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Nach massiver Kritik an seinem Umgang mit Missbrauchsfällen wendet sich Bischof Felix Genn in einem Offenen Brief an die Katholiken im Bistum Münster. Darin räumt er persönliche Fehler ein, für die er um Entschuldigung bittet.
Nach massiver Kritik an seinem Umgang mit Missbrauchsfällen wendet sich Bischof Felix Genn in einem Offenen Brief an die Katholiken im Bistum Münster. In dem am Freitag veröffentlichten Schreiben räumt er mit Blick auf zwei konkrete Sachverhalte persönliche und strukturelle Fehler ein, für die er um Entschuldigung bittet. Zudem kündigt der Bischof Verbesserungen in der Information und Kommunikation an.
Im ersten Fall geht es um einen Priester des Erzbistums Köln, der trotz zweifacher Verurteilung wegen Missbrauchs von Minderjährigen im Bistum Münster und danach als Ruhestandsgeistlicher im Bistum Essen tätig war. Damals war Genn Bischof des Ruhrbistums. Dass dieser Geistliche seelsorglich tätig blieb, obwohl seine Missbrauchstaten bekannt waren, nennt Genn einen „verheerenden Fehler“: „Mich erschreckt im Rückblick die damals fehlende Einsicht, dass ein Priester grundsätzlich nicht mehr seelsorglich eingesetzt werden darf, wenn er sich solcher Verbrechen schuldig macht.“
Genn: Ich bitte um Entschuldigung
Genn betont zugleich, dass er sich frage: „Warum habe ich diesen Fall in all den Jahren in Essen nicht wahrgenommen? Welche Schwächen und Fehler gibt es in unserem ‚System‘, dass ein Bischof nicht weiß, wenn ein Priester mit einer solchen Vorgeschichte in einer Gemeinde tätig ist?“
Auf diese Fragen habe er keine einfachen Antworten, räumt Genn ein. „Ich weiß nur, dass ich als Bischof von Essen damals Verantwortung trug und deshalb alle um Entschuldigung bitte, die sich jetzt hintergangen oder betrogen fühlen.“ Das gelte besonders für diejenigen, die von dem Priester missbraucht wurden.
Genn: Es fehlte an Deutlichkeit
Der zweite Fall betrifft einen Priester des Bistums Münster, dem der Missbrauch zweier Mädchen vorgeworfen wird. Genn erklärt, davon gewusst zu haben, seit sich eines der Opfer 2010 ans Bistum Münster gewandt habe. Die Frau habe jedoch ausdrücklich verlangt, dass der Sachverhalt nicht öffentlich gemacht und die Staatsanwaltschaft nicht eingeschaltet wird. Dem sei das Bistum nachgekommen, habe den Sachverhalt jedoch an die vatikanische Glaubenskongregation gemeldet. Anschließend sei der Geistliche emeritiert worden. In einem Dekret sei dem Priester zudem seelsorgliche und priesterliche Tätigkeit nur in einem zugewiesenen Bereich gestattet worden. Gottesdienste zu feiern, sei ihm nur in Ausnahmen erlaubt worden und wenn nicht mit einer großen Öffentlichkeit zu rechnen sei.
Genn bekennt, dieses Verbot der Zelebration hätte er „sehr viel deutlicher formulieren“ müssen. Zudem hätte er den Ortspfarrer, das Seelsorgeteam und die verantwortlichen Gremienmitglieder in Wadersloh, wo der betreffende Geistliche tätig war, „umfassend informieren“ müssen. Auch wenn dem der Wunsch der Betroffenen, die Öffentlichkeit nicht zu informieren, möglicherweise Grenzen gesetzt hätte, wäre es wichtig gewesen, Wege der Information zu suchen.
„Alle priesterlichen Dienste müssen ihnen untersagt werden“
Der Bischof gesteht, es sei sein Fehler gewesen, ernstzunehmenden Hinweisen, dass der Priester das Verbot missachte, nicht konsequent genug nachgegangen zu sein. „Das habe ich zu verantworten“, schreibt Genn. „Zukünftig werden wir hier klarere Regelungen finden.“ Er werde zudem prüfen lassen, ob weitergehende Strafen wie deutliche Gehaltskürzungen oder andere Auflagen angezeigt sind.
Priester, die Kinder oder Jugendliche missbraucht haben, dürften nicht mehr in der Seelsorge eingesetzt werden, betont Genn. „Alle priesterlichen Dienste müssen ihnen untersagt werden. Das ist die Leitschnur, für die ich stehe und die ich umsetzen werde.“
„Berichterstattung ist wichtig“
Genn äußerte Verständnis für „viel Unverständnis, Wut und Verärgerungen über die ausgebliebene Kommunikation“. Die Berichterstattung in den Medien sei „letztlich ein wichtiges Zeichen“, auch wenn sie schmerzhaft ist. „Denn die Berichterstattung zeigt: Vieles kommt deshalb jetzt ans Licht, weil Betroffene uns und mich offen mit unserer Verantwortung konfrontieren, weil wir uns diesem Thema bewusster stellen, die Vergangenheit extern und unabhängig aufarbeiten lassen und Kritik annehmen.“ Transparenz dürfe „selbstverständlich“ auch vor seiner Person nicht Halt machen.
Der Bischof kündigt an, dass künftig bei Informationsveranstaltungen zu Missbrauchsfällen in den Gemeinden immer ein Vertreter der Bistumsleitung, „also ich selbst, der Generalvikar oder einer der Weihbischöfe“ teilnehmen werde. Am Donnerstag hatte Genn dem WDR gesagt, er werde sich in der kommenden Woche einem Gespräch mit den Pfarreigremien in Wadersloh (Kreis Warendorf) stellen.