Steuerzahler können zwischen verschiedenen sozialen Zwecken wählen

Bewusste Wahl: Spanier zahlen der Kirche mehr Steuern als je zuvor

  • In Spanien können Steuerpflichtige entscheiden, ob sie 0,7 Prozent der Steuerschuld der Kirche oder anderen sozialen Zwecken zufließen lassen.
  • Im Steuerjahr 2021 erhielt die Kirche mehr Geld als je zuvor.
  • 8,5 Millionen Menschen zahlten 320 Millionen Euro.

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„8,5 Millionen Mal Dankeschön“ – mit dieser Werbeoffensive dankt die Bischofskonferenz jenen 8,5 Millionen Spaniern, die der katholischen Kirche einen Geldsegen durch Steuereinnahmen beschert haben. 320 Millionen Euro sind so in die Kassen gespült worden, ein Rekord.

Möglich macht das ein Steuersystem, das nicht so funktioniert wie etwa das deutsche. Statt eine feste Kirchensteuer zu zahlen, können Steuerpflichtige entscheiden, ob sie 0,7 Prozent der Steuerschuld der Kirche oder anderen sozialen Zwecken zufließen lassen. Dafür kreuzt man bei der Steuererklärung das Kästchen seiner Wahl an. Die Abgabe ist verpflichtend.

Kirche investiert in PR-Maßnahmen

Nun sind Zahlen für das Steuerjahr 2021 veröffentlicht: Knapp jeder Dritte setzte sein Kreuz bei der Kirche und steuerte im Schnitt 37,73 Euro bei. Besondere Zuwächse gab es in den Regionen Andalusien, Valencia, Madrid und Kastilien / La Mancha.

Mit dem Dank der Bischöfe für die Rekordsumme klopfen sie sich quasi selbst auf die Schulter. Denn im Vorfeld der Abgabe der Steuererklärungen investiert die spanische Kirche in PR-Maßnahmen, damit Menschen ihr Kreuz bei der Kirche machen. Die Kampagnen umfassen ganzseitige Zeitungsanzeigen, Radio- und Fernsehspots. Mit Blick auf junge Leute werden inzwischen die sozialen Medien einbezogen.

„Anstieg der Solidarität“

Die Videos und Botschaften setzten zuletzt auf personalisierte Aussagen wie die eines gewissen Tino: „Mein Pfarrer hat mich aus der Drogenhölle gerettet. Seit sieben Jahren konsumiere ich nicht mehr.“ Eine gewisse Erica lässt wissen: „Dank der Kirche bin ich eine starke, mutigere Frau geworden.“ Ob es sich um reale Personen handelte oder nicht – die PR-Strategie zahlte sich aus: 84.201 Steuerzahler mehr als 2020 entschieden sich, ihr Geld der Kirche zu geben.

Als „Anstieg der Solidarität“ wertet dies Fernando Gimenez Barriocanal, Finanzexperte der Bischofskonferenz. Es ermögliche der Kirche, in einem wirtschaftlich schwierigen Umfeld wachsenden sozialen Problemen entgegenzutreten.

Trotz der Missbrauchsfälle

Angesprochen auf Skandale wie Missbrauch, der auch in Spanien das Image des Klerus beschädigt, antwortete Gimenez, in der Kirche gebe es „Licht und Schatten“, jede und jeder könne sich eine eigene Meinung bilden. Er hob die „immense soziale und begleitende Arbeit“ der Kirche hervor.

Seit den Zahlen für das Steuerjahr 2021 hat sich auch in Spanien die Lage durch hohe Inflation verschärft. Die Kirche ist einer der wichtigsten Akteure im Land, um Notlagen abzufedern: Einen Sozialstaat wie in Deutschland gibt es nicht, ein gleichwertiges Kindergeldsystem etwa fehlt. Da gibt der Geldsegen der Kirche Spielraum.

Die Steuereinnahmen machen laut Gimenez 22 Prozent der Finanzierung der Bistümer aus. Weitere Einkünfte gibt es aus Liegenschaften und Kollekten.

Kirche zahlt künftig Steuern für Immobilien
Wie alle gemeinnützigen Einrichtungen in Spanien zahlt künftig auch die katholische Kirche die üblichen Grund- und Liegenschaftssteuern für Gebäude, die nicht für Gottesdienste dienen. Darauf einigten sich Regierung und Bischofskonferenz.

Bislang war die Kirche, die in Spanien tausende Immobilien besitzt, aufgrund einer Vereinbarung von 1976 zwischen Madrid und dem Heiligen Stuhl von diesen Steuern befreit. Um andere Einrichtungen nicht länger zu benachteiligen, willige die Kirche in die Steuerzahlung ein, so die gemeinsame Erklärung.

Demnach entrichtet die Kirche künftig eine rund vierprozentige Steuer auf Immobilien wie Pfarrhäuser, Schulen, Residenzen und nicht für Gottesdienste genutzte Gebäude. Der Vatikan muss der Einigung noch zustimmen, hatte aber bereits im Vorfeld seine Einwilligung erklärt. | KNA

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