Im Bistum Münster engagieren sich mehr Frauen als Männer

Braucht der Pfarreirat eine Männerquote?

In den Pfarreiräten im Bistum Münster engagieren sich mehr Frauen als Männer. In der Lengericher Kirchengemeinde Seliger Niels Stensen sind sogar 13 von insgesamt 15 Kandidaten weiblich. Ob die Wahl am 11. und 12. November etwas daran ändert?

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Die Wahlen am 11. und 12. November könnten in der Lengericher Gemeinde Seliger Niels Stensen zu einer reinen Frauengruppe im Pfarreirat führen: Unter den 15 Kandidaten befinden sich nur zwei Männer. „Frauenpower!“ meinen Svenja Lauxtermann und Miriam Chrost dazu mit einem Schmunzeln. Die beiden Schülerinnen sind mit 17 und 18 Jahren die jüngsten Kandidatinnen.

Im neu gestalteten Jugendraum ihrer Gemeinde diskutieren sie über die anstehende Briefwahl. Miriam hat ihre Unterlagen schon abgegeben, Svenja überlegt noch. Erfahrung mit Gremienarbeit haben beide noch nicht gesammelt: „Wir waren Messdienerinnen und engagieren uns auch im Ferienlager“, berichten die beiden.

 

Reifliche Überlegung

 

Nachdem der leitende Pfarrer der Gemeinde, Prälat Peter Kossen, die beiden Freundinnen nacheinander angerufen hatte, mussten die jungen Frauen erst überlegen: „Was macht man überhaupt in einem Pfarreirat? Und haben wir Zeit für so ein Ehrenamt?“

Die Abiturientinnen haben viele Interessen. Svenja reitet, macht Leichtathletik und spielt in der Bigband ihrer Schule. Miriam leitet mit Svenja die kirchliche Jugendgruppe, spielt Euphonium (ein Blechblas­instrument) und hat noch einen Nebenjob.

 

Attraktiver für Jugendliche

 

Ihnen war es trotzdem wichtig, sich nach ihrer Firmung im September weiter in ihrer Gemeinde einzubringen: „Kirche muss für Jugendliche attraktiver werden“, finden beide. Aktionen außerhalb der Liturgie  und das Jugendlager über Fronleichnam wollen sie weiter voranbringen, „oder einen eigenen Jugendgottesdiensten in Lengerich anbieten“.

Nach der Wahl, wenn sie unter die letzten zwölf Kandidaten kommen, wollen sie sich einen Überblick über das Gremium verschaffen: „Ob da mehr Männer oder Frauen mitmachen, darüber haben wir nicht groß nachgedacht“, sagen sie.

 

Schwierige Kandidatensuche

 

„Es ist schön, wenn die Gruppe gemischt ist, weil beide Geschlechter auf ihre eigene Art ein Gremium prägen“, sagt Prälat Kossen zu den ungewöhnlichen Verhältnissen. Die „Übererfüllung der Frauenquote“ habe sich ergeben: „Es war nicht so einfach, Kandidaten zu finden“, sagt Kossen.

In Lengerich und seinen Gemeindeteilen vollziehe sich gerade ein Generationswechsel. Werner Recker geht nach über 40 Jahren Gremienarbeit in „kirchliche“ Rente, ebenso Alois Thomes.

Miriam Chrost (links) und Svenja Lauxtermann ist es egal, ob sich mehr Männer oder Frauen im Pfarreirat engagieren: Hauptsache Einsatz für die Gemeinde. | Foto: Marie-Theres Himstedt
Miriam Chrost (links) und Svenja Lauxtermann ist es egal, ob sich mehr Männer oder Frauen im Pfarreirat engagieren: Hauptsache Einsatz für die Gemeinde. | Foto: Marie-Theres Himstedt

„Ich mache die Pfarreiratsarbeit nicht an Geschlechtern fest“, ergänzt Prälat Kossen. Grundsätzlich habe er während seiner Zeit in früheren Gemeinden erlebt, dass die innovativsten Ideen meist von Ehrenamtlichen kamen: „Es ist nie leicht, in eine pastorale Wirklichkeit zu denken, die wir noch nicht kennen.“

Wenn es darum ging, Dinge hinter sich zu lassen oder Neues zu wagen, kamen die mutigsten Vorschläge oft vom Pfarreirat: „Eben weil sich dort Menschen mit unterschiedlichsten Lebenserfahrungen engagieren, sind die Perspektiven sehr vielfältig. Das ist wichtig für die Pastoral in der Gemeinde.“

 

Keine Angst vor Frauen

 

Der „Hahn im Korb“ unter den gewählten Kandidaten wird in Lengerich auf jeden Fall Ralf Schmees sein. Der 50-jährige Betriebsleiter profitiert vom sogenannten proportionale Wahlverfahren. Gemeinsam mit Marlene Hankers vertritt er die zwei Sitze, die für die Teilgemeinde Lienen vorgesehen sind. Dieses Wahlverfahren sorgt dafür, dass aus jedem Wahlbezirk so viele Pfarreiratsmitglieder gewählt werden, dass sich in dem Gremium die Wahlbezirksgrößen anhand der Anzahl der Gewählten wiederfinden lassen.

Ralf Schmees muss schon ein bisschen schmunzeln: „Angst vor der große Frauengruppe habe ich nicht!“ Außerdem kann der Pfarrer zu den gewählten Kandidaten noch vier Abgeordnete einberufen: „Aber es ist schon erstaunlich, dass wir nicht in der Lage sind, hier paritätisch aufzutreten. Woran das liegt, wäre mal interessant herauszubekommen.“

 

Männer wollen in den Kirchenvorstand

 

Da kann Ise Kamp weiterhelfen. Die Fachfrau aus dem Bischöflichen Generalvikariat Münster ist als Geschäftsführerin des Diözesanrates und des Diözesankomitees mit dem Pfarreirat befasst: „Ich hätte es sicherlich in Erinnerung, wenn es im Bistum Münster den Fall eines rein weiblich gewählten Pfarreirates schon einmal gegeben hätte“, sagt sie. „Würde sich denn jemand wundern, wenn es andersherum wäre?“, lautet ihre Gegenfrage.

Grundsätzlich falle im Pfarreirat der Frauenanteil allerdings höher aus als im Kirchenvorstand. Das belegen Zahlen. Nach den Wahlen 2013 waren 1416 Frauen und 889 Männer im Pfarreirat vertreten. Auch vor den Gemeindefusionen waren immer deutlich mehr Frauen als Männer in dem Gremium tätig.

 

„Geld folgt der Pastoral“

 

„Ich arbeite nicht gerne mit Stereotypen, aber ich denke, dass bei Frauen eher die erlernte Bereitschaft da ist, zu kommunizieren und sich auch auf Kommunikationsprozesse einzulassen. Im Pfarreirat gibt es nicht immer sofort harte Entscheidungen“, lautet Kamps Erklärung.

Wenn böse Zungen sagen, dass es sich nur um „Laberrunden“ handle und die eigentlichen Entscheider im Kirchenvorstand säßen, dann könne man das so nicht stehen lassen: „Das Geld folgt der Pastoral. Sprich, wenn ich einen starken Pfarreirat habe, der entsprechende Punkte vorgibt, dann entscheidet der Kirchenvorstand auch im Sinne der Projekte, die für diese Gemeinde wichtig sind.“

 

Ehrenamt als Herausforderung

 

Natürlich sei es grundsätzlicher schwieriger geworden, Kandidaten zu finden. Wenn früher nach einem Anruf vom Pfarrer die Sache klar war, so entscheide heute jeder für sich: „Kann ich das überhaupt? Habe ich die Zeit? Was bringt mir das persönlich?“, schildert Kamp die Situation. Ehrenamt sei eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung:

„Jeder Sportverein, jede Partei hat Probleme, langfristig Engagierte zu finden. Auch bei uns im Bistum ist der Pfarreirat schon totgesagt worden.“ Es werde nötig sein zu überlegen, „was brauchen wir für die Zukunft?“.

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