Für Michael Schürmann zum Beispiel ist das Open-Library-Konzept ganz klar ein Schritt in die Zukunft. Der Diplom-Bibliothekar leitet die Bücherei der Vredener Pfarrei St. Georg. Die Bibliothek in der 23.000 Einwohner zählenden Stadt im Westmünsterland war vor vier Jahren die erste katholische Pfarrbücherei in Deutschland, die Öffnungszeiten ohne Personal einführte, zusätzlich.
„Ich kann nur jede Bücherei bestärken, diesen Weg zu gehen“, sagt Michael Schürmann heute. Dass es sich lohnt, das kann er auch an Zahlen ablesen. Zählte die Bücherei während der Open-Library-Zeiten 2023 noch rund 5.900 Besuche, stieg die Zahl 2024 auf 7.500. Etwa jedes vierte Buch wird in Vreden mittlerweile in Zeiten ohne Personal ausgeliehen.
Wichtiges Angebot für Berufstätige
Wie groß der Wunsch nach einer Ausweitung der Öffnungszeiten war, hatte sich der Büchereileiter schon ein paar Jahre zuvor nach einer Generalsanierung des Gebäudes anhören müssen: „Alles wunderbare, schöne, helle neue Räume – aber die Öffnungszeiten passen so gar nicht zu unserem Lebensrhythmus“, so hieße es. Besonders von Berufstätigen.
Damals hielt das Team mit etwas mehr als zwei Stellen für Hauptamtliche und 13 Ehrenamtlichen die Bücherei rund 28 Stunden die Woche für die Ausleihe geöffnet, dienstags bis samstags. Heute – vier Jahre später – sind es rund 80 Stunden. Künftig an 365 Tagen im Jahr.
Michael Schürmann überzeugte die Verantwortlichen
Die Umstellung hat die Bücherei vor allen Dingen Michael Schürmann zu verdanken. Weil er die Kritik an fehlenden Öffnungszeiten als Auftrag nahm und dabei auf das System stieß, mit dem die Bücherei zeitweise völlig ohne Personal geöffnet sein kann.
Und weil er die Verantwortlichen der Pfarrei und der Stadt davon überzeugen konnte. „Open Libraries waren damals noch eher ein Thema von Großstadtbüchereien“, erinnert sich der Leiter. „Hamburg ist nicht Vreden“, lautete damals eines der Gegenargumente.
Für die Umstellung sind Investitionen nötig
Dennoch wagten die Verantwortlichen den Schritt, als erste katholische Pfarrbücherei in Deutschland. Ein Vorteil in Vreden: Die Bücherei war damals schon auf das funkbasierte Erfassungssystem für die Medien umgestellt. Dennoch waren weitere Investitionen notwendig. Schlösser an den Fenstern zum Beispiel oder Überwachungskameras – um Vandalismus oder Diebstahl zu verhindern.
Für ein vergleichbares System haben sich mittlerweile noch weitere Pfarrbücherei im Bistum Münster entschieden: in St. Felizitas Lüdinghausen läuft eine Testphase und St. Gertrud Lohne sowie St. Andreas Cloppenburg bereiten sich auf die Einführung vor.
Lohne bereitet sich auf die Open Library vor
Die St.-Gertrud-Pfarrei in Lohne (Kreis Vechta) zum Beispiel hat gerade das Richtfest eines neuen Begegnungszentrums gefeiert. In das soll auch die Bibliothek bald umziehen.
Bereits bei der Planung des Neubaus wurden die Erfordernisse des Open-Library-Konzepts berücksichtigt. Kalkulation und Ausschreibung der Technik sind noch nicht abgeschlossen, Pfarrei-Verwaltungsleiter Rainer Meyer geht von einer Investition „im hohen fünfstelligen Bereich“ für die Umsetzung aus.
Ehrenamtliche werden weiter benötigt
„Wenn es nach mir geht, haben wir künftig täglich von 8 bis 20 Uhr geöffnet“, sagt Büchereileiterin Jessica Thöle, die die Bücherei gemeinsam mit zwei weiteren Hauptamtlichen und einem Team von 30 Ehrenamtlichen führt. Damit würde sich die Öffnungszeit mehr als verdreifachen.
Auch nach dem neuen System würden Ehrenamtliche weiter benötigt. Wenn auch wohl mit veränderten Aufgaben. „Mehr auf- und wegräumen.“ Aber auch mit mehr Zeit für Beratung. Und bis zur Umstellung mit ordentlich Fleißarbeit. Denn: Alle 24.000 Medien im Bestand der Lohner Bücherei müssen mit „RFID-Tags“, so heißen die Funkaufkleber, versehen werden.
Kein Konzept für alle Büchereien
Wie wichtig die Erweiterung der Öffnungszeiten war, das sieht der Vredener Büchereileiter Michael Schürmann zum Beispiel daran, dass er manche Nutzerinnen und Nutzer mittlerweile kaum noch zu Gesicht bekommt. „Weil sie jetzt gezielt die Zeiten am Wochenende nutzen. Wenn sie sich ungestört in der konsumfreien Zone Bücherei aufhalten können.“
Sind also Open Libraries das Zukunftskonzept für alle Büchereien im Bistum Münster? Wohl nicht für alle, schränkt Claudia Herbstmann ein. Sie ist in der Büchereifachstelle des Bistums für die Regionalbetreuung der Pfarrbüchereien im NRW-Teil des Bistums Münster zuständig. Ein Open-Library-Konzept komme eher für solche Büchereien infrage, die auch mit hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern geführt werden und damit über eine gewisse Größe und finanzielle Möglichkeiten verfügen, erklärt sie.
Weil es sonst nicht leistbar sei, und weil es gerade in kleinen, von Ehrenamtlichen geführten Pfarrbüchereien eben nicht allein um das schnelle Ausleihen gehe, sondern weil sie gerade dort auch ein Ort der Begegnung, des Austauschs und des Gesprächs seien. Und dafür komme es darauf an, dort Ansprechpartner treffen zu können.