Schweres Versagen der Kirche müsse anerkannt werden

Bischof Overbeck: Betroffene nach Erklärung Benedikts XVI. enttäuscht

  • Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck hat sich nach der Erklärung von Benedikt XVI. zu Missbrauch skeptisch geäußert.
  • Besorgt habe er wahrgenommen, dass Betroffene enttäuscht oder gar entrüstet auf die Äußerungen reagiert haben.
  • Die Betroffenen sollten ein großes Gewicht bei der Aufarbeitung des Missbrauchsskandals haben.

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Der Essener katholische Bischof Franz-Josef Overbeck hat sich nach der neuen Erklärung des emeritierten Papstes Benedikt XVI. zu Missbrauch skeptisch geäußert. Er befürchte, dass die Worte „den Betroffenen in ihrem Aufarbeitungsprozess wenig weiterhelfen“, sagte der Ruhrbischof am Dienstagabend auf Anfrage der katholischen Wochenzeitung „Neues Ruhrwort“.

Besorgt nehme er wahr, so Overbeck weiter, „dass Betroffene sexueller Gewalt in ihren Rückmeldungen an unseren Interventionsbeauftragten enttäuscht und teilweise auch entrüstet auf die Äußerungen des früheren Papstes zu seiner Zeit als Erzbischof von München und Freising reagiert haben“. Das mache ihn äußerst nachdenklich, denn die Sicht der Betroffenen „sollte bei der Aufklärung des Missbrauchsskandals in der katholischen Kirche ein großes Gewicht haben“.

Schweres institutionelles Versagen

Umso wichtiger sei es jetzt, „dass wir, die wir heute in der katholischen Kirche Verantwortung tragen, unmissverständlich zu dem schweren institutionellen Versagen stehen, das in der Kirche so viel Leid verursacht hat“, ergänzte der Bischof. „Wir werden weiterhin mit großer Anstrengung versuchen, alles zu tun, um aus diesem Versagen die notwendigen Konsequenzen zu ziehen, damit die katholische Kirche ein Ort sein kann, an dem sich alle Menschen, die es möchten, geschützt, sicher und heimisch fühlen können.“

Am Dienstag hatte Benedikt XVI. persönlich zu dem am 20. Januar vorgestellten Gutachten über Missbrauch im Erzbistum München-Freising Stellung genommen und eine Mitschuld der kirchlichen Verantwortlichen eingeräumt. In einem zweieinhalbseitigen Brief äußerte er „tiefe Scham“ und eine „aufrichtige Bitte um Entschuldigung gegenüber allen Opfern sexuellen Missbrauchs“.

Betroffene enttäuscht von Benedikt XVI.

Zugleich wehrte er sich gegen den Vorwurf, als Münchner Erzbischof Joseph Ratzinger (1977-1982) Missbrauchsfälle vertuscht zu haben. Auch habe er in seiner ersten Einlassung zu dem Gutachten weder getäuscht noch gelogen.

Betroffene von Missbrauch reagierten überwiegend enttäuscht auf die Erklärung. Als „wirklich unsäglich“ und wenig empathisch bezeichnete sie der Sprecher des Münchner Betroffenenbeirats, Richard Kick. Die Theologin Doris Reisinger kritisierte den Brief als „bodenlose Verhöhnung der Betroffenen“. Die Betroffenenorganisation „Eckiger Tisch“ nannte die Erklärung einen weiteren Beleg für die „permanenten Relativierungen der Kirche in Sachen Missbrauch“.

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