Der Osnabrücker Bischof über Woelki, Heße und Kirchen-Reformen

Bischof Bode fordert Regeln für Rücktritte und hofft auf Synodalen Weg

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Die deutschen katholischen Bischöfe tagen seit Montag auf ihrer Herbstvollversammlung. Zu besprechen gibt es einiges: Papst Franziskus hat das Rücktrittsangebot von Hamburgs Erzbischof Stefan Heße abgelehnt, eine Entscheidung über die Zukunft des Kölner Kardinals Rainer Maria Woelki steht noch aus. Und der Reformprozess Synodaler Weg trifft auf Gegenwind aus den eigenen Reihen. Über diese Themen sprach der stellvertretende Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz und Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode am Montag mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).

Bischof Bode, ab 30. September kommen die Mitglieder des Synodalen Wegs zum zweiten Mal zu einer Versammlung zusammen. Täuscht der Eindruck oder ist der Reformprozess ins Stocken geraten?

Ganz im Gegenteil. Es wird ziemlich heiß gearbeitet, weil ja in den Foren viele Texte erarbeitet werden mussten, die wir in der anstehenden Synodalversammlung zur ersten Lesung bringen wollen. Meine Sorge ist eher, wie wir das in der Kürze der Zeit bewältigen wollen.

Der Synodale Weg soll zwei Jahren dauern. Muss er in die Verlängerung gehen?

Das könnte ich mir gut vorstellen.

Der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer hat online Alternativen zum Synodalen Weg vorgestellt. Macht der Reformprozess überhaupt noch Sinn, wenn ein Bischof - unterstützt von mehreren Synodalen - derart ausschert?

Jeder Bischof und jeder Synodale hat die Möglichkeit, seine Meinung innerhalb der Synodalversammlung einzugeben. Bischof Voderholzer tut das jetzt auf eine Weise, die ich nicht für sinnvoll halte. Die kommende Versammlung wird zeigen, dass die Bandbreite der Positionen eben sehr unterschiedlich ist. Das wussten wir aber vorher. Die fröhliche Aufbruchsstimmung des ersten Treffens in Frankfurt braucht jetzt die Realität der ganzen Bandbreite an Meinungen. Die müssen ausgesprochen werden.

Am Ende müssen Sie die Bandbreite aber zusammenbinden, damit Beschlüsse entstehen.

Das soll auch geschehen. Trotzdem wird es Minderheitenvoten geben. Diese müssen aber in die Synodalversammlung eingebracht werden. Eine parallele Veranstaltung auf einer Homepage des Bistums Regensburg finde ich nicht gut. Wir werden in der Bischofskonferenz darüber reden müssen.

Apropos Minderheitenvoten - viele Katholikinnen und Katholiken befürchten schon seit Beginn des Prozesses, dass die Bischöfe in ihren Bistümern am Ende sowieso machen, was sie wollen.

Wir bemühen uns um eine Zwei-Drittel-Mehrheit aller Synodaler sowie zusätzlich eine Zwei-Drittel-Mehrheit unter den Bischöfen. Wenn wir das in vielen Punkten schaffen, dann ist eine Menge erreicht in all diesen schweren Fragen. Wir dürfen nicht von vornherein sagen, das geht sowieso nicht. Dann bräuchten wir einen solchen Weg gar nicht anzufangen.

Wie fügt sich der deutsche Synodale Weg ein in den von Papst Franziskus geplanten weltweiten synodalen Weg?

Der deutsche Synodale Weg bleibt eigenständig. Zugleich können wir das von uns Erarbeitete in den globalen Prozess einfließen lassen. Zwischen Oktober und April soll sich die Kirche in Deutschland in den weltweiten Weg einbringen, also noch vor dem Ende unseres Synodalen Wegs.

Leistet die Kirche in Deutschland hier die Vorarbeit für den weltweiten synodalen Prozess?

Nicht die Vorarbeit, aber einen wichtigen Beitrag.

Gibt es eine Kommunikation mit Rom, was die Verknüpfung der beiden Wege angeht?

Darüber hat unser Bischofskonferenz-Vorsitzender Georg Bätzing mit Kardinal Mario Grech, dem Leiter des Synodensekretariats im Vatikan, gesprochen. Eine Begegnung mit dem Präsidium hat aber noch nicht stattgefunden. Ich finde, das sollte geschehen, und ich hoffe, dass der Kardinal auch einmal zu einer Synodalversammlung nach Deutschland kommt. Wir sind immer noch nicht an dem Punkt, dass wir mit Rom wirklich laufend im Gespräch wären. Wir wollen aber nachher nicht einfach nur Ergebnisse abgeben.

Im Bistum Osnabrück gab es in den vergangenen Monaten vier Veranstaltungen zum Synodalen Weg. Was nehmen Sie daraus mit?

Da merke ich natürlich, wie viel Ungeduld da ist und wie sehr man drängt, dass es zu konkreteren Ergebnissen kommt. Ein Beispiel ist die Frage der Verkündigung durch Laien in Messfeiern oder die Frage nach dem Diakonat der Frauen. Ich möchte diese Dinge gerne an den Synodalen Weg rückbinden.

Papst Franziskus hat das Rücktrittsangebot des Hamburger Erzbischofs Stefan Heße zurückgewiesen. Ihm wird Vertuschung von Missbrauchsfällen vorgeworfen, der Vatikan sieht das anders. Müssten für hohe Würdenträger nicht härtere Konsequenzen aus dem Missbrauchsskandal folgen?

Es müsste klare Kriterien geben, wann ein Rücktritt erforderlich ist. Zudem kann nicht sein, dass es nur Rücktritt oder Nicht-Rücktritt gibt. Es gibt ja auch Stufungen von Verantwortung und von Konsequenzen. Wer beurteilt das? Ich habe Erzbischof Heße in seinem Amt hier aus der Nähe erlebt. Er wird jetzt einen Weg nach vorne finden - in aller Demut und in der Auseinandersetzung mit all jenen, die die Papst-Entscheidung ablehnen. Es ist jetzt nicht so, als komme er mit großer Macht und Herrlichkeit wieder. Ganz im Gegenteil.

Verstehen Sie, dass manche Gläubige von der Entscheidung des Papstes frustriert sind? Immerhin weisen externe Gutachter Heße Fehlverhalten im Umgang mit Missbrauchsfällen nach.

Ich kann wirklich verstehen, dass Leute enttäuscht sind. Jetzt hat der Papst aber nach gründlicher Abwägung entschieden - und man muss nach vorne gehen.

Bedeutet die Hamburger Entscheidung nicht schon einen vorweggenommenen Freispruch für den Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki und die Weihbischöfe Dominikus Schwaderlapp und Ansgar Puff? Auch deren Rolle wurden ja von zwei Prüfern des Papstes untersucht, nachdem es im Erzbistum Köln Debatten um die Missbrauchsaufklärung gab.

Das würde ich nicht sagen. Das ist eine andere Situation in Köln - auch mit dem hohen Vertrauensverlust dort.

Finden Sie, Kardinal Woelki müsste seinen Rücktritt anbieten?

Das ist seine ganz persönliche Entscheidung. Darüber möchte ich kein Urteil abgeben.

Gibt es wegen der Debatte um die Kölner Missbrauchsaufarbeitung auch Unmut unter den Gläubigen in Ihrem Bistum?

Wir haben allgemein eine hohe Zahl von Kirchenaustritten. In Bremen treten die Menschen direkt bei der Kirche aus, da erfahren wir meistens die Gründe. Da spielt die Kölner Situation hinein, aber auch die gesamte Missbrauchsaufarbeitung in der katholischen Kirche. Das Thema belastet uns schon mehrere Jahre. Aber ich merke selbst auch, wie komplex die Aufarbeitung ist. Es ist zum Beispiel leicht gesagt, Betroffene einzubeziehen. Für diese Zusammenarbeit und die Benennung unabhängiger Personen durch die Länder müssen aber Ordnungen und juristische Voraussetzungen geschaffen werden. Ich bin so froh, dass unser Bistum im Mai die Universität Osnabrück endlich mit einer Aufarbeitungsstudie beauftragen konnte.

Sie haben 2019 selbst Fehler im Umgang mit einem Missbrauchspriester eingeräumt. Einen Rücktritt lehnten Sie aber ab mit der Begründung, dann in Sachen Aufarbeitung nichts mehr tun zu können. Sehen Sie das heute genauso?

Wie gesagt, gibt es keine Kriterien dafür, wann ein Rücktritt angesagt ist. Und im Bistum genieße ich derzeit eigentlich ein hohes Vertrauen. Das erfahre ich immer wieder bei den Besuchen in den Gemeinden. Daher möchte ich den Weg mit dem Bistum weitergehen. Das könnte sich ändern, wenn die Studie der Universität Dinge zutage förderte, die einen Rücktritt sinnvoll erscheinen ließen. Aber zurzeit sehe ich das nicht.

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