BIBEL AM SONNTAG (4. Adventssonntag/C)

Maren Holetzke: Der lang ersehnte Held - ein Hirt

Anzeige

Wir sollten uns immer wieder auf Überraschendes einlassen, um Frieden zu ermöglichen, sagt Maren Holetzke legt die Lesungen dieses Sonntags aus.

Es wird jemand kommen, der herrschen wird, der für Einheit sorgt, der den Frieden bringt. Wenn ich so etwas lese, formen sich Bilder in meinem Kopf. So eine Person muss einige Kompetenzen mitbringen, und wenn ich auf die weltpolitische Lage schaue, dann scheint es mir, dass diese Person noch nicht da ist. Einheit, Sicherheit und Frieden sind für viele Menschen auf dieser Erde noch Traumvorstellungen.

Meine Vorstellungen von einer Person, die den weltumspannenden Frieden bringt, werden durch die Worte des Alten Testaments irritiert. Da steht nichts etwa von einem vorangehenden starken Herrscher, sondern von einem Hirten. Hirten gehen nicht einmal voran. Sie gehen meist hinterher, schauen, dass keines der Tiere sich verläuft oder auf der Strecke bleibt. Sie haben als Hilfsmittel vielleicht einen Hirtenstab und einen oder mehrere Hütehunde.

Denkfehler

Die Lesungen vom 4. Adventssonntag / Lesejahr C zum Hören finden Sie hier.

Möglicherweise ist genau das mein Denkfehler. Wir denken in Mustern, die wir kennen und meinen, dass Frieden nur durch eine mächtige, einflussreiche und „laute“ Person oder Personengruppe erreicht werden kann. Schaut man sich den Hirten und seine Herde aber einmal genauer an, so fällt doch auf, dass sie all das zwar nicht mit sich bringen, aber gerade die Sicherheit und die Einheit im Blick haben, ohne sich dabei selbst in den Vordergrund zu drängen.

In der Lesung des Alten Testaments wird uns genau so jemand versprochen, eine Person ohne großes Ansehen und ohne eine große Streitkraft, dafür aber mit einer anderen Kraft – mit der Kraft Gottes. Von ihm wird zudem gesagt, dass er „der Friede“ sein wird, also der Friede in Person. Wer jedoch genau diese Person ist, das bleibt zunächst unbekannt und auch der Zeitpunkt der Begegnung mit dieser Person bleibt ziemlich vage.

Jesus Christus gibt sich als Opfer hin

In der Lesung aus dem Neuen Testament hat diese Person einen Namen: Jesus Christus. Er richtet sich voll und ganz nach Gottes Willen, und obwohl Opfergaben nicht dem Wohlgefallen Gottes dienen, gibt sich Jesus Christus als Opfer für die Menschen hin. Wiederum wird die eigene menschliche Vorstellung auf den Kopf gestellt. Wie kann denn der lang erwartete Hirte, der Bringer von Sicherheit und Frieden, sich selbst opfern? 

Im Evangelium begegnen sich zwei Frauen, Maria und Elisabet. Beide sind schwanger. Auf den ersten Blick scheint es eine gewöhnliche Situation zu sein und doch steckt viel mehr hinter dieser Begegnung. Elisabet ist bereits älter und hatte nicht mehr daran geglaubt, Mutter zu werden. Maria hingegen ist sehr jung und unverheiratet.

Treffen mit der Mutter Gottes

Beide entsprechen also nicht den gesellschaftlichen Erwartungen. Als sich die beiden Frauen treffen, spürt Elisabet hüpfende Bewegungen ihres Kindes. Das ungeborene Kind erkennt in dem anderen Ungeborenen den angekündigten Messias und auch Elisabet weiß die Kindsbewegungen als Freude über das Treffen mit der Mutter Gottes einzuordnen.

Ein drittes Mal wird die eigene Vorstellung auf den Kopf gestellt. Ein Herrscher, der klein und vollkommen machtlos in diese Welt geboren wird, zudem von einer einfachen jungen Frau. Gottes Geschichte stellt uns immer wieder vor Herausforderungen, irritiert und lässt uns staunen und doch zieht sich etwas durch die Geschichte hindurch. Sie beginnt im Kleinen und zieht von da aus seine Kreise. Der Prophet Micha, der den Herrscher als Hirten aus der kleinen Stadt Betlehem kommen sieht. Jesus Christus, der sich als Einzelner für alle Menschen hingibt, und Maria, die jung und unverheiratet ihr bedingungsloses „Ja“ zu Gottes Plan gibt.

Überraschung

Vielleicht ist das unsere Aufgabe, dass wir uns einlassen und eingehen auf das Unbekannte, uns nicht in festgefahrenen Denkmustern fesseln lassen und öffnen für das Andersartige, das Fremde, das Überraschende. Wenn wir unseren Blick weiten, ihn schweifen lassen und nach links und rechts schauen, vielleicht entdecken wir so auch neue Wege friedvollen Miteinanders und neue Formen der Gottesbegegnung. 

Wie der Hirte, von dem der Prophet Micha erzählt, der in Ruhe die Herde im Blick behält und so den Frieden für seine Herde ermöglicht.

Sämtliche Texte der Lesungen vom 4. Adventssonntag / Lesejahr C finden Sie hier.

Anzeige