, Klerikalismus, Männerbündigkeit oder fehlender Partizipation von Frauen stehe im Gegensatz zur Herangehensweise anderer Untersuchungen.
Das WSW-Gutachten benenne dagegen klar missbrauchsbegünstigende Aspekte und spreche deutliche Reform-Empfehlungen aus. „Aus einer grundsätzlichen Verweigerungshaltung gegenüber Reformen oder gar Furcht vor solchen ein unliebsames Gutachten zurückzuhalten und auf diese Weise einen Wandlungsprozess, der nicht zuletzt im Synodalen Weg jetzt eine klare Ausgestaltung findet, zu bremsen, ist grob fahrlässig“, kritisiert der Beirat.
Problem nicht nur in Köln
Die Probleme beschränkten sich jedoch nicht auf das Erzbistum Köln. „Auch in anderen Bistümern können wir bis heute noch keine breite Bereitschaft erkennen, Verantwortung für die Auswirkungen auf das heutige Leben der betroffenen Kinder und Jugendlichen und erwachsenen Schutzbefohlenen zu übernehmen.“ Notwendig sei etwa, den rechtlichen Schutz der Betroffenen zu verbessern und neue kirchenrechtliche Straftatbestände einzuführen, die den zutage getretenen Realitäten entsprächen.