HOLOCAUST

Jüdische Bittbriefe: Team um Hubert Wolf entwickelt Material für Schüler

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Forscher haben Bittbriefe von Juden an Papst Pius XII. für den Unterricht erschlossen. Sie bieten Einblicke in persönliche Schicksale.

Auf Grundlage von etwa 10.000 Bittschreiben, die jüdische Verfolgte während des Holocaust an den damaligen Papst Pius XII. und den Vatikan richteten, hat das Forschungsteam des Projekts „Asking the Pope for Help“ der Universität Münster Unterrichtsmaterial für Schüler ab Jahrgangsstufe 9 entwickelt.

Die Schicksale, die das Material zugänglich machen, stammen aus den vatikanischen Archiven. Ein Team um den Kirchenhistoriker Hubert Wolf arbeitet die bislang entdeckten Bittschreiben, die dazugehörige Korrespondenz und die Biografien der Verfolgten auf und macht sie in einer digitalen Edition der Öffentlichkeit zugänglich. Das Unterrichtsmaterial ist auf der Internetseite der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Münster abrufbar, wie es in einer Pressemitteilung der Universität heißt.

Neue Perspektive auf Bittbriefe von Juden

Unter anderem hat das Team die Geschichte des jüdischen Sängers Siegbert Steinfeld aufgearbeitet. Er schrieb am 17. Januar 1944 an Pius XII., weil er von den Nationalsozialisten gesucht wurde und musste sich in einer italienischen Grotte verstecken. In einem fünfseitigen Schreiben bittet er den Papst um Schutz vor seinen Verfolgern. Anhand digitalisierter Dokumente können die Schüler Steinfelds Schicksal nachvollziehen.

Die Quellensammlung biete eine neue und in dieser Anlage einzigartige didaktische Perspektive, heißt es von Seiten der Pressestelle der Universität Münster. Das Schulmaterial schlage eine Brücke, indem es die Briefe der Verfolgten in ihren historischen Kontext setzte und mit Erkenntnissen der Kirchengeschichte verknüpfe. „Durch die kritisch aufbereiteten Quellen aus der Perspektive der Verfolgten schließen wir eine wichtige Lücke in der Überlieferung und geben den zu Opfern gemachten Menschen mittels ihrer eigenen Geschichte ihren Status als handelnde Akteure zurück“, sagt Projektleiter Hubert Wolf.

Einblick in persönliche Schicksale 

Entwickelt wurden die Unterrichtssequenzen in Zusammenarbeit mit einem Team um den Münsteraner Religionspädagogen Clauß Peter Sajak. „Abseits einer abstrakten Darstellung der Themen um die Geschichte des Nationalsozialismus oder einer Fokussierung auf einzelne populäre Biografien ermöglicht das Unterrichtsmaterial, die vielfältigen Lebenswege und Schicksale von Jüdinnen und Juden in den Zeiten der Verfolgung sicht- und greifbar zu machen“, sagt Sajak.

Auch vor dem Hintergrund, dass Gespräche mit Zeitzeugen in Schulen aufgrund ihres Alters bald der Vergangenheit angehören, seien die Briefe der Verfolgten von großer Bedeutung. Neben Tagebuchaufzeichnungen böten sie die einzige Möglichkeit, unmittelbare Einblicke in persönliche Erfahrungen vor und während der Verfolgung zu gewinnen.

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