Gast-Kommentar von Kerstin Stegemann über Diskussionskultur

Bitte mehr Respekt vor anderen Meinungen - auch in der Kirche!

Über brennende Themen muss diskutiert werden. Aber der Ton macht die Musik. Erst recht in der Kirche, meint Kerstin Stegemann in ihrem Gast-Kommentar. Sie ist Vorsitzende des Diözesankomitees der Katholiken im Bistum Münster.

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Ob Bauernproteste, Corona-Beschränkungen oder Frauenpriestertum: Über brennende Themen muss diskutiert werden. Aber der Ton macht die Musik. Was in manchen Online-Kommentaren abgeht, hat mit Respekt nicht mehr viel zu tun. Dabei sollten gerade Christen anders miteinander umgehen - zum Beispiel bei den Beratungen des Synodalen Weges, meint Kerstin Stegemann in ihrem Gast-Kommentar. Sie ist Vorsitzende des Diözesankomitees der Katholiken im Bistum Münster und Delegierte beim Synodalen Weg.

Vor ein paar Tagen, als ich schön konzentriert in meinem Homeoffice saß, wurde es auf einmal ganz schön laut. Hunderte Traktoren fuhren laut hupend an meinem Fenster vorbei und machten sich auf den Weg in die Münsteraner Innenstadt. Im ersten Moment wusste ich gar nicht, was da los war und habe erstmal im Internet recherchiert, worum es da geht. Dort stand, dass es Proteste gegen den aktuellen Bericht des Bundesumweltministeriums geben sollte.

Da war ich schon mal schlauer. Ob ich das jetzt gut finde oder nicht, ist an dieser Stelle aber egal. Es war etwas Anderes, das mich beim Lesen der Artikel irritiert hat.

 

Viele vergessen, was sich gehört

 

Kerstin Stegemann (35) ist Vorsitzende des Diözesankomitees der Katholiken im Bistum Münster. Sie ist zudem eine der 230 Personen, die in der Synodalversammlung des Synodalen Wegs über die Zukunft der katholischen Kirche in Deutschland diskutieren.

Die Artikel selbst waren in aller Regel sehr sachlich und nüchtern formuliert. Aber dann habe ich einige Kommentare darunter gelesen. Und das hat mich echt erschrocken. Das war schon beschämend, wie da so manche Politker*in angegriffen wurde und es weit über die sachliche Ebene hinausging. Da ging es nicht mehr um das Austauschen von Meinungen, da ging es nur noch darum, die andere Seite niederzumachen. Persönliche Beleidigungen waren zahlreich zu finden. Ich glaube nicht, dass das den Bauern zuzuschreiben ist, die da demonstriert haben.

Auch unter Artikeln zu anderen Themen finden sich ähnliche Kommentare. Scheinbar gibt es viele Menschen, die bei solchen Kommentaren vergessen, was sich im Miteinander gehört.

 

Jeder muss mal Dampf ablassen

 

Und wo ich so darüber nachdenke, finde ich es eigentlich noch schlimmer, dass diese „Diskussionskultur“ auch vor unserer Kirche nicht haltmacht.

Ich bin Delegierte des Synodalen Wegs und selbst großer Fan dieses Prozesses. Ich möchte mich für eine Erneuerung der Kirche einsetzen, damit sie auch für künftige Generationen noch der Ort ist, wie ich sie erleben darf. Mir ist klar, dass nicht alle vom Synodalen Weg begeistert sind. Auch hier gibt es unterschiedliche Motive und Sichtweisen. Keine dieser Sichtweisen ist die einzige richtige und steht für sich, es geht um das Aushandeln von Kompromissen.

Ist es aber nicht gerade unsere christliche Verantwortung, nicht die eigene Meinung in den Fokus zu rücken, sondern auch auf den anderen zu hören? Müssen wir Christ*innen nicht in besonderer Weise auf das hören, was andere bewegt? Und dann ist ja eigentlich egal, ob wir "in echt" und live miteinander diskutieren oder ob dies im Internet passiert. Klar muss man auch mal Dampf ablassen. Aber mir steht doch in erster Linie ein Mensch gegenüber. Und den sollte ich sehen und respektieren.

Hinweis
Die Positionen der Gast-Kommentare spiegeln nicht unbedingt die Meinung der Redaktion von „Kirche+Leben“ wider.

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