FLÜCHTLINGE

„In Abschiebehaft herrscht Verzweiflung“: Bischöfe kritisieren Zustände

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Die Flüchtlingsbischöfe Stefan Heße und Christian Stäblein haben eine Abschiebeinrichtung besucht. Was sie dort erlebten und was sie kritisieren.

Von KNA

Die Flüchtlingsbischöfe der beiden großen Kirchen in Deutschland, Stefan Heße und Christian Stäblein, beklagen die Lage der Menschen in Abschiebungshaft. „In der Einrichtung lag eine bedrückende Stimmung in der Luft. Verzweiflung, Angst, Perspektivlosigkeit“, schilderte der katholische Hamburger Erzbischof Heße nach einem Besuch einer Einrichtung im schleswig-holsteinischen Glückstadt. Stäblein, Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, betonte: „Wir müssen uns vor Augen führen, dass in Hafteinrichtungen wie hier in Glückstadt nicht selten Menschen ihrer Freiheit beraubt werden, die keine Straftat begangen haben.“

Heße sagte, in der aktuellen Asyldebatte gehe es meist um die Verschärfung der Abschiebungsmaßnahmen. „Hinter den Zahlen aber stehen Menschen, die sich in einer äußerst prekären und bedrückenden Lage befinden. Die Beschleunigung von Abschiebungen darf niemals auf Kosten humanitärer und rechtsstaatlicher Prinzipien erfolgen“, so der Vorsitzende der Migrationskommission der Deutschen Bischofskonferenz. Auch für Menschen, denen in Deutschland kein Schutzstatus gewährt werden könne, trage man weiter Verantwortung.

Bischöfe kritisieren Zustände in Abschiebeeinrichtung

In der von den Ländern Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern genutzten Einrichtung in Glückstadt sind aktuell 32 Menschen in Abschiebungshaft, teilen die Bischofskonferenz und die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) mit. Seit Inbetriebnahme der Einrichtung 2021 gebe es immer wieder Kritik an Haftbedingungen. So herrsche anhaltender Personalmangel; mehr als ein halbes Jahr habe keine Sozialberatung stattgefunden. Zudem habe es Hungerstreiks und sogar Suizidversuche gegeben.

Stäblein sagte, es würden „Menschen, die in Deutschland geboren und aufgewachsen sind, in für sie völlig fremde Länder abgeschoben - aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit. Auch wenn das aufenthaltsrechtlich korrekt sein mag, ist es für die Betroffenen sehr hart“. Heße ergänzte: „Die Menschen hier wissen: Ihre Abschiebung steht kurz bevor, einen Ausweg gibt es meist nicht mehr. Das ist eine enorme psychische Belastung.“

Kritik an Abschiebepraxis an Flughäfen

Die Bischöfe informierten sich zudem am Hamburger Flughafen über die Abschiebungspraxis. Im Schnitt finden dort laut Mitteilung pro Tag zehn bis 20 Abschiebungen statt. „Abschiebungen sind hier zwar Alltag - ein Alltag aber, der für niemanden einfach ist. Deshalb ist es wichtig, dass kirchliche Ansprechpartner für alle Personen, die an Abschiebungen beteiligt sind, ein offenes Ohr haben“, so die Bischöfe.

Stäblein kritisierte, „dass Deutschland sich seit 2016 weigert, eine EU-Richtlinie umzusetzen, die eine wirksame Abschiebebeobachtung an allen Flughäfen vorsieht - beispielsweise zum Schutz besonders vulnerabler Personen“. Das sei ein „eklatanter Missstand“.

Heße und Stäblein: Menschenwürde ist zentral

Das Anliegen des Staates, bestehende Ausreisepflichten durchzusetzen, werde von den Kirchen nicht in Frage gestellt. „Allerdings dürfen die Personen, um die es geht, niemals aus dem Blick geraten. Ihre Menschenwürde und ihre Menschenrechte sind unbedingt zu achten“, so Heße und Stäblein. Es sei wichtig, dass der Ablauf der Abschiebungen von unabhängiger Stelle beobachtet werde.

„Als Kirchen versuchen wir, die Menschen auch hier zu begleiten“, fügte Stäblein hinzu. Die Kirchen setzen sich demnach auch am Hamburger Flughafen dafür ein, dass humanitäre Standards gewährleistet werden. Etwa durch die Abschiebebeobachtung des evangelischen Diakonischen Werks, die auf die Einhaltung dieser Standards achtet, wie zum Beispiel Familieneinheit, medizinische Versorgung und den verhältnismäßigen Einsatz von Zwangsmaßnahmen.

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